Rezensionen


Jörg Wickram: Das Rollwagenbüchlein. Eingeleitet und herausgegeben von Werner Witt unter Mitarbeit von Andreas Vogt.
Eine kleine Landesbibliothek, Band 12. Verlag Klopfer Et Meyer, Tübingen 2010 259 Seiten, gebunden ISBN 978-3-940086-61-7 € 12-




 

 

Bei Langeweile auf langen Reisen im Schiff oder zu Land sollte man sie lesen oder anhören: die lustigen Geschichten aus dem Rollwagenbüchlein. Jörg Wickram hat sie 1555 als 50-Jähriger geschrieben während seiner Zeit als Stadtschreiber von Burkheim am Kaiserstuhl. Menschen aller Gruppierungen: Bauern, Städter, Alte, Junge, Einfältige und Weise geraten in Misslichkeiten oder hecken Hinterhältigkeiten aus. Gruselige Begebenheiten fehlen nicht. Wickram scheint eine Vorliebe für Beinhäuser gehabt zu haben, die zu seiner Zeit Gerner oder Karner hießen.

Das Werk, das im 16. und 17. Jahrhundert ein Bestseller war, enthält 111 Einzeltexte, die nicht nur unterhalten, sondern auch Lebensweisheit vermitteln sollten. Werner Witt hat sie sprachlich leicht überarbeitet, ohne das ursprüngliche Kolorit zu tilgen. Die Rechtschreibung wurde behutsam modernisiert; für Wörter, die nicht mehr gebräuchlich sind, findet sich im Anhang eine Erklärung. In der Einleitung stellt Witt den Dichter und sein Werk vor: Wickram stammte aus Colmar, war vielfältig begabt, auch für Malerei, was ihn befähigte, seine eigenen Theaterstücke recht in Szene zu setzen. Lebenslang stand ihm der Makel seiner unehelichen Geburt im Weg. Das folgende Detail wird den Landeshistoriker interessieren: In der 55. Geschichte erwähnt Wickram »Graf Jörgen von Württemberg«, den Herrn über Reichenweiher, Horburg und Bilstein. Über Georg von Württemberg, den Halbbruder von Herzog Ulrich, ist überliefert, dass er sich der geistlichen Dichtung widmete. Ob Wickram ihn persönlich kannte? Die humanistisch gebildeten Geistesgrößen seiner Zeit gehörten nicht zu seinem persönlichen Umfeld. Die Lateinschule hatte er seiner Herkunft wegen nie besucht.

Renate Liessem-Breinlinger

4/2011
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