Rezensionen


 

Gerhard Schwinge:
Albert Ludwig Grimm (1786-1872).

Eine Biographie in ihrem zeitgeschichtlichen Rahmen. Heidelberg u.a.:
Verlag Regionalkultur 2011, 96 S., zahlr. Abb.

»Wer war Albert Ludwig Grimm?« wurde in Weinheim bei der Vorstellung des Buches gefragt. Diese Frage hätte man überall in Baden stellen können, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Weinheimer kennen aber ihre Albert-Ludwig-Grimm-Straße, und die meisten wissen, dass diese nach einem früheren Oberbürgermeister ihrer Stadt benannt ist. Dabei war Grimm im 19. Jahrhundert eine weithin bekannte Persönlichkeit. Schon in jungen Jahren machte er sich einen Namen als Kinder- und Jugendbuchautor. Er veröffentlichte eine ganze Reihe von Märchenbüchern mit teils gesammelten, teils selbst verfassten Märchen. Die Bücher wurden in viele europäische Sprachen übersetzt. Mit den Brüdern Grimm war Albert Ludwig nicht verwandt, nicht einmal bekannt. Zu »Des Knaben Wunderhorn« von Clemens Brentano und Achim von Arnim trug er eine Anzahl von Liedern bei. Nach einem Studium der Theologie wandte sich Grimm der Pädagogik zu und wurde 1806 Rektor der Lateinschule in Weinheim. Sechs Jahre später wurde er zum Professor ernannt.

In seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmete sich Grimm auch landeskundlichen Themen und veröffentlichte 1822 »Vorzeit und Gegenwart an der Bergstraße, dem Neckar und im Odenwald - Erinnerungsblätter für Freunde dieser Gegenden«.

1829 wurde Grimm Bürgermeister der Stadt Weinheim, von 1831 an mit dem Titel Oberbürgermeister. Schon 1825 war er als Abgeordneter in die Zweite Kammer des badischen Parlaments gewählt worden, wo er zeitweilig sogar Erster Sekretär des Präsidenten war. Dort kümmerte er sich unter anderem um die Änderung der badischen Verfassung, um die Judenemanzipation, die neue badische Gemeindeordnung und natürlich um das Schulwesen. 1835 setzte er sich für den Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein ein.

Inzwischen war in Weinheim ein Streit über die Führung der Bergstraße ausgebrochen. Dabei unterstützte Albert Ludwig Grimm die Vorgaben der badischen Regierung und zog sich damit die Feindschaft maßgeblicher Weinheimer Kreise zu, was ihn 1838 auf den Verzicht einer erneuten Kandidatur zum Oberbürgermeister veranlasste.

Seine Rückkehr in den Schuldienst war nun aber auch mit Schwierigkeiten verbunden. Zwar wurde er wieder Direktor der Höheren Bürgerschule in Weinheim, geriet aber in Konflikt mit den Brüdern Bender, die dort 1829 ein inzwischen renommiertes und weithin bekanntes Erziehungsinstitut mit Internat gegründet hatten.

1843 ernannte Großherzog Leopold den verdienten Politiker und Schulmann Albert Ludwig Grimm zum Hofrat, nachdem dieser ihm ein Jahr zuvor ein Werk gewidmet hatte mit dem etwas umständlichen Titel »Die malerischen und romantischen Stellen der Bergstraße, des Odenwaldes und der Neckar-Gegenden in ihrer Vorzeit und Gegenwart«. Das war nun eine wesentlich erweiterte und aktualisierte Fassung der zwanzig Jahre früher erschienenen »Erinnerungsblätter«. Grimm beschreibt darin die Sehenswürdigkeiten jeden Ortes und sehr ausführlich deren Geschichte und flicht immer wieder Sagen und Legenden ein, manche in Gedichtform. Das Buch war der erste größere Reiseführer für den Odenwald und sein Umland.

Nach seiner Versetzung in den Ruhestand zog Albert Ludwig Grimm 1854 nach Baden-Baden. Dort gab er wieder Märchenbücher heraus und betätigte sich in der evangelischen Kirchengemeinde. Am 1. Dezember 1872 verstarb er im Alter von 86 Jahren.

Der Autor der vorliegenden Biographie Gerhard Schwinge hat manche bislang nicht berücksichtigte Quelle ausgewertet, vermeidet aber allzu langatmige Ausführungen, was der Lektüre dieser Lebensbeschreibung zugute kommt. Schwinge legt viel Wert auf die Darstellung familiärer und freundschaftlicher Beziehungen, während frühere Biographen einmal mehr die politischen, ein anderes Mal mehr die literarischen Aspekte hervorhoben. Schwinge gibt seinem Werk eine allgemeine Zeittafel, eine tabellarische Lebensgeschichte von Albert Ludwig Grimm und eine mehrseitige »Chronik« bei. Das umfassende Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Perso
nenregister vervollständigen diese Biographie. Einzelne Werke Grimms sind auch in neuerer Zeit als Faksimiledrücke wieder herausgekommen.

Bemerkenswert erscheint, dass die russische Germanistin Elena Klokova vor etwa 25 Jahren die Märchen von Albert Ludwig Grimm entdeckt und sie neu ins Russische übersetzt hat. Schwinge weist in seinem Vorwort daraufhin, dass Elena Klokova den Anstoß zu seiner Arbeit gegeben hat. Bei der eingangs erwähnten Buchvorstellung in Weinheim sprach Frau Klokova über ihre Entdeckung von Albert Ludwig Grimm und ihr Märchenübersetzungsprojekt.

Gerhard Schwinge würdigt mit seinem Buch eine im Baden des 19. Jahrhunderts vielfältig wirkende Persönlichkeit, die verdient, dass man sich ihrer erinnert.

Dr. Heinz Schmitt

3/2012
Startseite Landeskunde online | Startseite Badische Heimat | Rezensionen | Service | Aktuelles | zur ZUM | © Badische Heimat 2013