Rezensionen


 

Achim Aurnhammer, Hans- Jochen Schiewer mit Dieter Mertens und Thomas Zotz (Hrsg.): Poeten und Professoren. Eine Literaturgeschichte Freiburgs in Porträts
Rombach Verlag, Freiburg. 2009. 318 Seiten mit sw-Abbildungen, Paperback ISBN 978-3-7930-9588-0 € 29,80.

1907, ein Jahr vor seinem Tod, lernte Emil Gött den Germanisten und Literaturhistoriker Roman Woerner kennen, der später die Edition des Gött’schen Werkes besorgte. Im nämlichen Jahr begann Gött eine Brieffreundschaft mit der Lyrikerin Ursula Carolina Woerner, Romans Schwester, die wegen eines rätselhaften Dauerkopfwehs kaum das Haus verlassen konnte. Neben ihrem Bruder war sie für Gött die wichtigste literarische Bezugsperson seiner letzen Zeit. So äußert sich Volker Schupp, der die Freiburger Literaturszene vor dem Ersten Weltkrieg erforschte und ein Beziehungsgeflecht von sieben Personen ausmachte. Emil Strauß ist wohl der Bekannteste. Er kannte Gött schon seit etlichen Jahren. Gemeinsam hatten sie sich als Anhänger der Lebensreform im naturnahen Landbau versucht. Über die Geschwister Woerner bestand Kontakt zu der Dichterin Harriet Straub und dem jüdischen Schriftsteller und Journalisten Fritz Mauthner, der 1905 von Berlin nach Freiburg gekommen war. Eine weitere junge Frau gehörte dem Kreis an, erst als Freundin von Carolina, dann als Ehefrau von Roman Woerner: die Lyrikerin Hertha Koenig, Tochter eines westfälischen Gutsbesitzers. Roman Woerners überregionalen gesellschaftlichen Verbindungen verdankte sie eine Begegnung mit Rainer Maria Rilke, der fortan ihr literarisches Vorbild war. Volker Schupp hat diesen Literatenkreis aufgespürt und die Biographien sorgfältig erforscht. Seine Ergebnisse sind publiziert in einem Band, der seine Entstehung der 550-Jahr- feier der Universität Freiburg von 2007 verdankt: Poeten und Professoren.

Aus Porträts von Gelehrten, die sich von Freiburg aus schreibend an die Öffentlichkeit oder die Nach
weit wandten, sollte eine kleine Literaturgeschichte Freiburgs entstehen. Der zeitliche Rahmen spannt sich vom hohen Mittelalter bis in die 1950er Jahre. Es beginnt mit den Dominikanern und Dominikanerinnen, die lange vor der Universitätsgründung Studium und Wissenschaft pflegten und Handschriften mit literarischen Zeugnissen hinterließen. Das Adelhauser Schwesternbuch, eine Klosterchronik mit Schwesternviten in deutscher Sprache ist ein Beispiel. Anna von Munzingen nennt sich selbstbewusst als Verfasserin. Für die wichtige, von der lateinischen Sprache dominierte Epoche des Humanismus stehen vier Namen: Erasmus von Rotterdam, Jakob Locher, der an der Universität als Vermittler des klassischen Latein wirkte und daneben eigene Werke wie z. B. ein Drama über die Türkenkriege verfasste, der Elsässer Franziskaner Thomas Murner, der sich als kritischer Katholik in handfesten Satiren mit den Reformatoren auseinandersetzte, dann der Schweizer Henricus Glarean, der dreißig Jahre lang in Freiburg lehrte und sich mit dem Titel poeta laureatus schmücken durfte.

Johann Georg Jacobi, der 1784 als 40-Jähriger nach Freiburg kam, war ein beliebter Universitätslehrer im Fach Ästhetik und klassische Philologie und daneben ein produktiver, populärer Dichter im Stil zwischen Rokoko und Biedermeier. Als Herausgeber des Periodikums »Iris« publizierte er auch Werke seiner Schriftsteller-Freunde, zu denen der Elsässer Pfeffel und Josef Albrecht von Ittner, der letzte Prior von Heitersheim, gehörten. In Jacobis Alterswerk fällt die wachsende Identifikation des gebürtigen Düsseldorfers mit Freiburg, dem Schwarzwald und dem Land am Oberrhein auf. Für die Mitte des 19. Jahrhunderts steht ein Beitrag über Karl von Rotteck und sein historisch-politikwissenschaftliches Werk. Als Denker der Spätaufklärung werden die Theologen Heinrich Schreiber und Ignaz Heinrich von Wessen- berg gewürdigt. Portraits der Ordinarien Treitschke, Max Weber, Meinecke und Gerhard Ritter, gewichtiger Vertreter ihrer Fächer Geschichte und Nationalökonomie, und der Philosophen Husserl und Heidegger verbinden das späte 19. mit dem 20. Jahrhundert. Zwei anrührende echte Dichterbiographien, die räumlich im Spannungsfeld zwischen dem Land am Oberrhein und den USA und zeitlich zwischen den Kriegs- und den um Orientierung ringenden Nachkriegsjahren stehen, schließen den Zyklus ab: Alfred Döblin und Rainer Maria Gerhardts. Ob es in diesem Band gelungen ist, aus dem Vielen eine Einheit zu schaffen, muss man eher verneinen. Die Lektüre jedes einzelnen Beitrags lohnt sich jedoch in hohem Maße, sind hier doch durchweg Autoren am Werk, deren Aussagen und Angaben dem aktuellen Forschungsstand entsprechen.

Renate Liessem-Breinlinger

4/2011
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