Unter vier Augen


 

 

Das Ausstellungsprojekt „Unter vier Augen – Porträts sehen, lesen, hören“ zeigt 50 Spitzenwerke der Karlsruher Sammlung aus 500 Jahren und bringt sie auf ganz neue Art zum Sprechen: Renommierte deutschsprachige Schriftsteller/-innen und Intellektuelle, Kunst- und Kulturwissenschaftler/-innen haben sich auf Einladung der Kunsthalle mit jeweils einem Bildnis befasst und sich zu Texten anregen lassen.

Die Ausstellung verwandelt die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe in einen Raum, in dem Bild und Sprache gleichberechtigt wahrgenommen werden können, denn die Texte sind sämtlich auch vor den Bildern in der Ausstellung zu hören. Der Besucher kann sich entscheiden, ob er eher als Lesender (mit Katalogbuch) oder als Hörender (mit Audioguide) die Bilder der Ausstellung erschließen möchte. Hörend oder lesend wird er genauer hinschauen und auf Details achten, die sonst vielleicht ungesehen geblieben wären. Nebenbei ergibt sich ein Streifzug durch die Entwicklung der niederländischen, deutschen und französischen Porträtmalerei von etwa 1480 bis 1980.

Zu den Autoren der Ausstellung und der parallel erscheinenden Anthologie „Unter vier Augen – Sprachen des Porträts“ gehören unter anderem Hans Belting, Gottfried Boehm, Wilhelm Genazino, Nora Gomringer, Ursula Krechel, Brigitte Kronauer, Michael Kumpfmüller, Friederike Mayröcker, Eva Menasse, Herta Müller, Karl-Heinz Ott, Antje Rávic Strubel, Anna und Hans Joachim Schädlich, Silke Scheuermann, Lutz Seiler, Peter Sloterdijk, Ingo Schulze mit Christine Traber, Martin Walser und Juli Zeh (vollständige Liste der Autoren und Künstler siehe unten). Sie schufen Charakterstudien, Impressionen, Gedichte, Briefe, Gespräche, Tagebuchaufzeichnungen, autonome Geschichten und Essays, die allesamt einen jeweils neuen, geschärften, oft überraschenden und amüsanten Blick auf die Bilder eröffnen. So baut sich ein freier Imaginationsraum um die Kunstwerke auf, in dem Faktisches und Fiktives vielstimmig widerhallen.

Die Ausstellung führt das Porträt als dialogische Gattung vor, indem sie die Vielzahl der Zwiegespräche deutlich macht, aus denen Bilder und Texte entstehen und zu denen beide einladen – sie verweist auf die Dialoge zwischen Maler und Modell, Autor und Bild, Betrachter und Porträtiertem, Betrachter und Künstler, Leser und Text und auf deren intimen Charakter („Unter vier Augen“). Auf einer weiteren Ebene begegnen sich hier gleichberechtigt auch Kunst und Wissenschaft, Erzählen und Erklären, Imagination und Recherche.

Damit wird der Reichtum an Gesichtspunkten der Bildniskunst aus verschiedensten Perspektiven beleuchtet. Es geht neben vielem anderen in den Texten der Autoren immer wieder um die faszinierende Sprache der Blicke, Gesten und Haltungen, um Formen der Inszenierung und Psychologisierung, um Attribute, Kostümierungen und Maskierungen, um die Deutbarkeit oder Fehldeutbarkeit von Physiognomie und Mimik, um Schönheit und Verblühen, um Mannhaftigkeit, Frausein, Kindheit und Tod, um die Bedeutung des Schattens, Wiedererkennbarkeit und Vergegenwärtigung, um Bild gewordene Lügen, Liebe, Intrige und Duelle zwischen Maler und Modell und um das Glück des Sehens.

Mit den Bildnissen von Adligen, Gelehrten, Kurtisanen, Theologen, Philosophen, Künstlerinnen, Künstlern und Anonymen, mit Familien-, Geschwister-, Freundschafts- und Selbstbildnissen bis hin zu posthumen Porträts und Totenbildnissen öffnet die Ausstellung ein breites Spektrum von repräsentativen und privaten Darstellungen aus der hochkarätigen Sammlung der Kunsthalle, die hiermit einen Ausschnitt aus ihrer rund 450 Bildnisse umfassenden Gemäldesammlung exemplarisch zusammenführt. Sie ermöglicht die Begegnung mit Lebensgeschichten, Bildgeschichten, Lesarten und en passant einen Streifzug durch die deutsche, niederländische und französische Porträtmalerei von etwa 1480 bis 1980. Die Ausstellung führt damit kaleidoskopartig an das Porträt als Gattung heran, nicht enzyklopädisch, sondern imaginativ, schöpferisch, kontemplativ. Dabei trägt sie auch Antworten auf die Frage zusammen, was ein Porträt aus einem vielleicht längst vergangenen Jahrhundert für den Betrachter heute anziehend macht.

Einsetzend mit dem 1480 entstandenen „Bildnis eines Gelehrten“ des Meisters des Marienlebens kann die Kunsthalle eine eindrucksvolle Suite früher Renaissanceporträts zeigen, zu deren Urhebern Hans Burgkmair, Lucas Cranach d. Ä. und Quentin Massys zählen. Werke von Jan Vermeyen, Peter Paul Rubens, Rembrandt Harmensz. van Rijn und Govaert Flinck gehören zu den Preziosen der Abteilung niederländischer Malerei. Ihnen an Fulminanz ebenbürtig sind die Porträts der französischen Bildnismaler vom Barock bis zur Aufklärung, unter ihnen Hyacinthe Rigaud, Pierre-Paul Prud'hon, Jean-Simon Berthélemy, Henri-Pierre Danloux und Louis Gauffier. Zu den Höhepunkten der Ausstellung zählen im 19. Jahrhundert die Bildnisse von Eugène Delacroix, Edouard Manet, Adolf von Menzel und James Tissot, im 20. Jahrhundert Werke von Auguste Renoir, Alexander Kanoldt, Oskar Kokoschka, Otto Dix, Georg Scholz und Ernst Ludwig Kirchner.

Ergänzt wird „Unter vier Augen“ durch eine Präsentation von Porträtzeichnungen in den Vitrinen des Vorlegesaals. Zu den Künstlern der hier gezeigten Auswahl von rund 30 Blättern aus dem Kupferstichkabinett zählen James Ensor, Karl Hubbuch, Erich Heckel, Franz Xaver Winterhalter, Odilon Redon, Edouard Vuillard, Hanna Nagel und Hermann Sprauer.

     
 

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