Rezensionen


 

Sandbiller, Peter: Baden-Württemberg.
Bildband mit 3-sprachigen Texten von Wolfgang Alber. Tübingen:
Silberburg Verlag 2011,
208 S. 225 Farbfotos,
ISBN 978-3-8425-1132-3,
€ 34,90

Die Frage, was ein Bildband ist, kann fast jeder sofort beantworten, nämlich ein gebundenes Buch mit vielen schönen, oft außergewöhnlichen und großformatigen Bildern und wenig, meist die Bilder nur erläuternden Text. Die Frage allerdings, wozu ein Bildband veröffentlicht wird, ist schon schwieriger zu beantworten und findet sich auch in keinem Lexikon. Es kann sein, um eine Persönlichkeit zu würdigen, etwa einen Künstler, oder ein Bauwerk wie das Heidelberger Schloss, oder einen Gebäudetyp wie Bibliotheken oder Barockkirchen, oder auch eine Landschaft wie den Schwarzwald, schließlich, wie in diesem Fall, zum oft wiederholten Male das Bundesland. Baden- Württemberg, diesmal ganz ohne Untertitel wie bei den anderen: ein Farbbild, eine Bilderreise, eine Luftbildreise, Ausßüge, Fahr mal hin und vieles mehr, jedenfalls immer die Vielfalt gerade dieses Bundeslandes im Auge habend. Wenn es sich dann dazu um die Fotografien eines weit bekannten und hoch ge- preisten Fotografen handelt, wie den Karlsruher Peter Sandbiller, sowie den nicht unbekannten Journalisten Wolfgang Alber - zufällig dem Redaktionsstab unserer Schwester-Zeitschrift der »Schwäbischen Heimat« angehörig, sind die Erwartungen groß.

Der Anlass zu diesem Bildband ist das 60-jährige Bestehen des Landes Baden-Württemberg, vielleicht auch das 900-jährige Jubiläum des Landes Baden, zu denen kein südwestdeutscher Regional-Verlag abseits stehen möchte. Aber glänzt er auch mit seiner Veröffentlichung und unterscheidet sich von der mitbewerbenden Vielzahl?

Es ist ein Bildband mit zum großen Teil hervorragenden Aufnahmen von Peter Sandbiller, vor allem die Luftaufnahmen, für die er ja so bekannt geworden ist, aber auch seine offene oder versteckt humorvolle Ironie, die aus etlichen seiner Fotografien aufblitzt, wenn er die Bronzefigur »Der Beobachter« vor dem Leutkircher Zwiebelturm auf einem Gerüst sitzend, das Treiben unter ihm betrachten lässt, oder den Blick durch ein überdimensionales Brillengestell auf den Hohenneuffen lenkt, oder das Schloss Sigmaringen fest im Blick hat, wenn es sich in einer Sonnenbrille spiegelt, oder per Tele den Kopf des Stuttgarter Fernsehturms so nah heranholt, dass man das Gefühl hat, die von dort oben herabblickenden Menschen schauen einem direkt ins Auge. Das alles ist großartig und macht Spaß, seine Bildkompositionen aus der Frosch- oder Vogelperspektive anzuschauen, oder auch seine Weitwinkelaufnahmen, wie bei der Heidelberger Pferdeskulptur von Goertz, die den Menschen so winzig erscheinen lässt. Allerdings fragt man sich manchmal, wie die Fotoauswahl zustande kam, um das in acht Regionen hier gegliederte Land bildlich darzustellen, von der Kurpfalz, Kraichgau Odenwald, über den Oberrhein, den Schwarzwald bis an den Bodensee. Das Charakteristikum z. B. der Stadt Karlsruhe als Fächerstadt kommt durch eine Luftaufnahme ausgezeichnet zur Geltung, eine raffinierte Spiegelung am Glaskubus des Zentrums für Kunst und Medientechnologie weist sie als Stadt der Künste aus, noch ein Blick auf die Bühne einer Händel-Oper und ein Schwenk über den mit Menschen überfüllten Monte Klotz beim jährlichen Rock- »Fest« sollen diesen Eindruck verstärken und zeigen, was Karlsruhe ausmacht - aber doch wohl zu wenig oder zu einseitig! Freiburg grüßt den Betrachter mit einem aus schwarzem Schatten aufragenden, in roter Abendsonne eingerüsteter Münsterturm wie auch mit der blauen Brücke über die Bahngeleise des Bahnhofs, und zwei Studentinnen sonnen sich am Universitätsportal und ein Blick auf viele Solardächer soll den Eindruck der Ökostadt vermitteln; aber nichts von dem, was Freiburgs Atmosphäre ausmacht und den Touristen interessieren könnte - wenn denn das Buch für ihn gedacht ist - die historische, romantische Altstadt mit ihren typischen Bächle wird hier nicht gezeigt, letztere dagegen in Waldshut. Selbst kleine Orte wie Ladenburg, das römische Lopodunum, vergisst man nicht, hätte aber einen typischeren Einblick in seine spätmittelalterlich und restaurierte Altstadt verdient. Aber genug der Bildkritik. 225 zum größten Teil ausgezeichneter Fotografien wollen das »Ländle« in seiner ganzen Schönheit und Vielfalt zeigen.

Dazu kommen Texte in den Sprachen deutsch, englisch und französisch, die allerdings noch mehr Fragen aufwerfen oder offen lassen als sie beantworten. Am Anfang steht die ganzseitige Einleitung zu diesem Bundesland, das die gewohnten Klischees bedient vom liberal-weltläufigen Badener, dem schaf- figen Schwaben und dem pietistischen Altwürttem- berger, gipfelnd in dem bekannten Kalauer: »Über Baden lacht die Sonne...« der Leser weiß sicher, wie es weiter geht. Weiter, wie aus dem territorialen Flickenteppich von Napoleons Gnaden das Großherzogtum wurde, das nach dem 2. Weltkrieg unter Schmerzen nach einem Volksentscheid vor nunmehr 60 Jahren mit den anderen Teilen vereinigt wurde zum drittgrößten Bundesland unter dem Landeswappen mit dem badischen Greif zusammen mit dem württem- bergischen Hirsch die Tafel mit dem Stauferlöwen tragend - ein Erfolgmodell, dessen Stärke in der Vielfalt liegt und hier dokumentiert werden soll - an wen sich diese aber wendet, verrät auch der Texter nicht!

Einspaltig werden die Texte dann ob ihrer Dreispra- chigkeit zu den einzelnen Regionen, und dabei werden die Highlights einzelner Städte herausgehoben, immerhin das stadtreichste Bundesland, wie bei der Kurpfalz Schiller und Mannheim, die Mannheimer Schule in der Musik bis zu den Söhnen Mannheims, schließlich Typisches der Region wie die Mandelblüte, der Spargel und der Tabak. Bei der nächsten Region, dem Oberrhein, ist es dann der alemannische Kulturraum im Dreiländereck, der Frühling, der durch die Burgundische Pforte schon früh hier eindringt und die Region mit ihren Bergen und Wein nicht nur zum Genießerland werden lasst, sondern zur »deutschen Toskana«. Also alles Klischees, die wir von den Flyern und Reiseführern der Tourismusbranche kennen.

Die Bildunterschriften geben auch nicht viel mehr her, sie beschreiben meist den Bildinhalt und geben nur wenige Zusatzinformationen, obwohl in dem großformatigen Buch Platz für mehr gewesen wäre. Das Ganze wird dreifach erschlossen, am Anfang durch ein Inhaltsverzeichnis, am Ende durch ein Ortsregister und eine Karte Baden-Württembergs, in der alle erwähnten Ort nochmals verzeichnet sind.
Am Schluss aber legt man den schön illustrierten Bildband ein wenig unbefriedigt aus der Hand, nachdem es trotz seines Gewichtes ein haptisches Vergnügen war, darin zu blättern und ebenso eine Augenweide, darin zu schauen - und stellt ihn schließlich doch nur zu den anderen in die Ecke des Bücherschranks!

Rolf Fuhlrott

2/2012
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