Unter dem Titel „Das fremde Abendland? Orient begegnet
Okzident von 1800 bis heute“ präsentiert das
Badische Landesmuseum eine innovative Ausstellung. In Abgrenzung
zur aktuellen Flut an Ausstellungen zum Thema Orientalismus
und Orientrezeption weltweit beschäftigt sich diese
Sonderausstellung mit dem umgekehrten Phänomen, der
weniger bekannten Rezeption der westlichen Kultur im Osten.
Jenseits gängiger kulturwissenschaftlicher Theorien
um den „Okzidentalismus“ und aller stereotypen
Einteilungen möchte die Ausstellung anhand ausgewählter
Themen und Exponate die besondere historische Konstellation
darstellen, in der die Neugier des Orients am Westen im
Verlauf der vergangenen 200 Jahre eine neue Dimension erreicht
hat. Aspekte des „Orientalismus“ hingegen werden
vornehmlich dort gestreift, wo diese im Orient selbst auftauchen
und bewusst oder unbewusst zur Projektionsfläche der
eigenen Identität werden. Auch dienen exemplarisch
vorgestellte Werke des europäischen Orientalismus
dazu, den Besucher an das ihm eher vertraute Phänomen
zu erinnern und ihn anzuregen, in Gegenüberstellung
mit entsprechenden Arbeiten aus dem orientalischen Raum
die kulturelle Wechselbeziehung zwischen Orient und Okzident
im neuen Lichte zu betrachten.
Der Fokus der Ausstellung liegt auf dem Iran. Hinzu kommen
Exponate aus Tunesien, Syrien und Palästina, die vor
Gründung des Nationalstaates Türkei zum Osmanischen
Reich gehörten. Damit soll der im Westen meist summarisch
auf sämtliche Länder der islamischen Welt übertragende
Begriff "Orient" aufgeschlüsselt und die
je eigenen Traditionen aufgezeigt werden.
Zwei Themenschwerpunkte bestimmen die Ausstellung: Die
Bilderwelten, in denen Darstellungen realer und mythischer
Herrscher über Heiligenbilder des sunnitischen und
schiitischen Islam, Frauen- und Genrebilder bis hin zur
bildlichen Schilderung von Sehnsuchtsorten eine Rolle spielen.
Sie schließen die Auswahl hochwertiger Ölgemälde
bis hin zur gewöhnlichen Plakatkunst ein und beruhen
neben Leihgaben aus Museen, Bibliotheken und von Privatpersonen
größtenteils auf Feldforschungen vor Ort. In
den Alltagswelten hingegen werden anhand ausgewählter
kunsthandwerklicher Erzeugnisse, aber auch gewöhnlicher
Souvenirartikel sämtlicher Materialgattungen sowohl
die Übernahme europäischer Formen, Motive und
Techniken als auch deren Rezeption in der islamischen Welt
unter Einbindung regionaler Traditionen untersucht. Dabei
zeigt sich, welch ungeahnt spannende Sinnverschränkungen
der Blick auf die eigene Kultur aus fremder Sicht erlaubt.
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