Ausstellung
in der Bundeskunsthalle Bonn
25. Januar - 25. Mai 2008
Die
Ausstellung "Sizilien" hat zum Ziel, die kulturelle Vielfalt
Siziliens herauszustellen, einer der großen Regionen Italiens,
die seit langem im besonderen Interesse Mitteleuropas liegt
- historisch, literarisch und touristisch. Diese Vielfalt
ist entstanden aus der Überlagerung von Jahrtausende lang
sich auf der größten Insel im westlichen Mittelmeer ausbreitenden
Kulturschichten, die entsprechend den wechselnden Vorherrschaften
nach den Griechen, Römern, Byzantinern, Arabern, Normannen,
Hohenstaufern und Spaniern, schließlich nach den Dynastien
der Habsburger und Bourbonen benannt werden.
Innerhalb der Ausstellung (und im Katalog) kann die kulturelle
Vielfalt Siziliens als historische Schichtenfolge dargeboten
werden:
- Die vorgeschichtlichen einheimischen Kulturen der Sikaner
und Sikuler und die ersten griechischen Siedler in Sizilien:
Mythen und Topographie
- Die archaische und klassische Kultur der Griechen und
Punier auf Sizilien: Kunst und Städtebau
- Sizilien als erste römische Provinz und als Teil des
römischen Kaiserreichs: Kornkammer und Imperium
- Die Herausbildung der christlichen Kultur in der Spätantike
und die Spuren der byzantinischen Dominanz: die Heiligen
Siziliens
- Sizilien im Mittelalter seit der Ankunft der Araber;
die Normannen, Staufer und Spanier in Sizilien: Architektur
und Wissenschaft
- Renaissance und Barock in Skulptur, Malerei und Kunstgewerbe
Siziliens: Verwandlung der Vorbilder
- Das 19. Jahrhundert bis zur Landung Garibaldis
Die Ausstellung wird einen erzählenden Charakter haben
und in den einzelnen Abteilungen die örtlichen Materialien
von Kunst und Handwerk, soweit möglich die Veränderung der
Natur und Landschaft sowie die beständige Einbeziehung charakteristischer
Formen in die kontinuierliche kulturelle Entwicklung Siziliens
bis zu ihren heute noch sichtbaren monumentalen und musealen
Zeugnissen zeigen.
Das historische Panorama wird schwerpunktartig mit den
großen historischen Namen Siziliens wie Gelon und Hannibal,
Archimedes und Ibn Hamdis, Roger, Friedrich II. und Garibaldi
verknüpft. Die zur Dokumentation der Entwicklung ausgewählten
Objekte werden um besonders charakteristische Kunstwerke
versammelt, die die Bedeutung der dadurch repräsentierten
Kulturschicht markieren.
In der prähistorischen Sektion wird das Bild der verschiedenen
Kulturen gezeichnet, die auf der Insel in der vor- und frühhistorischen
Zeit aufeinander folgten. Dieses Bild erlaubt Sizilien als
einen Ort zu begreifen, in dem die kulturellen Spuren doch
unverkennbare ursprüngliche Herkunft, aber auch eigenes
kreatives Potenzial offenbaren. Die Materialien geben ein
synthetisches Panorama über einige wichtige Skulpturenobjekte
zu den Vasenproduktionen der wichtigsten Kulturen der Vor-
und Frühgeschichte (Castellucio, Thapsos, Pantalica, Valle
del Marcellino/Villasmundo).
Die kulturelle Produktion der griechischen Zeit auf Sizilien
ist sicherlich unter den am meisten beeindruckenden und
den bekanntesten der Insel. Hier wird gezeigt, dass die
Begegnung mit den einheimischen Kulturen und der der Punier
im Westen der Insel von Anfang an die Verbreitung und die
Bildung der griechischen Kultur auf Sizilien im Unterschied
zu Griechenland definiert hat. Durch den Wunsch, die Erfolge
und Identität der Kolonien herauszustellen, entstanden anspruchsvolle
monumentale Komplexe (z. B. Selinunt), aber auch Ornamente
und Skulpturen, Votiv- und Kunstobjekte von höchster Qualität,
die mit entsprechenden Leihgaben betont wird. In der klassischen
Zeit entwickelten sich neue Standards im privaten, sozialen
und kulturellen Leben. Die Objekte, die in dieser Sektion
gezeigt werden, stammen daher aus Kultstätten und Tempeln
(Demeter, Dionysos) und führen die Bedeutung des Theaters
vor Augen. Die Sektion wird vollendet durch eine präzise
Auswahl von attischen Vasen von ausgesuchter Qualität aus
den Nekropolen von Agrigent und Gela.
Die römische Sektion umfasst den Hellenismus des 3. und
2. Jh. v. Chr. und die gesamte römische Zeit bis zum Ende
des 3. Jh. n. Chr. im Spannungsfeld zwischen zwei divergierenden
Vorstellungen von der enormen Kornkammer für Rom und der
politischen Marginalität der Insel. Die Sektion wird eine
Auswahl von Marmorwerken (vor allem offizielle und private
Porträts) der Bronzekunst, der kultischen Marmorskulpturen,
der Mosaike, der punisch-römischen Funeralkunst, der Silberschmiedekunst,
des Handels und der epigrafischen Verwaltungsdokumente zeigen.
Für die Verbindungswege zwischen Italien, Afrika und dem
Nahen Orient hatte Sizilien auch eine besondere Bedeutung
in der spätantiken und byzantinischen Zeit. Man sprach damals
von einer zusammengesetzten Bevölkerung, bestehend aus Griechen,
Lateinern und Orientalen, die vor allem im Osten der Insel
verbreitet waren, mit einer bemerkenswerten jüdischen Präsenz
nicht nur in den großen Städten. Nach einer Epoche, die
von den Städten und den in der Nähe der großen Latifundien
entstandenen Siedlungen dominiert wurde, entstanden am Anfang
des 7. Jh., in einer Zeit der ständigen Unsicherheit, neue
Formen der Siedlungen, die befestigten Landgüter (l'habitat
rupestre), die byzantinischen castra. Die Objekte, die in
dieser Sektion gezeigt werden, illustrieren die Forschung
der letzten Jahre (z. B. den Komplex von Sofiana, die Nekropole
von Sant'Agata) und verdeutlichen mit einigen repräsentativen
Beispielen die lange Dauer dieser Epoche, von der kulturellen
Entwicklung in der römischen Zeit bis zum Mittelalter.
Die mittelalterliche Sektion umfasst die Zeit von der arabischen
Herrschaft auf Sizilien bis zu den Anfängen der Regierung
des Hauses Aragon. Innerhalb dieser Abteilung soll ein differenzierter
Einblick in die Herrschaftskultur gegeben werden, unter
besonderer Berücksichtigung der Normannen und der Staufer.
Im Vordergrund steht die wissensgeschichtliche Perspektive,
die die starke naturkundliche Orientierung dieser Epoche
verdeutlichen wird. Die reiche Hofkultur dieser Zeit wird
mit Objekten aus der Schatzkunst, mit Textilien und Skulpturenfragmenten
erklärt, dabei wird eine besondere Betonung auf Objekte
gelegt, die die Rezeption der arabischen Kultur zeigen.
Den Rahmen für diese Präsentation bildet eine Vorstellung
der wichtigsten architektonischen Baudenkmäler dieser Zeit,
die mit Hilfe von Fotografien und einer dreidimensionalen
Dokumentation der Kapitelle von Monreale (Projekt CENOBIUM,
Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck- Institut)
dargestellt werden.
Da sich die Zeit der Renaissance auf Sizilien durch keinen
Stil im eigentlichen Sinne, sondern durch das Wirken einiger
Künstlerpersönlichkeiten äußert, bestimmen zunächst große
Namen diesen Abschnitt der Ausstellung: Antonello da Messina
und die nicht aus Sizilien stammenden Bildhauer Francesco
Laurana, Domenico Gagini und sein Sohn Antonello. Vor allem
soll das qualitätvolle sizilianische Kunsthandwerk - Arbeiten
aus Korallen, Silber und buntem Marmor - vorgestellt werden,
das bis zum 18. Jahrhundert die Kunst Siziliens prägte.
Das Werk Caravaggios wird die Epoche des Barock einleiten.
Der sizilianische Barock mit seinen dekorativen Elementen
wird innerhalb der Ausstellung mit seinen zahlreichen Facetten
präsentiert: wie z. B. der Malerei Pietro Novellis, den
Stuckarbeiten Giacomo Serpottas oder der Darstellung der
religiösen Feste. Die Architektur wird innerhalb der Ausstellung
mit Hilfe von Plänen, Ansichten, Modellen und Teilen der
originalen Ausstattung wie Altarbilder, Stuck- und Marmorausstattung
sowie architektonisch gestalteten Altarbehängen (palliotti)
dargestellt. Dabei wird die Architektur und Ausstattung
der Kirchen und Adelspalästen als Spiegel der gesellschaftlichen
und politischen Entwicklung auf der Insel im Vordergrund
stehen.
Die Einheitlichkeit der historischen Erzählung wird durch
eine Auswahl von Münzen zu allen Abteilungen (außer 1) gewährleistet.
Die Ausstellung fasst die Forschungen der vergangenen zwanzig
Jahre zusammen, nach denen diese Vielfalt und dieser Wechsel
nicht ohne die Grundlage der kulturellen Eigenarten der
Insel Sizilien selbst und ihrer kontinuierlichen Abfolge
zu verstehen sind. Diese beruhen auf der Lage der Insel
im Mittelmeer, auf ihren materiellen und natürlichen Ressourcen
und auf der Verbindung der verschiedenen, nach den genannten
"Fremdherrschaften" bezeichneten kulturellen Einflüsse.
Da diese in der Abfolge der Kulturen aufeinander getroffen
und miteinander verbunden worden sind, haben sie bedeutende,
bis heute sichtbare Spuren hinterlassen. Das Projekt ist
insofern mutig und weiterführend, als es das Miteinander
der verschiedenen Kulturschichten wie ein Modell der derzeitigen
kulturellen Situation Europas versteht.
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