Istanbul - Die Stadt und der Sultan

  

Geschichte

Die Osmanen: eine 700-jährige Herrschaft

Die Wiege der osmanischen Dynastie war Bursa (heute Westtürkei), die Hauptstadt des kleinen Fürstentums, das Osman I. (?-1324), der erste Herrscher der osmanischen Dynastie, gegründet hatte. Innerhalb von anderthalb Jahrhunderten entwickelte sich diese Dynastie zur mächtigsten in der Region. Am Ende des 14. Jahrhunderts erstreckte sich das Reich der Ottomanen bereits vom Tigris bis an die Donau. Nach der Eroberung Konstantinopels sollte es im Verlauf von sieben Jahrhunderten zu einem der größten der Geschichte werden. Seine Ausdehnung ist legendär, aber der Eroberungsdrang der Osmanen und der Umstand, dass die besetzten Gebiete unter islamische Verwaltung gestellt wurden, brachte dem osmanischen Reich bei den bedrohten christlichen Staaten des Westens einen schlechten Ruf ein. Dennoch kennzeichnete sich das Reich durch eine bunte Völkervielfalt und eine tolerante Haltung der osmanischen Verwaltung gegenüber Juden und Christen. Diese religiösen Minderheiten standen unter gesetzlichem Schutz und konnten sich bis zu einem gewissen Grad selbst verwalten. Im Vergleich zur byzantinischen Feudalverwaltung war die osmanische von Anfang an besonders mild. Das blieb der Bevölkerung nicht verborgen. Sie lebte lieber unter einer gerechten islamischen Obrigkeit als unter der Willkür und Ausbeutung ihrer christlichen Herren. Dieser Mangel an Loyalität gegenüber den christlichen Fürsten hat entscheidend zur erfolgreichen Expansion des jungen osmanischen Reichs beigetragen.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts vergrößerte Sultan Selim I. (der von 1512 bis 1520 regierte) das Reich stark, indem er das Land der Mamelucken überrollte. Durch diese Eroberung fielen die drei heiligsten Städte des Islam, Mekka, Medina und Jerusalem, in die Hände der Osmanen. Danach drang der berühmteste osmanische Sultan, Suleiman der Große, bis nach Ungarn vor und belagerte im Jahre 1529 sogar Wien. In seiner Herrschaftsperiode (1520 - 1566) führte Suleiman die osmanische Macht zu einem Höhepunkt, der mit einer großen Blüte der Architektur, Kunst, Musik, Wirtschaft und Gesetzgebung einherging.

Die Türken gaben den Kampf um den Balkan und Mitteleuropa nicht auf: 1683 stand die osmanische Armee erneut vor den Toren Wiens. Wie im Jahre 1529 schlug die Belagerung fehl, aber diesmal läutete die Niederlage den Zerfall des osmanischen Reichs ein. Inflation, Normenerosion, unfähige Sultane und Korruption waren die Ursachen des Niedergangs. Die Elitetruppe der Janitscharen, die die osmanischen Streitkräfte anführte, fing an die unliebsamen Sultane abzusetzen. So wurden die Janitscharen vom Schrecken der Schlachtfelder zur Plage der Landesverwaltung. Die Ohnmacht des Hofes wirkte sich nachteilig auf die Loyalität der zahllosen lokalen Statthalter des immensen Reiches aus, was fortwährend zu Territorialverlusten führte.

Während der osmanische Staat in den darauf folgenden Jahrhunderten gleichsam dezentralisiert wurde, verlief die Entwicklung in den europäischen Ländern genau umgekehrt. Länder wie Österreich und Russland drängten die Osmanen immer weiter zurück. Nach jeder Krise mussten die Osmanen versprechen, Reformen durchzuführen. Ruckweise begann sich der Staatsapparat zu modernisieren, wobei er sich überwiegend an westlichen Denkmodellen orientierte. Auch die osmanischen Sultane machten mit: Der Hof wurde ebenfalls modernisiert. 1853 verließ die Dynastie den Topkapi-Palast, in dem sie 400 Jahre residiert hatte, und bezog den nagelneuen, modernen Dolmabahce-Palast am Bosporus.

Diese ehrgeizige Modernisierungspolitik, die auch Neuinvestitionen wie Eisenbahnlinien, Häfen und Straßen umfasste, kostete den Staat ein Vermögen. Im Jahre 1875 kam es sogar zu einem Staatsbankrott. Abgesehen von der finanziellen Misere wurde der Fortbestand des Reiches von verschiedenen aufständischen Völkern in Frage gestellt: Griechen, Bulgaren, Serben und viele andere verließen den Staatenbund. Im Gegenzug versuchte der Staat bei der Bevölkerung eine Art übergreifenden Nationalismus zu stimulieren, den so genannten Osmanismus. Der Nationalismus einzelner Volksgruppen fand jedoch mehr Anklang, sowohl bei den Türken als auch bei den anderen Bevölkerungsgruppen wie Araber, Albaner und Kurden. Nach dem Staatsstreich gegen Sultan Abdulhamid von 1908 schien sich ein Aufschwung anzukündigen, aber schon bald entpuppten sich die Idealisten der ersten Stunde als Diktatoren. Als sich diese Junta 1914 entschloss, auf der Seite Österreichs und Deutschland in den Ersten Weltkrieg einzutreten, war ihr Los besiegelt. 1918 waren alle arabischen Gebiete verloren gegangen und die weitere Spaltung Anatoliens stand bevor. Der Aufstand gegen diese Entwicklung unter der Führung von General Mustafa Kemal Pascha, besser bekannt als Atatürk, führte 1923 zur Gründung der Türkei. Ein Jahr zuvor war der letzte osmanische Sultan, Mehmet VI., abgesetzt und aus dem Lande verbannt worden. Damit endete eine der längsten Herrschaftsperioden einer einzigen Dynastie, die Zeit der Osmanen.

 

Istanbul. Die Stadt und der Sultan

De Nieuwe Kerk, Dam-Platz, Amsterdam, 16 Dezember 2006 - 15 April 2007

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Istanbul: Machtzentrum und Brücke zwischen Ost und West

siehe auch:

Einführung
"Ottomanen auf dem Dam"
Die Ausstellung
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