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Das gibt es nur in Baden

Cover des bsprochenen BandsEine der schwierigsten Fragen überhaupt: Was ist Baden? Ebenso schwierig: Was ist das Besondere an Baden? In der Schweiz gab es früher ein Büchlein, da konnte man nachschlagen: "Schweizer! Das musst du wissen!" Wusste man etwas nicht, bekam man vermutlich, zumindest innerlich, das Büchlein um die Ohren. Das waren nationale Essentials.

Gibt es etwas, was es nur und ausschließlich in Baden gibt?

Natürlich gibt es das. Jeder Bahnhof, ob der in Mannheim, in Offenburg, in Singen oder in Konstanz, ist einzig, jedes Schloss, ob in Mannheim, in Heidelberg, in Bruchsal, in Ebnet oder in Salem, ist einzig. Aus der Fülle der ganzen Einzigartigkeiten das herauszufischen, was Baden kennzeichnet, ist ein sehr gewagtes Unterfangen.

"Das gibt es nur in Baden" erscheint allerdings als ein Titel, der wohl versucht, auf der Baden-Welle einer Lifestyle-Heimatverbundenheit zu schwimmen. Konzeptionell wird ein bunter Reigen an Merkwürdigkeiten und Rekorden geboten, dem letztlich der innere Zusammenhang fehlt. Das Buch zeigt sich als  eine Aufzählung von Superlativen – der höchste, der älteste, der schönste. Definiert sich badische Identität über die Superlative?

Die Beschränkung der "Badischen Persönlichkeiten" auf das 20. Jahrhundert (mit der Ausnahme von Kaspar Hauser) ist geeignet, die historische Vielfalt "Baden" – des heutigen Baden – zu verkennen. Nimmt man Baden tatsächlich als historisches Konstrukt der Napoleonzeit, dann gehören Vorderösterreich und die Kurpfalz nicht nur geografisch dazu. Dann liegen nicht nur die Schlösser von Mannheim, Heidelberg, Schwetzingen und Bruchsal "in Baden", sondern dann gehört auch die Innovationskraft eines Ottheinrich und die religiöse Überzeugung eines Friedrich III. (beides pfälzische Kurfürsten) zum historischen Erbe Badens.

Gleiches gilt für das Kapitel "Badische Kultur", das sich bis auf die Gründung der Heidelberger Universität 1386 (Kurpfalz) und das Konstanzer Konzil 1414 – 18 (Reichsstadt) ebenfalls auf das 19. Jahrhundert und die Gegenwart beschränkt.  Der Baden-Begriff ist nun einmal vielschichtig, und jede Beschränkung auf die eine oder andere Schicht ist eine unzulässige Verengung.

Was die Orte angeht, die als Einzigartigkeiten aufgeführt werden, sind sachliche Anmerkungen nötig, manche Unstimmigkeit entsteht hier durch zu starke Verkürzung.

In Mannheim wurde die "Quadrateeinteilung" nicht erst 1684 eingeführt. Die Einteilung ist nicht einzig, der Renaissance-Grundriss kommt sehr oft vor. Einzig ist die Verbindung von Stadt (Quadrate) und Zitadelle (Stern) in einer gemeinsamen Festung. Das Mannheimer Schloss wurde nach 1945 nicht "in Anlehnung an seine ursprüngliche Gestalt" wieder hergestellt, sondern in den Außenmauern so wieder hergestellt, wie es war. Es wurde 2007 auch nicht "neu gestaltet", es wurde die Raumfolge der Bel Etage rekonstruiert.

In Bruchsal sind die "sehenswerten Fresken" von 1957. In Karlsruhe das Schloss in Versailles als Vorbild zu zitieren, mag griffig sein, geht aber an der Besonderheit des Grundrisses von Stadt und Schloss vorbei. Versailles ist viel eher Vorbild für Rastatt, aber dort werden die Schlossräume in der Bel Etage des Corps de Logis gar nicht erwähnt. Die sind nun tatsächlich einzig, weil im 2. Weltkrieg nicht zerstört.

Schloss Favorite hat angeblich einen "der schönsten Lustgärten am Oberrhein". Da ärgern sich die Kurpfälzer und besonders die Schwetzingen, deren Schlossgarten gar nicht erwähnt wird.

Dass Oberkirch "Schnapshauptstadt" ist, stimmt, aber nicht, weil der Topinambur eine Renchtäler Spezialität ist. Der ist eher gemein-schwarzwälderisch.

So gibt es eine Menge an Oberflächlichkeiten, und man muss sich fragen, ob "Das gibt es nur in Baden" diese Oberflächlichkeit will. Lifstyle als Hoppla-hopp? Eine Kulturlandschaft als etwas besonderes darzustellen verlangt jedenfalls mehr Tiefe in der Darstellung.

Matthias Kehle, Patricia Keller: Das gibt es nur in Baden
Silberburg-Verlag, Tübingen, 2015
ISBN 978-3-8425-1411-9
16,90 €

 

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