Vor 37 Jahren stand der Rezensent mit dem Foto eines Bildes
des Westwall-Malers Vollbehr auf einem Hügel bei Ottenhöfen,
um Spuren der schwersten Marine-Batterie des Westwalls zu finden:
Nichts! Geradezu symbolhaft schien nun alles für immer begraben.
Außer einigen Archiv-Dokumenten war wohl nichts mehr überliefert,
um die Geschichte der Batterien am Oberrhein zu erhellen. Heute
liegt ein Buch zu diesem Thema vor, das diese Lücke im wahrsten
Sinne des Wortes füllt, denn schon auf dem Titelblatt ist
eines der Ottenhöfener 30,5-cm-Geschütze im Moment
der Schussabgabe mit gewaltigem Mündungsfeuer abgebildet.
Und dies verdanken wir unseren Interfest-Kollegen Sascha Kuhnert
und Friedrich Wein. Gewissermaßen mit Heimvorteil haben
sie mit beispielhaf tem Fleiß, mit Beharrlichkeit und Gründlichkeit
ein Bild der schweren Marinebatterien des Westwalls am Oberrhein
entstehen lassen – in einer Vollständigkeit, wie man
sie niemals zu hoff en gewagt hätte. Dabei gerät der
Leser durchaus ins Staunen, welche Einzelheiten sie dazu zusammengetragen
haben.
Die Verfasser gehen dabei bis ins 19. Jahrhundert zurück,
um die Geschichte der einzelnen Geschütze zu beschreiben.
Dabei wird auch das Dunkel um die Herkunft der 24-cm-Kanonen
der Batterie Maisenbühl aufgehellt, die einmal russische
25,4-cm- Küstengeschütze waren. Mit einer Prise Marinegeschichte
und viel Artillerietechnik geht es weiter. Und schon sind die
ersten 100 Seiten gefüllt.
Im folgenden Kapitel wird geschildert, wie Hitler im August
1938 auf den Gedanken kam, die Oberrhein- Front des Westwalls
durch schwere Marine- Geschütze verstärken zu lassen,
und welche Diskussionen zwischen Heer und Marine aufkamen, ehe
schließlich die Geschütze in fertigen Bunkern schussbereit
aufgestellt waren. Natürlich werden auch die ausgeführten
Anlagen fachgerecht mit Plänen und Rekonstruktionszeichnungen
dargestellt.
Besonders verdienstvoll ist die folgende Beschreibung des Einsatzes
der Geschütze nach Kriegsbeginn, eingebettet in eine allgemeine
Beschreibung der Kriegsgeschichte am Oberrhein. Dabei kann der
Leser sogar erfahren, welche Batterie wann wie viel Schuss wohin
abgefeuert hat! Ein Exkurs führt über den Rhein und
beschreibt die schweren Batterien der französischen Armee,
die auf das badische Rheinufer gerichtet waren und auch feuerten.
Nachdem man die Geschichte der Kanonen so lange begleitet hat,
will man natürlich noch erfahren, wie es mit ihnen weiterging:
Die Verfasser haben ihre Spuren bis auf die Krim und an den Ärmelkanal
verfolgt. Ein bis dahin weitgehend unbekanntes Kapitel waren
die Versuche im Herbst 1944, die verlassenen Batteriestellungen
wieder zu verwenden und für neue Geschütztypen umzubauen.
Der daran interessierte Leser erfährt nun endlich, warum
die Ruinen der bis in unsere Zeit erhaltenen Stände baulich
erheblich von den Regelbauzeichnungen aus dem Jahre 1938 abweichen.
Dem Anspruch der Verfasser entspricht es, dass sie auch die
Kriegsereignisse von 1945 und trotz schwieriger Quellenlage die
Einnahme der Batteriestellungen beschrieben haben. Ganz nebenbei
erfährt man etwas über den Einsatz der Panther-Türme
und Panzernester am Oberrhein. Schließlich folgt zur Abrundung
auch die Nachkriegsgeschichte mit der Beseitigung der Anlagen
bis heute. So sind 640 Seiten zusammengekommen.
Das besondere Verdienst der Verfasser liegt darin, dass sie über
die trockene Schilderung historischer Abläufe, präziser
Zitate aus Original-Dokumenten (aus 10 Archiven, heißt
es) und der Auflistung zahlreicher technischer Daten hinaus das
Buch mit über 500 Bildern ergänzt haben. Dies sind
sowohl aktuelle Fotos als auch zum größten Teil unveröffentlichte
historische Aufnahmen von Zeitzeugen. Und Zeitzeugen sind es
auch, deren zahlreiche Schilderungen die Geschichte bereichern
und auflockern.
Das Buch ist vergnüglich, teilweise sogar spannend zu lesen
und zu betrachten. Man muss einfach immer nur staunen, was man
zu einem vermeintlich kleinen Randgebiet der Westwall-Geschichte
alles zusammentragen kann. Zu den schönsten Stellen gehören
die Erlebnisse des späteren deutschen NATO-Generals Gerd
Schmückle mit seinem Abteilungskommandeur Major Paul Schmidt.
Fazit: Besonders zu empfehlen und für sehr erwünschte
künftige regionale Veröffentlichungen ein Ansporn und
zugleich eine Messlatte!
Martin Büren
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