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Kluge und törichte Jungfrauen
 

Der Fürst der Welt

Der Fürst der Welt in der Dichtung des Mittelalters

Walther von der Vogelweide:

doch waz der Schanden alse vil / dô ich dîn hinden wart gewar

Konrad von Würzburg, Der Welt Lohn (um 1260):

der was in allen enden gar
bestecket und behangen / mit würmern und mit slangen
mit kröten und mit natern; / ir lip was voller blatern
und ungefüeger eizen; / fliegen und ameizen
ein wunder drinne sazen / unz uf das gebeine.
si waz so gar unreine /
daz von ir broeden libe dranc / ein also egeslicher stanc
den niemen kunde erliden

 

 

Zitat Friedrich Kobler (1970)

Im Südwesten Frankreichs und in Burgund findet sich unter den Bildwerken an Fassaden, Portiken und Kapitellen im 12. Jahrhundert öfters die "femme aux serpents" (1), eine unbekleidete Frau, an deren Brüsten Schlangen saugen oder die von Schlangen und Kröten umgeben ist. Diese Frau wird als Luxuria interpretiert und gilt als ikonographische Schöpfung des Languedoc (2).

Sie wird nur selten allein dargestellt: meist kommt siemit dem Satan zusammen vor. Hier also kommt es zu einer Paarbildung ähnlich wie in Freiburg: Satan und Luxuria (3). Doch wird das Attribut der Schlangen und Kröten in Freiburg nicht der Frau beigegeben, sondern - wie in Straßburg - dem Satan (4).

Es macht also den Eindruck, als ob Freiburg in seinem Paar Satan und Luxuria eine romanische Tradition Südwestfrankreichs aufgreifen würde, wenn auch unter Verwendung neugeprägter Figuren, die durch den Warn-Engel noch eine Erweiterung (und Erläuterung) erfahren. Die Zusammenstellung Satans mit den törichten Jungfrauen, die als Gegenüber Christus und die klugen Jungfrauen erhalten, scheint dagegen eine junge Erfindung zu sein. Die einige mir bekannt gewordene Vorstufe zur Straßburger Gegenüberstellung bietet ein Fenster in der Kathedrale von Troyes um 1250 (5). Dort finden sich in zwei Lanzetten im Hochchor die klugen Jungfrauen mit Christus den törichten mit Satan konfrontiert (6).

Die Gestalt des Straßburger und Freiburger Satan als modisch gekleideter Mann mit dem Rückenstreifen voller Kröten und Schlangen ist vor Straßburg weder in Frankreich noch in Deutschland bisher nachweisbar.

... ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass in Freiburg der Satan als Anführer der törichten Jungfrauen projektiert gewesen sein soll.


1 Emile Mâle, L'art religieuse au XIIme siècle en France. Paris, 5. Aufl. 1947, S. 365ff., bes. S. 373-76. Hauptbeispiel ist der Portikus von St. Pierre in Moissac.

2 Von Mâle werden die Tiere als Bestrafung der Luxuria erklärt; diese Interpretation hat keinen rechten Sinn. Ein oberrheinisches Beispiel aus dem 13. Jh. in einer "Konsole" an der südlischen Hochschiffwand des Straßburger Münsters: Straßbureger Münsterblätter 5 (1908), S. 23, Abb. 23

3 Satan: Münzel, Skulpturenzyklus S. 105ff.

4 Bei Alexandre Lenoir, Monuments des Arts libéraux, Paris 1840, zeigt der Stich auf T. XVIII die männliche Figur mit Klauenfüßen, also den Teufel, dem je eine Schlange und Kröte beigegeben sind.

5 Aubert, Chastel, Grodecki u.a., Le vitrail francais, 1958, S. 49, Abb. 29. Jean Lafond, Les vitraux de la Cathédrale de Troyes: Saint-Pierre des Troyes. Congrès archéologique CXIII, 1955, S. 29ff, 46, 48

6 Die gleiche Gegenüberstellung zeigt ein Hungertuch von Heiligengrabe (Ostpriegnitz) um 1300: Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg 1,2: Eichholz, Solger, Spatz, Die Kunstdenkmäler des Kreises Ostpriegnitz, Berlin 1907, S. 75, S. 76 Abb. 9.


Friedrich Kobler: Der Jungfrauenzyklus der Freiburger Münstervorhalle. Bamberg 1970 (= Diss. phil. Berlin 1966) S. 124/25

     

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