Istanbul - Die Stadt und der Sultan

  

Die Ausstellung

In der Nieuwe Kerk erhebt sich eine Stadt mit zwölf Gebäuden, die verschiedene Aspekte der reichen Geschichte Istanbuls illustrieren.

Der Basar
Der wichtigste Markt der Altstadt ist der Große Basar. Bereits 1456 beschloss man den Bau eines Bedestan, des zentralen Marktkomplexes aus Steinbauten. Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts sammelten sich um ihn herum über tausend Läden und Werkstätten an. Die Ladenstraßen wurden überdacht, bis schließlich der heutige Komplex mit seinen dreißig Eingangstoren entstand. Ein Teilbereich des Großen Basars war der Bücherbasar, der sechzig Buchhandlungen und Büchereien enthält. Im 17. Jahrhundert baute man ganz in der Nähe den zweiten wichtigen Basar, den Ägyptischen Markt, auf dem hauptsächlich mit Gewürzen und Spezereien gehandelt wird. Außer diesen großen Basaren besitzt Istanbul unzählige kleine Märkte und Bedestans, auf denen auch mit Sklaven gehandelt wurde. Istanbul war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein wichtiges Zentrum des Sklavenhandels.

Das Kaffeehaus
Ich kenne nichts Gemütlicheres als eine Tasse Mokka in einem türkischen Kaffeehaus zu schlürfen.
Marius Bauer, Maler, 1896

Der Kaffee gelangte in der Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Jemen nach Istanbul. Das Getränk wurde ein Renner und schon bald waren die Kaffeehäuser die wichtigsten Zentren des öffentlichen städtischen Lebens. Es gab sie in verschiedener Gestalt: luxuriös und bequem für die Reichen, schmucklos und schäbig für die Armen. Außerdem gab es Kaffeehäuser für Muslime und Andersgläubige, für Griechen und Perser oder für spezielle Bevölkerungsgruppen wie die Janitscharen. Genau wie beim Tabak waren die Meinungen über die Kaffeehäuser geteilt. Konservative Geistliche lehnten sie als neumodischen Schnickschnack ab, andere fürchteten, dass sie als Zentren der Verschwörung dienen könnten. Der Beliebtheit des Kaffeehauses hat das bis heute keinen Abbruch getan.

Das Badehaus
Ein anderes Zentrum der Entspannung und des Genusses war der Hamam, das öffentliche Badehaus. Die Muslime übernahmen diese Erfindung der Römer und Byzantiner mit Begeisterung. Schon bald nach der Eroberung Konstantinopels ließen die Ottomanen die ersten Badehäuser bauen, manchmal auf den Ruinen der byzantinischen Badeanstalten. Auch die Sultane gaben solche Badehäuser in Auftrag, teilweise bei ihren eigenen Architekten. Im 16. Jahrhundert besaß Istanbul bereits 150 Badehäuser. Genau wie die Kaffeehäuser spielten sie eine wichtige Rolle im sozialen Leben der Stadt.

Villen aus Holz
Um dem Gedränge der ständig wachsenden und enger werdenden Stadt zu entfliehen, baute sich die städtische Oberschicht an der Küste des Goldenen Horns und des Bosporus prachtvolle Holzvillen mit Bootshäusern und Anlegesteg, die so genannten Yalis. Obwohl sie von außen oft unauffällig wirken, waren sie luxuriös und üppig eingerichtet, mit kostbaren Teppichen, kunstvollen Holzschnitzereien und bequemen Diwanen. Die Elite nutzte diese Villen als Sommerhaus oder Jagdsitz und feierte dort Hochzeiten und andere Feste. Unter dem Eindruck der westlichen Mode änderten die Villen im 19. Jahrhundert ihr Gesicht: Hier und da entstanden elegante Bauten mit verschnörkelten Bildhauerarbeiten. Am Bosporus sind viele solcher Yalis erhalten geblieben.

Friedhöfe
Stambul ist mit Gräbern überschüttet. Man liebt sie. Sie liegen sogar in den Höfen hinter den Häusern…
Le Corbusier, 1911

Die in den Tälern und an den Hängen außerhalb der Stadt angelegten Friedhöfe waren ein beliebtes Ausflugsziel. Die Atmosphäre der Melancholie, des Verfalls und der Verlassenheit wurde noch dadurch verstärkt, dass die Grabsteine kreuz und quer durcheinander standen, ohne erkennbares Ordnungsprinzip. Die Särge der Männer krönte traditionell ein in Stein gemeißelter Turban, während Frauensärge mit Blumen oder Tüchern verziert wurden.

Die Moschee
Obwohl die Türken ursprünglich keine Muslime waren, hatten die Vorfahren des ersten Sultans, Osman, den sunnitischen Glauben angenommen. Mit der Expansion des Reiches entstand im 16. Jahrhundert einer der machtvollsten und bedeutendsten islamischen Staaten der Geschichte. Das Symbol dieser Macht bildeten die drei großen Moscheen, die Aya Sofya, die Blaue Moschee und die Süleymaniye, die nach wie vor das Panorama der Stadt prägen. Diese großen Moscheen waren in das Konglomerat aus Gebäuden, Höfen, Gärten und Promenaden eingebettet. Ihre Nebengebäude beherbergten Religionsschulen, Krankenhäuser, Garküchen, Wäschereien und zuweilen auch eigene Badehäuser.

Die Tekke
Der osmanische Islam legte nicht nur besonderen Wert auf formale Regeln und Abläufe, sondern auch auf das Unergründliche und Mystische. Daher wurde die Stadtlandschaft auch von hunderten Tekkes bestimmt, kleinen Bauten, in denen sich praktizierende Mystiker (Sufis oder Derwische) zum Studium oder zur Kontemplation trafen, um sich anschließend ins Göttliche zu erheben und darin aufzugehen. Die gängigste Form dafür war das Zikir (die endlose Wiederholung des Namen Allah), das berühmte Ritual mit dem Herumwirbeln und der Selbstkasteiung. Um sich in einen Rausch zu versetzen, setzte man Musik, Weihrauch, Alkohol und andere Drogen. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten fast alle männlichen Ottomanen einschließlich der Sultane einer Sufigemeinschaft an.

Die Bibliothek
Die vorherrschende Sprache des osmanischen Reichs war Türkisch - in gesprochener Form sowie als Schriftsprache der Bürokratie, der Literatur und der Wissenschaft. Das Arabische blieb den religiösen und Gesetzestexten vorbehalten, während Persisch vor allem in der mystischen Dichtung verwendet wurde. Papier war jedoch teuer, sodass sich nur wenige die kostbaren Bücher erlauben konnten. Als die Papierpreise im 17. und 18. Jahrhundert sanken, wurden in Istanbul öffentliche Bibliotheken eingerichtet. Die vor 1800 entstandenen Bücher enthalten handschriftliche Texte und Miniaturen. Sie wurden meist von der Topkapi-Bibliothek oder von einer Privatbibliothek besonders vermögender Minister oder Kaufleute in Auftrag gegeben.

Das Leben im Topkapi-Palast
Die osmanischen Sultane besaßen politische Macht, waren militärische Oberbefehlshaber und religiöse Führer. Autokratische Staatshäupter waren sie gewiss, aber nicht die orientalischen Despoten, für die sie von vielen westlichen Regierenden gehalten wurden. Ihre Macht wurde nämlich von der Scharia, dem religiösen Gesetz des Islam, eingeschränkt. Im Islam werden sie als Nachfolger des Propheten Mohammed betrachtet.
Nach der Eroberung Istanbuls im Jahre 1453 baute Sultan Mehmet II. einen Palast auf der Landzunge, an der Bosporus und Goldenes Horn aufeinander treffen. Dafür wurde ein etwa 60 Hektar großes Areal frei gemacht. Das einzige Gebäude, das dort stehen blieb, war die alte byzantinische Kirche der Heiligen Irene, die der Palast fortan als Arsenal nutzte. Der Palastkomplex besteht nicht aus einem Monumentalbau, sondern aus einer Aneinanderreihung großer und kleiner Bauten, Gärten, Höfe und Tore. Durch das Kaisertor gelangt man in den ersten Hof, den Außenhof , auf dem sich Einrichtungen wie die Krankenstation, Magazine, Pferdeställe und Schlafsäle befinden. Dann folgt der zweite Hof, zu dem das Mitteltor nur einer kleinen Gruppe von Auserwählten Zugang verleiht. Dieser breite Platz wird seitlich von den Küchen des Serails begrenzt. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich der Sitzungssaal des Diwans (Staatsrat). Hier fanden verschiedene eindrucksvolle Zeremonien statt, darunter die Soldauszahlung des Elitekorps der Janitscharen und die Audienzen für die ausländischen Botschafter. Dann setzte sich der Monarch auf seinen Thron, der im Thronsaal direkt hinter dem Tor des Glücks steht, das in seine Privatgemächer führt. Der Sultan empfing die Fremdlinge also auf der Grenze zwischen seiner öffentlichen und privaten Existenz.

Niederländer bei Hofe
Die ersten Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Türkei datieren aus der Zeit des Achtzigjährigen Krieges. Der Handel mit der Levante, dem Ostteil des Mittelmeerraums, verlagerte sich von Antwerpen auf die Häfen im Norden. Daher waren die Türken seit dem 17. Jahrhundert auf der Amsterdamer Handelsbörse zu finden. Die Handelsbeziehungen wurden erweitert und im Jahr 1611 zog der erste niederländische Botschafter, Cornelis Haga, nach Istanbul. Er ließ sich im europäischen Viertel in einem Palast nieder, an dessen Stelle sich auch der heutige Botschaftersitz erhebt. Seither haben die Niederlande immer gute Beziehungen zur Türkei unterhalten. Dafür hat eine lange Reihe von Botschaftern und Konsuln in Istanbul, Ankara und vielen anderen Handelszentren gesorgt. 1924 wurde zwischen Ankara, der neuen Hauptstadt, und Den Haag ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen.
In den Botschaften und Konsulaten spielten die Dragomanen eine wichtige Rolle. Als Kenner des osmanischen Rechts und der osmanischen Gebräuche waren sie Schlüsselfiguren im diplomatischen Verkehr mit dem Sultanshof.

Im Herzen des Palasts
Bei ganz seltenen Anlässen durften der Großwesir, der Regierungschef, und der Großmufti, der Führer der Islamhierarchie, den zweiten Hof betreten und durch das Tor des Glücks gehen. Dahinter liegt der geschlossene Teil des Palasts, in dem sich die Privatgemächer des Sultans und seiner Familie sowie ihrer 400 Höflinge befinden. Auch dieser Bereich des Komplexes bestand aus zahllosen Räumen, Pavillons, Gärten und Höfen. Im Lauf der Jahrhunderte haben die einzelnen Sultane neue Pavillons und andere Gebäude errichten lassen. Häufig musste auch neu aufgebaut werden, was Brände zerstört hatten. Der wichtigste Bestandteil des Privatpalasts waren die Frauengemächer, der Harem.

Der Harem
Dieser Bereich des Palasts war nicht der Lustort, den wir aus westlichen Texten und Abbildungen zur Genüge kennen. Abendländer wurden nur ausnahmsweise zum Harem zugelassen und stützten sich bei ihren Beschreibungen meist nicht auf Tatsachen. Der Harem war ein streng organisierter und geordneter Palastbereich und der exklusive Ort der Frauen und ihrer Wächter, der schwarzen Eunuchen. Geleitet wurde der Harem von der valide sultan, der Mutter des regierenden Sultans. Eine Haremsfrau begann ihre Laufbahn als Dienstmagd, um dann zur Schülerin, Gesellin und Meisterin aufzusteigen. Aus der Gruppe der Meisterinnen wählte der Sultan seine Bettgefährtinnen aus. Seine Favoritinnen wurde als has odalik bezeichnet (siehe das Gemälde L'Odalisque von Ingrès). Sie erhielten innerhalb des Harems einen eigenen Hausstand. Die Haremsfrauen waren keine Einheimischen, da nach islamischem Recht keine frei geborenen Muslime in die Sklaverei geführt werden durften. Manchmal handelte es sich um erbeutete Frauen, die aus dem venezianischen oder genuesischen Adel oder anderen angesehenen Familien stammten. Die meisten Frauen verließen den Harem früher oder später wieder. Wenn der Sultan starb, erhielten alle kinderlosen Konkubinen ihre Freiheit. Die hinterbliebenen Frauen und Favoritinnen des Sultans zogen mit ihren Kindern zunächst in den so genannten Alten Palast um und wurden häufig mit hohen Würdenträgern des Landes verheiratet.

 

Istanbul. Die Stadt und der Sultan

De Nieuwe Kerk, Dam-Platz, Amsterdam, 16 Dezember 2006 - 15 April 2007

im Detail:

Einführung
"Ottomanen auf dem Dam"
Geschichte der Stadt
Die Ausstellung

weiter:

Bilder

siehe auch:

 

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