Rezensionen


Frank Engehausen: Kleine Geschichte der Revolution 1848/49 in Baden
G. Braun Buchverlag Karlsruhe 2010 216 Seiten
ISBN 978-3-7650-8596-3 € 19,90

 

Die neue Literatur zu diesem Ereignis ist in den letzten Jahren sehr umfangreich geworden, und der Verfasser führt sie im Verzeichnis an. Dennoch ist auch dieses weitere Buch wichtig, nicht nur weil die Reihe der »Kleinen Geschichten« des Braun Buchverlags für ein breiteres Publikum sinnvoll erweitert wird, sondern weil F. Engehausen zwei notwendige Aspekte setzt.

Zum einen korrigiert er einen falschen badischen Lokalpatriotismus und betitelt sein Buch darum als »Badische Revolution«, denn sie ist nur eine von mehreren Aufbrüchen. Natürlich zeichneten sich hier spektakuläre Szenen ab; anders als in anderen Staaten rebellierte das Militär und außerbadische Truppen besetzten das Land. Aber bei all dem darf man nicht das Gesamtgefüge in Deutschland und Europa übersehen und sich nicht zu speziell auf einen Staat beziehen.

So kritisierte er nicht nur dieses zu Recht bei den verschiedenen Revolutionsjubiläen, sondern auch das einseitige Hervorheben des Radikalismus, z.B. in der Landesausstellung 1998 im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe. »Eine erstaunlich unkritische Darstellung der badischen Radikalen mutete wie ein Wiederaufleben der revolutionären Heldenverehrung durch verfolgte Sozialdemokraten im Kaiserreich an.« (S. 207)

Aufstände wie der Heckerputsch, politisch wie militärisch orientierungslos, zwangen die gemäßig
ten Linken zu einer Zweifrontenkritik gegen Fürstenreaktion wie Radikale. »Außerdem beschädigte der frühzeitige Aufstand in Baden die Plausibilität des Reformkonzepts und nährte die skeptische Auffassung, dass die neuen Freiheiten fast automatisch missbraucht würden ...« So klagte Robert Blum, der Führer der sächsischen Demokraten, die »wahnsinnige Erhebung« Heckers und Struves haben das Volk »mitten im Siegeslauf aufgehalten«. (S. 89)

Wer sich an die Häufung von Veranstaltungen in Baden 1998 erinnert, kann Engehausens Kritik an solchen Einseitigkeiten in der Wertung der Radikalen nur bestätigen. Aber den Zug der Aufständischen zu beschreiben, reizt Schriftsteller und Journalisten mehr, einen Hecker-Hut zu filmen, das Hecker-Lied zu singen ist telegener als die Verfassungsarbeit der badischen Liberalen in der Paulskirche. Sicher war auch zu seiner Zeit Hecker populär, aber man zweifelte bald an seinem Realitätssinn für die Möglichkeiten einer demokratischen Entwicklung.

Engehausen betont darum bewusst die Arbeit an Verfassungen und Gesetzen in diesen bewegten Jahren, und trotz der Reaktion seit 1850 ist davon für die demokratischen Entwicklung deutlich mehr tradiert worden. Hecker entzog sich dagegen dem und schrieb verbittert in einem Abschiedsbrief vor der Abreise in die USA »der Weltgeist ... wendet den Blick ab von der verächtlichen Rasse.« (S. 90)

Engehausen verzichtet auf eine Gesamtwürdigung, die ja weit über Baden hinausreichen müsste, führt dagegen in einem Kapitel eine Bilanz auf, welche Probleme der Landtag in der Reaktionsära nicht aufgriff, und geht auf die radikalen und liberalen Rechtfertigungsschriften ein wie auf die Revolutionserinnerungen im 19. und 20. Jahrhundert, einige aufschlussreiche Abschnitte des ansprechend illustrierten Buches.

Der Stil dieser faktenreichen Darstellung ist sachlich bis zur Trockenheit, denn ab und zu hätte eine biographische Bemerkung die Lektüre beleben können. Aber dafür wird dem Leser eine realistische Sicht angeboten, die wissenschaftliche Zuverlässigkeit verspricht, und sie ist für dieses häufig genug parteiisch behandelte Thema wichtig.

Leonhard Müller

2/2011
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