Rezensionen


 

Gerhard Henkel: Das Dorf: Landleben in Deutschland – Gestern und heute.
Stuttgart: Konrad Theiss Verlag, 2012, 346 Seiten mit 350 Farbabbildungen, ISBN 978-3-8062-2541-9, 49,95 €

Gerhard Henkel: Das Dorf: Landleben in Deutschland – Gestern und heute.

In den letzten Jahren ist erfreulicherweise ein verstärktes Interesse an heimatgeschichtlicher Literatur festzustellen, dazu gehört unbestritten auch der Ländliche Raum. Gerhard Henkel, emeritierter Professor für Humangeographie und Nestor der Dorfforschung, beschreibt in verständlicher Sprache das deutsche Dorf und hat das vorliegende Werk mit dem schlichten Titel »Das Dorf: Landleben in Deutschland – Gestern und heute« überschrieben. In der allgemeinen Literatur wird das Dorf als »mehr oder weniger geschlossene, vorwiegend bäuerliche Siedlung auf dem Lande«, beschrieben bzw. definiert. Um es gleich vorwegzunehmen: Bei einem Umfang von 346 Seiten kann eine Besprechung allein schon aus Platzgründen diesem gewichtigen Werk nicht gerecht werden. Was fasziniert die Menschen am Dorf? Ist es die Nähe zur Natur und das Leben mit den Jahreszeiten? Ist es die Schönheit der in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft ? Die Überschaubarkeit, die Ruhe und das scheinbar einfache Leben? Ist es die Dichte der sozialen Beziehungen oder das Festhalten an Traditionen und alten Werten? Das vorliegende Buch beschreibt und erklärt das heutige Dorf, seine Strukturen, seine gesellschaftspolitische Bedeutung und seine Menschen. Um die Gegenwart besser zu verstehen, werden die gravierenden Veränderungen seit dem Mittelalter skizziert. Der Abschnitt »Kulturlandschaft « behandelt die Einbettung in die Landschaft , die Vielfalt der Dorf- und Flurformen. Neben der Siedlungsgeschichte gibt die die Arbeit aber auch Einblicke in die Flur-, Rechts-, Orts-, Wirtschaftsund Sozialgeschichte der Dörfer. Der Autor beschreibt das alte Dorfhandwerk, den modernen ländlichen Mittelstand, Tourismus, Infrastruktur und die Grundversorgung. Er verschweigt dabei keineswegs die Verluste der letzten Jahrzehnte in denen Läden, Post und Schule immer mehr aus den Dörfern verschwanden, informiert vom Trend zum Pendlerdorf, aber auch von Gegenmodellen, wie Dorfläden und Dorfgenossenschaft en. Bei der historischen Betrachtung steht der Wandel des Dorfes von 1950 bis heute im Mittelpunkt. Die Vielfalt des Landlebens wird in diesem Band ausführlich dargestellt: der Wirtschaftsraum und die Bevölkerung, die kulturellen, sozialen, baulichen und ökologischen Werte – und nicht zuletzt geht es um die Behandlung des Dorfes durch die große und kleine Politik. In dem Werk von Gerhard Henkel hat die Kirche ebenso Platz, wie die Vereine, die Jagd wie die dörflichen Genossenschaft en, die die Grundversorgung zu sichern versuchen. Wer über das Dorf schreibt, versucht die Quadratur des Kreises.

Es gibt mehr als 35 000 deutsche Dörfer und: keines gleicht dem anderen. Damit jedoch nicht nur das typische Dorf zur Geltung kommt, werden mehrere hundert Dorfbeispiele aus allen Teilen Deutschlands angeführt und beschrieben und auch viele ihrer Bewohner kommen zu Wort. Die Bilanz des Rückblicks zeigt eher Verluste als Gewinne; die Verbundenheit und Liebe zum Dorf zehrt von dem, was übrig geblieben ist, während ein »Zukunftsbild« gänzlich fehlt. Es bleibt die Frage, ob die Gegensätze »Land und Stadt« noch tragfähig ist, zumal die Übergänge fließend geworden sind. Was sind die Vorzüge eines Buches, das Aussichten hat, für viele Jahrzehnte sich in dieser Sparte das Prädikat »Standardwerk« zu verdienen? Es muss nahezu alles umfassen, klar gegliedert und systematisch strukturiert sein, dabei Wichtiges vertiefen und Nebensächliches bestenfalls streifen, illustriert und auch für den Laien leicht verständlich sein.

Alle diese Punkte hat der Autor auf insgesamt 346 Seiten in 60 Beiträgen festgehalten. Gerhard Henkel hat eine filigrane und äußerst wertvolle historische Arbeit vorgelegt, die das Thema nicht aus den Augen verliert. Besonders hervorzuheben sind die Bild- und Fotovorlagen, die allen Beiträgen Anschaulichkeit und Lebendigkeit verleihen. Das handliche Buch, das Maßstäbe setzt, kann den mit Fragen zur Entwicklung des Dorfes und allen in diesem Bereich historisch Interessierten uneingeschränkt empfohlen werden.

Das Buch wird seinen Wert und Platz behalten: als fundierte und informative Bilanz über die Entwicklungsgeschichte der Dörfer in Deutschland. Die Arbeit verdient große Anerkennung wegen ihrer Bestandsaufnahme in einer sich rasch ändernden Welt; sie ist eine Dokumentation von bleibendem Wert, sowohl für das Fachpublikum als auch für den interessierten Laien.

Elmar Vogt

4/2012
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