Rezensionen


Heike Drechsler, Uwe A. Oster: Das Erbe der Klöster. Geschichte und Gegenwart eines anderen Lebens.
Mit einer Einführung von Abt Odilo Lechner. Freiburg: Herder 2010 271 S., zahlr. Abb. ISBN 978-3-451-32504-5 € 29,95


 

Eine prächtige Neuerscheinung ist anzuzeigen, ein großformatiger, äußerst sachkundig geschriebener und mit einer überaus reichen Bildausstattung versehener Band. Er behandelt die Entstehung, Geschichte und Tätigkeit christlicher Klöster der Westkirche in Europa bis zum Ausgang des Mittelalters, allerdings nicht die Gegenwart, wie der Untertitel des Buches irrtümlich anzeigt, wenngleich vieles aus der mittelalterlichen Überlieferung im Alltag der Klöster bis heute fortwirkt.

In seinem Vorwort fragt der Abt Odilo Lechner danach, was den heutigen Menschen an einem Kloster fasziniert und beantwortet die Frage unter anderem mit der Kontinuität, der Ordnung, der Stille und der Hoffnung.

Die beiden Verfasser haben ihre Aufgabe alternierend zu etwa gleichen Teilen übernommen, wobei nur im Inhaltsverzeichnis erkennbar wird, wer was geschrieben hat.

Das Buch beginnt mit den Anfängen des Mönchtums im Nahen Osten und Ägypten, wobei es sich zunächst um Einsiedler oder in den Städten auch um Säulenheilige handelte. Aus dem Zusammenschluss von Einsiedlern entstanden die ersten Klöster, die im vierten Jahrhundert zunächst in Oberägypten festere Formen annahmen und sich sehr bald auch im Abendland ausbreiteten. Etwa gleichzeitig kam es auch zur Gründung von Frauenklöstern. Die erste maßgebliche Klosterregel schuf Benedikt von Nursia im sechsten Jahrhundert für das von ihm gegründete Kloster in Montecassino. Diese Regel des heiligen Benedikt wurde auf der Reformsynode von Aachen 816 verbindlich vorgeschrieben. Die meisten später gegründeten Orden, mit Ausnahme der Bettelorden, orientierten sich an der Benediktregel.

Wie ein roter Faden zieht sich durch das ganze Buch der St. Galler Klosterplan. Dieser Idealplan einer Klosteranlage entstand auf der Klosterinsel Reichenau im Bodensee für das Nachbarkloster St. Gallen. Dort wird er seit fast 1200 Jahren aufbewahrt. Der Plan berücksichtigt alle Bereiche des Klosterlebens und deren gegenseitige Zuordnung. Obwohl es sich um einen Idealplan handelt, der so nirgends komplett verwirklicht worden ist, diente er bei der Anlage vieler Klosterkomplexe als Orientierungshilfe.

Das Buch behandelt alle Aspekte des mittelalterlichen Klosterlebens, gemäß dem benediktinischen Wahlspruch »Ora et Labora« zunächst die Rolle der Gebetsübungen und des Gesangs und dann die vielfältigen Betätigungen der Mönchsorden. Diese erstreckten sich auf praktisch alle Kultur- und Wissensgebiete des Mittelalters. Es wird dabei deutlich, dass ohne die Tradition der Klöster die europäische Kultur nicht vorstellbar wäre.

Die baulichen Anlagen folgten im Prinzip dem St. Galler Klosterplan, wandelten ihn aber auch nach örtlichen oder religiösen Bedürfnissen ab. Die kluniazensische Reform und die Hirsauer Bauschule sind dafür Beispiele. Die innere Ausstattung der Klöster veränderte sich natürlich auch. So wurden statt der großen Schlafsäle (Dormitorien) Einzelzellen für die Mönche und Nonnen geschaffen. Architektur und Ausstattung konnten auch von Orden zu

Orden verschieden sein. Wichtig für jedes Kloster war die Bibliothek und damit verbunden das Skriptorium (die Schreibwerkstatt), in dem Buch für Buch neu geschrieben, oft auch mit prächtigen Malereien versehen wurde. Bald wurden nicht nur theologische Schriften kopiert, sondern auch die Werke antiker Autoren, wie Vergil, Sallust oder Cicero, die ohne die klösterliche Schreibertätigkeit nicht für die Nachwelt überliefert worden wären. Wichtig waren auch die Klosterschulen, in denen das Wissen der damaligen Zeit vermittelt wurde. Andere Schulen gab es ohnehin nicht.

Die Mönche betrieben wissenschaftliche Forschung auf allen Gebieten, so etwa Geschichtsschreibung, Mathematik, Astronomie, Medizin, Alchemie, wobei manches aus dem arabischen Kulturkreis übernommen wurde.

Das Funktionieren eines Klosters mit oftmals mehreren hundert Mönchen hing natürlich von seiner Verwaltung ab, deren Organisation erklärt wird. Das Alltagsleben mit Gebetszeiten, Speisegewohnheiten, Fasten, die Klosterwirtschaft mit Landwirtschaft, Handwerk und vielem anderen wird ausführlich dargestellt.

Die Klöster dienten auch als Gästehäuser und Pilgerherbergen, wobei sie auf diesem Gebiet gelegentlich überfordert waren. Waren Herrscher auf Reisen, so konnten bestimmte Klöster sogar als «Königspfalzen» dienen.

Die Äbte mächtiger Klöster fungierten oft als Diplomaten, waren da und dort selbst Territorialherren, was sich häufig in einer repräsentativen Architektur der Abtsresidenzen zeigte.

Das alles ist gut lesbar und gemeinverständlich geschrieben. Fachbegriffe werden, oft in eigens eingeschobenen Abschnitten, erklärt. Für Leser mit weitergehenden Interessen schließt sich ein ausführliches Verzeichnis neuerer deutschsprachiger Literatur an.

Besonders hervorzuheben ist die prachtvolle Bildausstattung des Buches, die allein schon das Blättern zu einer großen Freude macht. Die Zusammenstellung vorwiegend historischer Bildquellen aus Bibliotheken und Archiven ganz Europas verdient als eigene Leistung herausgestellt zu werden.

Der erstaunlich moderate Preis des Buches lässt die Freude daran eher noch wachsen.

Dr. Heinz Schmitt

2/2011
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