Rezensionen


 

Knopf, Volker: Entdeckungsreisen Elsass und Lothringen. Kulinarisches, Historisches, Kurioses.
Karlsruhe, G. Braun Buchverlag, 2013, ISBN 978-3-7650-8643-4, 16,95 €

 

Das Konzept dieses neuen Reiseführers im handlichen Format ist es nicht, Altbekanntes aufzuwärmen, sondern weniger Bekanntes, Neues, selbst für Kenner der beiden französischen Regionen Überraschendes zu präsentieren. Dies erfolgt nach den drei Rubriken »Kurioses«, »Kulinarisches« und »Historisches« (also in etwas anderer Reihenfolge als auf dem Titelblatt angegeben, wobei die Grenzen zwischen den Teilbereichen nicht so eng gezogen sind. Es geht auch nicht um systematisches Aufzählen, sondern um neugieriges Herauspicken. Man steht sozusagen vor einem großen Büffet voller Leckereien, aus dem man sich die Dinge herausgreift, die man noch nie gegessen hat, wobei uns der Autor, der hauptberuflich Journalist ist, die Mühe der Auswahl schon abgenommen hat.

Die von Nr. 1 bis Nr. 50 durchnummerierten 52 Einzelziele (die Unstimmigkeit ergibt sich daraus, dass nach Nr. 46 noch die Ziele 46a und 46b eingeschoben wurden) werden nach bewährter zeitungsjournalistischer Art mit Titel und Untertitel vorgestellt, beispielsweise »Mega-Badewanne für Freizeitkähne« und darunter »In Lothringen steht eines der ungewöhnlichsten Schiffshebewerke Europas/ Schrägaufzug ersetzt 17 Schleusen«. Der folgende Text beginnt dann in der Regel mit der Nennung einer Person, die beruflich mit der jeweiligen Kuriosität zu tun hat und in direkter Rede für die Authentizität der Darstellung bürgt. In vielen Fällen verdankt das zu entdeckende Ziel (Museen, Gärten, Werkstätten, Geschäfte usw.) diesen »ungewöhnlichen Menschen« überhaupt ihre Existenz.

Um die vorgeschlagenen Reiseziele zu lokalisieren oder auch unterwegs aufzufinden, erscheinen Nummern und Namen (die letzteren etwas klein) in den ausklappbaren Umschlagdeckeln, wo sie übrigens kartographisch genauestens platziert sind. Allerdings endet der am Beispiel des Schiffshebewerks von St-Louis / Arzviller erwähnte Rhein-Marne-Kanal leider schon östlich von Nancy an der Meurthe, ohne seinen Weg zur Marne fortzusetzen.

Wie bei den meisten neueren Publikationen über den Nordosten Frankreichs inzwischen üblich, werden Ortsnamen konsequent (oder fast) in offizieller französischer Version wiedergegeben. Die Zeiten, in denen man noch von Hagenau oder Schlettstadt sprechen und schreiben durfte, sind anscheinend vorbei. Fast unvermeidlich sind dann allerdings formale (»Haguenauer Forst«) oder inhaltliche Zwitter (»Der bekannte Humanist [Beatus Rhenanus] vermachte Selestat kurz vor seinem Tod seine gesamte Bibliothek«). Straßburg erscheint fast immer als »Strasbourg«, einige Male als »Straßburg« und einmal als »Straßbourg«. Manchmal entdeckt man auch Rätselhaftes, das aus französischsprachigen Vorlagen stammen könnte, wie beispielsweise eine »Sandmasse« (frz. sable oder päte sablee), aus der in einer als Reiseziel empfohlenen Patisserie ein Backwerk hergestellt wird.

Da der Rezensent nicht nur Romanist, sondern auch Geograph ist, vermisst er eine einheitliche Linie bei den Lageerläuterungen. Da liegen die Orte mal allgemein im Eisass, mal etwas genauer im Nordelsass, mal sehr genau im Krummen Eisass, mal in den Vogesen, mal in den Nordvogesen, mal im Departement Vosges, wobei bisweilen der Eindruck entsteht, dass die Dinge auch verwechselt werden. Es ist nicht klar, welches der Unterschied zwischen »Moselland« und »französischem Moselland« ist, ob damit das Departement Moselle gemeint ist oder das hydrographische Becken der Mosel. Da hilft auch die Ausklappkarte nicht weiter, denn die bietet, um die Ziele in den landschaftlichen Kontext einzuordnen, nur die drei Namen »Frankreich«, »Lothringen« und »Vogesen« an.

Das letzte Kapitel (Nr. 50) ist nicht einem Reiseziel gewidmet, sondern dem elsässischen Dialekt, seiner abnehmenden Präsenz in den Tageszeitungen sowie einigen Personen und Gruppierungen, die sich bemühen, den fortschreitenden Niedergang des Elsässischen aufzuhalten. Ist es Zufall oder Absicht, dass auf dem beigefügten Foto gut lesbar die hier zwar fußballbezogene, aber doppeldeutige Zeitungsschlagzeile »Le coup de Graz« auftaucht? Die dem Wortspiel zugrunde liegende Wendung »le coup de gräce« bedeutet »der Gnadenstoß«. Wie dem auch sei: Man merkt bei der Lektüre auf Schritt und Tritt, dass es dem von den unterschiedlichsten verborgenen Facetten der Reisländer Lothringen und Eisass erfüllten Autor ein Bedürfnis ist, seine Mitmenschen an diesen Entdeckungen teilhaben zu lassen. Man bekommt Lust hinzufahren und mitzuentdecken. Freunde des Internets finden am Ende jedes Kapitels hilfreiche und weiterführende Angaben.

Ulrich Raabe

4/2014
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