Badisches Landesmuseum Karlsruhe


Sammlungsausstellung "WeltKultur / GlobalCulture"

 

Eine gemeinsame Kultur prägt unsere Zivilisationsgeschichte – die neueste Sammlungsausstellung zeigt durch die Gegenüberstellung von kulturellen Errungenschaften aus verschiedenen Teilen der Welt, dass Kulturen seit jeher miteinander verwoben sind. Mit einem innovativen Konzept vermittelt das Badisches Landesmuseum ein neues historisches Bewusstsein und lädt dazu ein, sich mit dem Phänomen einer weltumgreifenden Kultur auseinanderzusetzen.

Das „Fremde“ wirkte zweifellos zu allen Zeiten faszinierend. Zugleich schürte es tief sitzende Ängste, die damals wie heute Fragen nach der Bewahrung der eigenen Identität aufwerfen. Doch ist das vermeintlich Fremde tatsächlich unbekannt oder reicht es nicht längst bis an die Haustür, wenn nicht sogar bis ins Haus? Die neue Sammlungsausstellung im Karlsruher Schloss zeigt, wie stark transkulturelle Verflechtungen unser Leben in den vergangenen Jahrhunderten geprägt haben und heute noch Teil unseres Alltags sind.

Die Ausstellung will auch anhand prägnanter Beispiele belegen, dass eine gemeinsame Kultur, eine WeltKultur nämlich, uns allen eigen ist, die immer nach demselben Schema verläuft: Durch die Begegnung mit dem Fremden eignen wir uns Dinge und Lebensgewohnheiten „des Anderen“ an. Darauf folgt in der Regel eine Abwandlung in etwas Eigenes. Doch da die eigentliche Herkunft unserer Dingwelt im Lauf der Zeiten in Vergessenheit geraten ist, weil die eurozentrische Geschichtsschreibung und -vermittlung manches in einem anderen Licht hat erscheinen lassen, machen wir uns dies nicht bewusst. Wer weiß schon heute, dass etwa der gute deutsche Gartenzwerg seine Wurzeln in der Türkei hat? Wer würde in der Islamischen Republik Iran glauben, dass das einzige kursierende Bild des jungen Propheten Mohammed einer Bildvorlage zweier europäischer Fotografen folgt?

Um die gegenseitige Beeinflussung der Kulturen zu visualisieren, widmet sich die neue Sammlungsausstellung im 2. Obergeschoss des Karlsruher Schlosses zu Beginn dem Thema „Begegnung und Aneignung“. Hier findet der Besucher Anregungen, sich mit dem Phänomen des Kulturtransfers sowie mit den Klischees und Stereotypen über „die Anderen“ auseinanderzusetzen. So verrät z.B. der bereits in den 1970er-Jahren von Radio Bremen gedrehte und nach wie vor aktuelle Film „Expedition Germanistan“ augenzwinkernd, wie Deutschland aus der Sicht „der Anderen“ gesehen wird.

Von Kasperle und Gartenzwerg. Wer weiß heute, dass der gute deutsche Gartenzwerg seine Wurzeln in der Türkei hat? © Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Von Kasperle und Gartenzwerg. Wer weiß heute, dass der gute deutsche Gartenzwerg seine Wurzeln in der Türkei hat? © Badisches Landesmuseum Karlsruhe

Der Blick sowohl auf die gegenseitige Orient- und Okzident-Faszination der letzten Jahrhunderte als auch auf die kulturellen Entwicklungen, die mit den frühen Globalisierungserscheinungen spätestens seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts einsetzen, legt ebenso beredt von unserer WeltKultur Zeugnis ab wie die weit reichenden Veränderungen im Zeitalter der Industrialisierung und der Kolonialzeit. Masken und Amulette zeugen beispielsweise von einer Tradition Glück bringender oder Unglück abwehrender Zeichen.

Sie treten zwar in den einzelnen Kulturen ganz unterschiedlich auf, ihre Verwendung und Bedeutung jedoch kann kulturübergreifend verstanden werden. Mit diesem neuen Verständnis auf kulturelle Verflechtungen wird dem Besucher ein ums andere Mal vor Augen geführt, dass Kulturen niemals autonome Inseln oder in sich abgeschlossene Systeme waren. Auch verliefen geschichtliche Entwicklungen nicht immer linear: Auf die Orient-Faszination vor 100 Jahren folgte etwa im 21. Jahrhundert nach 9/11 ein Neo-Orientalismus eigener Ausprägung.

Impression aus der Sammlungsausstellung: Japanische Katagami (Färberschablonen) und ihr Einfluß auf den europäischen Jugendstil. © Badisches Landesmuseum Karlsruhe
Impression aus der Sammlungsausstellung: Japanische Katagami (Färberschablonen) und ihr Einfluß auf den europäischen Jugendstil. © Badisches Landesmuseum Karlsruhe

Die hauseigenen Bestände des Badischen Landesmuseums, deren Grundstock durch die einstige ethnographische Abteilung der „Großherzoglichen Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde“ und des „Kunstgewerbemuseums“ in Karlsruhe gelegt wurde, kommen in der neuen Sammlungsausstellung zu neuer Geltung. Deutlich zeigt der Altbestand, welche Kulturen aus der Sicht von Europäern überhaupt von Interesse waren, welche aus der näheren Betrachtung herausfielen und was gesammelt wurde.

So stammen die präsentierten Stücke hauptsächlich aus den Kulturen des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens sowie des Maghreb. Objekte aus Afrika oder Ozeanien hingegen sind bereits seit den 1935 nicht mehr im Karlsruher Besitz. So zeigt die Sammlungsgeschichte des Badischen Landesmuseums beispielhaft, was Museen in der Vergangenheit als künstlerische oder kulturelle Errungenschaften einer Kultur wertschätzten.

Die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Schoole Mostafawi, vor einer spätmittelalterlichen Pietá als Vorbild für islamische Mutter-Sohn-DarstellungenBild: Die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Schoole Mostafawi, vor einer spätmittelalterlichen Pietá als Vorbild für islamische Mutter-Sohn-Darstellungen

Hinzu kommt das große Engagement von Prof. Dr. Harald Siebenmorgen, dem Direktor des Badischen Landesmuseums, der die Sammlungen des Hauses um zeitgenössische Objekte aus anderen Kulturen ergänzte. International gefeierte Künstler und Künstlerinnen wie Khaled Ben Slimane (Tunesien) oder Parastou Forouhar (Iran) begegnen europäischen Künstlern wie Richard Avedikian (Frankreich) oder Grita Götze (Deutschland) – nunmehr auf der sprichwörtlich „gleichen Augenhöhe“.

Im letzten Bereich der Ausstellung widmet sich der Themenblock „Heimat und Identität“ beherzt Vorurteilen und hinterfragt Stereotypen. Im Sinne des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk, der sich ein Museum wünscht, das vor allem „die Geschichten einzelner Menschen abbildet“, schließt die Ausstellung mit einem lebendigen Forum für den Austausch von Menschen unterschiedlicher Nationalität: MigrantInnen wirken hier tatkräftig an künstlerisch-pädagogischen Umsetzungen mit. Den Auftakt für das erste Jahr macht die gebürtige Spanierin Ana Rios mit ihrem Projekt zum „WeltenBürger“.

Ziele der Ausstellung sind die Sensibilisierung für kulturelle Gemeinsamkeiten, der Abbau von Vorurteilen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Eine große Wanderkarte animiert die Besucher, auch in anderen Bereichen des Hauses auf Spurensuche nach Phänomenen der WeltKultur zu gehen. Man darf auf verblüffende Erkenntnisse gespannt sein.

     

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