Wer als Bücherfreund in den Weiten Deutschlands
auf einen Titel stößt »Vorderösterreich« fragt
sich möglicherweise Was ist das? Und antwortet: Kenn ich
nicht! Kennt er vielleicht doch nur den heutigen westlichen Zipfel
des damaligen Vorderösterreichs das »Vorarlberg« vom
Durchfahren zum Wintersport? Der Badener dagegen, auch wenn er
aus Nordbaden stammt, hat meist schon von den österreichischen
Sprengeln im Süden seines Landes gehört.
Vielleicht hat er sogar den einen oder anderen Ahnen z. B. im
vorderösterreichischen Rickenbach im Hotzenwald und hat
gehört welche Schwierigkeiten dieser hatte als er im badischen
Nachbarort Gers- bach seine Braut in dem anderen Herrschaftsgebiet
heiraten wollte, dazu noch wenn er von der katholischen Gemeinde
in die rein evangelische kam.
Ja man sieht schon, es war eine turbulente Zeit auf einer zerrissenen
Landkarte mit diesen versprengten österreichischen Besitzungen, über
die sich heute kaum jemand mehr ein Bild machen kann. Da ist
es das Verdienst des Autors Dieter Speck, selbst Nordbadener,
dass er heute den Versuch unternimmt, aus seiner »vorderösterreichischen« Wahlheimat
als Universitätsarchivar in Freiburg den Akten und der Landkarte
nah, eine geschlossene Darstellung als kleine Geschichte vorzulegen.
Alles begann vor etwa 1000 Jahren mit den frühen Besitzungen
der Habsburger, der Habsburg im heute schweizerischen Kanton
Aargau und der Klosteranlage Ottmarsheim im französischen
Eisass, und führte schließlich durch Kauf, Verkauf,
Erbschaft und Heiratspolitik zu dem, was im 17. Jahrhundert dann
den Begriff »Vorderösterreich« bekam, dann aber
bald nach der französischen Revolution und Napoleonszeit
mit dem Frieden zu Pressburg endete und in Baden, Aargau und
Eisass aufging. Die historische Bedeutung liegt wohl darin, dass
die Südhälfte Baden-Württembergs seine katholische
Prägung erhalten hat und uns viele architektonische Zeugnisse
in Residenzen, Kirchen und Klosteranlagen hinterlassen hat.
Der Chronologie folgend listet der Autor in einer wahren Sisyphusarbeit
all die Ereignisse der einzelnen Herrschaftsresidenzen auf 238
Seiten und 5 doppelseitigen Stammtafeln auf, begleitet von ca.
50 Abbildungen und 3 Karten, wobei man gerne noch eine vierte
Karte gesehen hätte, aus der Endzeit in größerem
Maßstab mit eingetragenen Ortsnamen. Der schnelle Leser
jedoch, der nicht so sehr an der Darstellung aller geschichtlichen
Einzelherrschaften interessiert ist, verliert ein wenig den Überblick.
Er kann sich zwar mit der zehnseitigen Zeittafel begnügen,
hätte aber gerne einen textlichen Bogen über die Zeit
gespannt vorgefunden von den frühen Habsburger Besitzungen, über
die Formierung der vorderen Lande bis hin zur Provinz Vorderösterreich,
ja bis schließlich hin zur Aufgabe aller Illusionen 1805
mit der Entstehung des Großherzogtums Baden. So wie für
diese österreichischen Vorlande die Kleinteiligkeit charakteristisch
ist, so folgt spiegelbildlich auch der Text. Vielleicht hätte
daher der besseren Übersicht halber ein ausführliches
Register geholfen, auch mit allen Orts- und Personennamen, ein
wahres Desiderat!
Aber diese kritischen Punkte sollen nicht das Verdienst des
Autoren schmälern, und sein Buch wird si-
eher in vielen Häusern des Dreiländerecks zu finden
sein ebenso in den meisten Bibliotheken.
Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott |