Rezensionen


Anton J. Martin Z'Bürglen uf der Höh: Richard Sichler auf Schloss Bürgeln. Mäzenatentum in schwieriger Zeit.
Verlag freiburger graphische betriebe. 2009. 264 Seiten, 33 Farbabb. ISBN 978-3-00-029243-9 € 19,50

 

In einem spannend zu lesenden Buch erzählt Anton Josef Martin die Geschichte Schloss Bürgelns im vorigen Jahrhundert.

Seit Johann Peter Hebels emphatischem Ausruf dort oben »Nei, was cha me seh!« freuen wir uns mit ihm, wie da unten im Markgräflerland bis hinüber ins Eisass »Berg un Tal, Land un Wasser überal« wechseln. Seine und unsere Blicke gehen in die Ferne, doch drehten wir uns um, sähen wir etwas, was uns zu keinem so spontanen Ausruf verleitet, wohl aber im Charme seiner Erscheinung ein eher stilles Entzücken bewirkt: Schloss Bürgeln. Für diese Blickumkehr sorgt jetzt ein Buch des in Niedereggenen lebenden Anton Josef Martin, der vor knapp zwei Jahren unter dem Titel »Z’Bürglen uf der Höh - Richard Sichler auf Schloss Bürgeln, Mäzenatentum in schwieriger Zeit« eine gründlich eruierte und angenehm zu lesende, kurzum grundgescheite Geschichte des Schlosses im vorigen Jahrhundert veröffentlicht hat. In zwölf Kapiteln beschreibt Martin, nach präzisem, kurzen Rückblick auf den »Mythos Bürgeln«, das wechselnde Schicksal der gesamten Schlossanlage, seit der »Kommerzienrat« Richard Sichler bei seinem ersten Besuch »uf der Höh« beschloss, sich hier finanziell und ideell zu engagieren. Von nun an, wir sind im Jahr 1920, wird die Geschichte Bürgelns auch die seine, seiner Erfolge und Triumphe wie seiner Bedrohungen und Demütigungen.

Der »Retter Bürgelns« wurde 1876 in eine Braun- schweigsche Kaufmannsfamilie hineingeboren. Martin beschreibt detailliert seinen erfolgreichen beruflichen Aufstieg, der ihn über die Stationen London, München, Berlin nach Dresden führte und ihn, dank seiner unbestrittenen Managerqualitäten, zum rei
chen Mann machte. Dass er auch ein Mäzen wurde, war für ihn selbstverständlich.

»Es war Liebe auf den ersten Blick«, als Sichler, von Badenweiler kommend, wo er kurte, 1920 das erste Mal Bürgeln sah. Ziemlich spontan muss er, dessen Vermögen auf 40 bis 50 Millionen Mark geschätzt wurde, sich entschlossen haben, beträchtliche Gelder für das baufällige Anwesen auszugeben. Seine Präsentation vor dem Bürgeln-Bund verlief positiv, er wurde als Pächter akzeptiert und beauftragte sogleich seinerzeit fortschrittliche Architekten wie Richard Riemerschmid, Rudolf Schmid, auch Max Laeuger, Umbaupläne zu entwerfen. Schließlich entschloss er sich, den Architekten Theodor Veil und Erich M. Simon die Oberaufsicht über die gesamten Umbau- und Restaurationsmaßnahmen zu übertragen, die von 1920 bis 1926 dauerten. Was hier unter schwierigsten Umständen gesamthaft geschaffen wurde, muss als »großartige denkmalpflegerische Leistung ihrer Zeit auch heute noch beurteilt werden.« (Martin). Doch es gab auch latentes wie offenes Misstrauen gegen den »Retter Bürgelns«, der Verdacht, Sichler wolle das Schloss privatisieren, wurde besonders von den Markgräfler Nachrichten in Müllheim gestreut.

Bürgeln in der NS-Zeit: Martin beschreibt diese Geschichte als spannenden Politkrimi. Der Bürgeln- Bund als Eigentümer wird von der NSDAP unterwandert, Sichler diverser Devisenschiebereien beschuldigt, während rivalisierende NS-Ämter bemüht sind, Bürgeln in ihr Eigentum und ihre Verfügung zu bekommen, was letztlich jedoch nicht gelingt.

Die Nachkriegsgeschichte Bürgelns ist eine dauernde elende Streiterei zwischen Sichler und dem Bürgeln-Bund; es geht um finanzielle Verpflichtungen, wobei beide Parteien zunehmend aggressiv agieren. Sichler erfährt prominente Anerkennung durch den Badischen Staatpräsidenten Leo Wohieb und den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Doch ein Klima gegenseitigen Misstrauens herrscht zwischen der Bevölkerung und denen »uf der Höh«, die sich demonstrativ zurückziehen.

Anfang August 1952 stirbt Sichler in Müllheim. Seine 31 Jahre jüngere Gattin Nelly kann die finanziellen Belastungen nicht mehr tragen, und so kommt es im September 1957 zur Versteigerung des Sichlerschen Privatbesitzes einschließlich seiner Kunstsammlung.

Als zweiter »Retter Bürgelns« erscheint da der Manager der Kraftübertragungswerke Rheinfelden, Herbert Albrecht, der die völlige Zerstreuung des Besitzes verhindert. Rechtlich wird festgestellt, dass der Bürgeln- Bund Eigentümer bleibt, die Landkreise Lörrach und Müllheim beim finanziellen Unterhalt helfen, wie auch Sponsoren, und die Eintrittsgelder aus Führungen und Konzerten die Kasse auffüllen.

Was hier nur in Kurzform referiert werden konnte, liest sich in Martins Buch teilweise wie ein böser Schelmenroman. Merke: Jenseits poetischer und folkloristischer Verklärungen erzählt Heimatgeschichte mitunter auch vom Tun und Treiben regionaler Kleingeister und lokaler Gnize.

Nikolaus Cybinski

2/2011
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