Rezensionen


Rüdiger Hitz: Entstehung und Entwicklung des Tourismus im Schwarzwald - Das Beispiel Hochschwarzwald 1864-1914
Schillinger-Verlag Freiburg, 2011, 444 S., 72 Abb., 2 Karten 19,50 €
ISBN 978-3-89155-361-9





 

Rüdiger Hitz hat sich in langjähriger mühevoller Arbeit auf die Spurensuche zur Entstehung des Tourismus im Schwarzwald gemacht. Seine Mühe hat sich gelohnt: Die Dissertation ist vom Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg herausgegeben worden. Hitz geht das Thema auf mehreren Ebenen durch genau recherchiertes Quellenmaterial an. In seiner Einleitung zu den Entstehungsgrundlagen und Rahmenbedingungen des Toursmus geht er allgemein von der bürgerlichen Bildungsreise und der Naturbegeisterung in der Romantik aus, die im organisierten Reiseunternehmen Thomas Cooks und der 1835 erfolgten Herausgabe des ersten Baedekers sichtbaren Niederschlag fanden. Die Gebirgswelt der Schweiz stand dabei im Mittelpunkt englischer Reisender, die den Schwarzwald erst nach Ausbau der Verkehrsinfrastruktur entdecken konnten. Der Straßen(aus)bau im Großherzogtum Baden, das Postkutschenwesen und vor allem die Eisenbahn als moderner Verkehrsträger beförderten den Zustrom der Gäste auf die Schwarzwaldhöhen. Die badische Eisenbahnverwaltung ergriff dabei Marketingmaßnahmen, die den heutigen in nichts nachstehen. 1895 wurde das einjährig gültige Kilometerheft eingeführt, das beliebige Fahrten mit insgesamt 1000 km zu einem Preis von 25, 40 und 60 Mark in der dritten, zweiten und ersten Klasse ermöglichte. Interessant ist die These von Hitz, dass die Höllentalbahn nicht als Touristenbahn konzipiert und erbaut wurde, sich aber im später entwickelnden Wintertourismus als unersetzliches Verkehrsmittel erwies.

Unterstützt wurde der wachsende »Fremdenverkehr« von den Gastwirten und interessierten Wirtschaftskreisen, die 1864 in Freiburg den Schwarzwaldverein gründeten und mit dem Verein vor allem Werbung für den Schwarzwald unternehmen wollten. Das englische Reiseunternehmen Thomas Cook trat 1874 dem Schwarzwaldverein bei, der sich vorrangig dem Bau von 40 (!) Aussichtstürmen und der Herstellung von Wanderkarten (ab 1894) sowie der Beschilderung der Wanderwege widmete. Ein romantisches Bild des Schwarzwalds als »ursprüngliche« Landschaft wurde parallel in der Literatur (Auerbach) und Malerei (Hasemann) befördert. Nach und nach wurde das ehrenamtliche Engagement des Schwarzwaldvereins von kommunaler, aber besonders staatlicher Tourismusförderung des badischen
Staats abgelöst, die im 1906 gegründeten »Badischen Landesverband zur Hebung des Fremdenverkehrs« ihren Ansprechpartner fand und zu einer jährlichen Förderung des Verbandes von 10 000 Mark führte. Hitz zeigt die Entwicklung der Tourismusorganisationen beispielhaft an der Stadt Freiburg auf. Inserate im Ausland, im Auftrag verfasste Reiseführer, ja selbst das neue Medium Film wurden dort noch vor 1914 zur Werbung eingesetzt und die Strukturen veränderten sich von Vereinen zu Verbänden, von privaten Auskunftsstellen zu »Tourist-Informationen«.

Am Beispiel des Bezirkes St. Blasien, der als einziger im Land Baden keine Eisenbahnverbindung hatte, veranschaulicht Rüdiger Hitz die verkehrliche Erschließung und die Entstehung eines sog. Genesungstourismus für Lungenkranke. Ab 1892 nahm zudem das badische Großherzogspaar in St. Blasien regelmäßig »Aufenthalt«, dem Hüglins Hotel- und Kurhausgesellschaft 1896-97 ein prächtiges Gebäude im Schwarzwaldstil erbauen ließ. Selbst der kaiserliche Admiral Tirpitz erbaute sich für seine mehrmonatigen Urlaub in St. Blasien ein Haus.

Spannend liest sich die Geschichte des 1864 erbauten Feldberger Hofes, der nach Erweiterungsbauten 1905 insgesamt 135 Fremdenzimmer mit 230 Betten im Angebot hatte. Für den Aufschwung sorgten ab 1885 die Geschwister Carl und Fanny Mayer, die als »Feldbergmutter« Berühmtheit erlangte und der ab 1890 aufkommende Wintertourismus, der eine zweite touristische Saison bedeutete. 1892 konstituierte sich der Skiclub in Todtnau als erster deutscher Skiclub - auch für Berufsgruppen, wie Förster, Briefträger und das Militär erwies sich das »Schneeschuhlaufen« als nützliche Erfindung. Wie man im Schwarzwälder Skimuseum in Hinterzuarten anschaulich betrachten kann, hatten die Frauen beim Skilaufen einen gleichberechtigten Anteil, der auch in praktischer Ski-Mode zu sehen war. Es konnte jedoch noch 1906 passieren, dass eine Skiläuferin in Hinterzarten mit »Dreck« beworfen wurde, da sie in »schamlosen Hosen« durch den Ort gefahren war. Doch die rasche Durchführung von Wintersportveranstaltungen, wie Skispringen und Langlaufen sorgten neben der Herstellung von Skiern in schwarzwälder Produktion (Ski-Köpfer in Bernau!) für eine breite Popularisierung des Sports. Einen Gutteil trugen auch die Filme bei, die mit der 1920 erfolgten Gründung der

Freiburger Berg- und Sportfilm GmbH mit Arnold Fanck und Sepp Allgeier ihren Höhepunkt erlebte. Robert Winterhalter aus Schollach ließ sich schon 1909 die Erfindung eines mit Wasserkraft betriebene Schlepplifts patentieren, doch scheiterte die Einrichtung weiterer Anlagen an finanzieller Unterstützung, so dass erst 1935 in Davos der (vermeintlich) erste Skilift eingerichtet wurde.

Ausgestattet mit über 1200 Anmerkungen und einem reichen Literaturteil sollte das allgemein sehr verständlich geschriebene Buch zur Pflichtlektüre der Gastronomie und der offiziellen Tourismusorganisationen im Schwarzwald werden. Vielleicht fühlt sich durch diese bahnbrechende Veröffentlichung auch jemand berufen in gleicher Qualität die Fortsetzung der Tourismusentwicklung im Schwarzwald ab 1914 zu beschreiben. Vor allem die rasante Entwicklung, die der Tourismus während der Nazi-Zeit im Rahmen der staatlich gelenkten »Kraft-durch- Freude« - Programme genommen hatte und die Situation nach 1945 bedürfen dringend noch wissenschaftlicher Untersuchung.

Hubert Matt-Willmatt

1/2011
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