Rezensionen


 

Borchardt-Wenzel, Annette: Kleine Geschichte Badens.
Regensburg: Pustet 2011, 200 Seiten, 35 Abb., broschiert, ISBN 978-3-7917- 2365-5, € 14,90

Schon wieder oder noch ein Buch über Baden und/ oder seine Geschichte(n)? Sind nicht neben den Standardwerken (Hug u. a.) in den letzten Jahren reichlich Bücher zur Geschichte oder als Geschichten zu diesem Land veröffentlicht? Ist nicht alles schon gesagt? Ja und nein, aber auf das Wie kommt es an! Ja: wenn man sieht, dass auch hier die Geschichte, wie man so sagt, bei Adam und Eva beginnt und nicht bei den eigentlichen oder vermeintlichen Ahnen; und Nein: wenn man sieht, wie sie erzählt wird, leicht und locker, kurzweilig und unterhaltsam für ein Laienpublikum, das sonst einen weiten Bogen macht um historische oder gar wissenschaftliche Werke. Und so beginnt alles bei einem gewissen Daniel Hartmann, der vor etwas über 100 Jahren den »Adam« gefunden zu haben glaubte, als er einen Unterkieferknochen in einer Sandgrube bei Mauer in der Nähe von Heidelberg entdeckte, der später als Homo Heidelbergensis als seinerzeit frühester nachgewiesener Urmensch in die Geschichte einging. Aber wahre Geschichte entsteht nicht (nur) aus Geschichten, sondern dokumentiert sich aus belegten Urkunden. Zwar wusste man in Baden immer, dass der mit dem Bart, den man Berthold I. von Zähringen nannte, gemeinsamer Ahne derer von Zähringen und Baden war. Aber erst seinem Enkel war es beschieden, durch eine kaiserliche Urkunde Heinrich V. – und da hatte man das Glück, dass dieser gerade ein Jahr zuvor in Rom zum Kaiser gekrönt worden war – mit dem Namen »Baden« amtlich verbunden zu werden.

Sein Großvater erhielt von Kaiser Heinrich III. das Herzogtum Kärnten, verbunden mit der Mark Verona. Dessen ältester Sohn übernahm als Berthold II. den Herzogtitel und baute die namensgebende Burg Zähringen bei Freiburg sowie die Grablege St. Peter im Schwarzwald. Der 2. Sohn erhielt als Hermann I. den Titel eines Markgrafen von Verona. Dieser durchkreuzte allerdings die machtpolitischen Pläne seines Vaters, verließ 1073 Frau und Kind und zog sich als in Armut lebender Mönch zurück ins burgundische Kloster Cluny, wo er allerdings ein Jahr darauf starb. Sein Sohn, ein Kind noch, hatte es schwer, später als Hermann II. seine Erbansprüche durchzusetzen, aber mit Hilfe seines Onkels wurden ihm verschiedene Besitzung in Obhut gegeben, darunter das ehemals römische Aquae Aurelia, das wir als Baden-Baden kennen. Hier ließ er die Burg Hohenbaden erbauen, nach der sein Geschlecht benannt wurde. Und jetzt kommt die Urkunde ins Spiel, die Geschichten zur Geschichte macht, und in der Hermann II. am 27. April 1112 erstmals Hermannus Marchio de Badun als »Markgraf von Baden« erwähnt wird, was seitdem als Geburtsjahr der Markgrafschaft und des Hauses Baden gelten darf. Dieses Ereignis ist auch der Grund, weshalb in diesem Jahr zu dem 900sten Jahrestag allerorts in Baden Feierlichkeiten stattfinden.

Mit diesen spannenden Geschichten beginnt das Buch, und so geht es weiter mit der Schilderung wie aus dem territorialen Flickenteppich das Großherzogtum Baden – von Napoleons Gnaden – entsteht, nach Beendigung der großherzoglichen Macht der Freistaat Baden und schließlich durch des Volkes Stimme der Südweststaat und das heutige Bundesland Baden-Württemberg, wo sich die unterschiedlichsten Menschen zusammengefunden haben. Alles wird spannend erzählt, sodass, wenn man beim Unterkiefer von Mauer beginnt, es einen nicht mehr los lässt, das Buch wie einen Roman von Anfang bis Ende durchzulesen, und sich nicht, wie sonst meist bei einem Geschichtsbuch, einzelne Kapitel herauszupicken.

Weit spannt sich der Bogen von den Alemannen bis zur Kurpfalz, vom Hotzenwald bis zum Rheintal, dort wo die unterschiedlichsten Badener die erste Universität in Deutschland gründeten auch die erste Technische Hochschule, das erste Parlament ins Leben riefen, das erste Mädchengymnasium schufen, mit dem ersten Auto über die Straßen rollten und schließlich auch den ersten Grünen Ministerpräsidenten wählten.

Diesen Bogen so weit und so unterhaltend gespannt zu haben, ist natürlich das Verdienst der Autorin, die in 3-facher Hinsicht prädestiniert dazu zu sein scheint: erstens ist sie in Baden geboren, zwar keine Urbadnerin, da Bruchsal erst spät einverleibt wurde, zweitens hat sie Geschichte studiert und ist somit vertraut mit den Fakten und schließlich hat sie als Redaktionsleiterin der Zeitung »Der Sonntag«, der Sonntagsausgabe der Badischen Neuesten Nachrichten, journalistische Erfahrung, wie man einem breiten Publikum komplizierte Verhältnisse darstellt und schmackhaft macht. Dabei verzichtet sie bewusst auf den wissenschaftlichen Apparat der Fußnoten – weshalb man allerdings auch nicht alle Geschichten nachprüfen kann! – aber sie erschließt ihr Werk – und das ist bei solchen Büchern äußerst selten und deshalb besonders lobenswert – durch ausführliche Register mit 3–400 Eintragungen bei einem Orts- wie auch bei einem Personenregister. Dazu ist weiter eine 4-seitige Zeittafel beigegeben wie auch jeweils eine Liste der Großherzöge und der Staats- und Ministerpräsidenten nach 1918 bis heute! Schön wäre es noch gewesen, wenn man die eine oder andere Stammtafel vorgefunden hätte, es hätte sicher die Übersicht noch weiter erleichtert. Über die Auswahl von Abbildungen lässt sich immer trefflich streiten.

So sind die Schlösser von Karlsruhes Umgebung, wie Rastatt, Baden-Baden und Bruchsal abgebildet, das von Karlsruhe fehlt seltsamerweise ebenso wie das von Mannheim und andere, ebenso auch ein Bild des 1. Parlamentsgebäudes in Deutschland, das 1822 bezogen wurde. Weiter wird Friedrich II. im Bild festgehalten, aber der bedeutendere Friedrich I. erscheint nur in einer Gruppe auf einem Denkmalrelief. Ferner sind alle Abbildungen konsequent schwarz-weiß, was ein wenig trübe wirkt. Etwas mehr Farbe hätte hier mehr Erhellung gebracht, zumal zahlreiche Abbildungen qualitativ schlecht wiedergegeben sind.

Das sei aber auch die einzige Kritik an einem Buch, das aus gegebenem Anlass zur rechten Zeit erscheint und als lesbare und verständliche Geschichte sich neben den Standardwerken behaupten und sicher viele Freunde finden – und hoffentlich auch in allen badischen Öffentlichen Bibliotheken vorhanden sein wird.

Rolf Fuhlrott

4/2012
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