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Mode des 18. Jahrhunderts

Seidenkleid, um 1760 im Schnitt einer Taille-Andrienne, einer hochmodischen Sonderform der "Robe à la française“Im Jahr 2017 gelang dem Germanischen Nationalmuseum der Erwerb eines bemerkenswerten Objekts: eines einteiligen Seidenkleids aus der Zeit um 1760 mit zugehörigem Reifrock. Außergewöhnlich gut ist die Farbigkeit der Seide erhalten, der hellblaue Grund mit dem farbigen Blumendekor ist kaum verblichen - äußerst selten bei Textilien dieses Alters. Jetzt ist es erstmals öffentlich zu sehen, als zentrales Exponat der Sonderausstellung „Luxus in Seide“. Zusammen mit luxuriösem Schmuck, Accessoires und „Galanteriewaren“ wie Kopfbedeckungen und Kragen, Fächern und Handschuhen, Seidenstrümpfen und Schuhe ermöglicht die Ausstellung mit rund 100 Objekten einen faszinierenden Einblick in die opulente Welt der Damenmode des 18. Jahrhunderts.

Einer Pfarrerstochter hatte das Kleid wohl einst gehört, die es im Alter von 17 Jahren bei ihrer Hochzeit trug. Die Familie verwahrte das kostbare Textil über 250 Jahre. Vergangenes Jahr wandte sie sich ans Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, da sie es fachgerecht aufgehoben wissen wollte.

„Heutzutage ist es kaum noch möglich, originale Kleidung des 18. Jahrhunderts aus dem ursprünglichen Familienzusammenhang erwerben zu können“, freut sich Generaldirektor Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, „und dass sich die Familie an uns gewendet hat, zeugt auch von dem hervorragenden Renommee, das das Germanische Nationalmuseum im Umgang mit historischen Textilien genießt.“

Das Seidenkleid zeigt die selten erhaltene Schnittform einer Taille-Andrienne, eines bodenlangen, einteiligen Kleids mit betonter Taille und weiter Rückenfalte - eine damals hochmodische Sonderform der "Robe à la française“. In der Ausstellung ist es allansichtig in einer vollverglasten Vitrine aufgestellt.

Eine eigens angefertigte Figurine sorgt für die seitlich auf Hüfthöhe weit ausgestellte Form, eine Aufgabe, die einst ein Reifrock mit Fischbeinversteifung übernahm, der in einer zweiten Vitrine neben dem Kleid zu sehen ist.

Als modern und komfortabel erwies sich dieser mit dem Seidenkleid erworbene „kleine Reifrock“ aus rotem Seidenatlas: Er garantierte Volumen, ohne viele Stofflagen zu benötigen, hatte dadurch ein geringeres Gewicht und ließ ein wenig Luft an die Beine. Der Rock ist kurz, beim Gehen schlugen keine Reifen gegen die Knöchel. Praktisch sind zudem zwei breite Schlitze, durch die auf Innentaschen zugegriffen werden konnte.

Seidenkleid, um 1760 im Schnitt einer Taille-Andrienne, einer hochmodischen Sonderform der "Robe à la française“
136 cm hoch, ca. 62 cm Taillenumfang
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kat. Nr. 1

Reifrock, um 1760, zum Seidenkleid (Nr. 01) passend, aus rotem Seidenatlas. 33 cm lang, 208 cm Saumumfang
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kat. Nr. 2


Seidenkleid, um 1760 im Schnitt einer Taille-Andrienne, einer hochmodischen Sonderform der "Robe à la française“

Seidenkleid, um 1760 im Schnitt einer Taille-Andrienne, einer hochmodischen Sonderform der "Robe à la française“, Rückansicht

Ergänzend veranschaulichen weitere Ausstellungssektionen, was eine modebewusste Dame damals zu und mit einem solchen Kleid trug.

Accessoires und Schuhe

Bemerkenswert ist eine reich bestickte, mit Silberfäden durchwirkte Steckergarnitur aus dem 18. Jahrhundert, bestehend aus Vorstecker, Umlegekragen und Muff. Der dreieckige Vorstecker konnte einst als zusätzliches Dekor vorne am Oberteil eines Kleides befestigt werden, der aufwendige Kragen zierte umlaufend die Halspartie. Das wohl in Nürnberg entstandene Set ist äußerst luxuriös, nur Damen gehobenen Standes konnten sich solche Pracht leisten.

Historische Schuhe haben ebenfalls die Zeit selten überdauert. Die Ausstellung zeigt gleich fünf Paar und ein Paar Überschuhe, auch Patten genannt. In solche schlüpfte man beim Verlassen des Hauses samt „normaler“ Schuhe, um diese zu schützen. Eine Unterscheidung zwischen links und rechts existierte nicht, zwei identisch geschnittene Schuhe bildeten zusammen ein Paar. Sohle, Schuhblatt und Seitenteile bestanden aus Leder, im Absatz verbarg sich ein Holzkern, wie kunsttechnologische Untersuchungen bestätigten. Elegante Modelle wurden zudem mit einer zum Kleid passenden Seide bezogen, wovon ein sogenanntes Halbfabrikat mit Schnittformen zeugt.

Vorstecker und Umlegekragen einer dreiteiligen Steckergarnitur, Nürnberg, 1. Drittel 18. Jahrhundert.
Seide mit eingewebten Silberfäden, Stickereien, Blüten und Zweigen aus Draht und wenigen erhaltenen Pfauenfedern als Dekor.
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kat. Nr. 18

Paar Schuhe, Mitte 18. Jahrhundert. Seidentaft, gelb
22 cm lang, 8,5 cm Absatzhöhe
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kat. Nr. 38

 


Schmuck und Schirm

Im Vergleich zur durchaus aufwendigen Damenkleidung hielt sich der im 18. Jahrhundert getragene Schmuck in Größe und Farbigkeit eher zurück. In den Vitrinen überwiegen Ensembles mit farblosen Steinen wie Diamanten, Perlen oder geschliffenem Glas. Ab den 1750er Jahren kamen außerdem bewegliche Elemente in Tropfen-oder Tränenform in Mode. Kostbar schimmern zwei Colliers und Ohrringe aus Perlmutt - ein Effekt, der sich bei Kerzenlicht zusätzlich verstärkte. Raffiniert ist der Verschluss aus einem Seidenband, der das Schmuckstück für jeden Hals passend machte.

Neu kamen in dieser Zeit auch Sonnenschirme auf. Ein seltenes und überdies außergewöhnlich gut erhaltenes Exemplar aus den 1780er Jahren ist in der Ausstellung zu sehen, dessen Stoff mit Laubwerk, Voluten, Vögeln und Sonnenblumen bedruckt ist. An der Spitze endet der Schirm in einer kunstvoll geschnitzten Blütenknospe.

Wie modisch bleiben?

Zeitgenössische Darstellungen, Auszüge aus der historischen Literatur, aber auch Modekarikaturen ergänzen in der Präsentation die erhaltenen Textilien. Schon damals informierten sie über neue Modeerscheinungen, die mitunter auch in Reiseberichten oder Wochenblättern thematisiert wurden. Daneben veranschaulichten Modepuppen in Lebensgröße oder en miniature - von Frankreich aus verschickt - in Adelskreisen detailgetreu das Bild einer „ä la mode“ gekleideten Dame, wie eine kleine Anziehpuppe aus der Zeit um 1750 am Ende der Ausstellung deutlich macht.

Anziehpuppe mit Kleid und Accessoires, Nürnberg (?), um 1750. 50 cm hoch
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Kat. Nr. 86

credits: Alle Texte und Bilder Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
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