Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

November 2001

- Sammlungsblatt -

Cautes und Cautopates

Ein unbekannter Religionsstifter schuf gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. aus Elementen der römischen Religion, Ideen der griechischen Philosophie und Erkenntnissen der Astronomie einen Kult, der bald in allen Provinzen des römischen Reiches zahlreiche Anhänger fand. Im Mittelpunkt dieser Geheimlehre stand Mithras, eine alte orientalische Gottheit aus dem indischen und iranischen Bereich, deren Name bereits in einem hethitischen Keilschrifttext des 14. Jh. v. Chr. erwähnt wird. In die "Mysterien des Mithras" konnten nur Männer eingeweiht werden - und deshalb überrascht es auch nicht, dass diese neue Religion insbesondere bei den Soldaten der Legionen und Hilfstruppen Anklang fand.
Zur Verehrung des Mithras fanden sich kleine Gemeinschaften in unterirdisch angelegten, rechteckigen Tempeln ein. Der Hauptraum eines Mithräums war stets mit langen Liegebänken ausgestattet, auf denen die Anhänger während der gemeinsamen Feier des Kultmahls lagerten. Nur schrittweise konnte sich der fromme Kandidat in die Inhalte der Mysterien einweihen lassen und die sieben Stufen der Erkenntnis erklimmen. Vor Aufnahme in den nächsthöheren Weihegrad musste er sich besonderen, oft harten Initiationsriten unterziehen.

Im Gebiet der römischen Siedlung (Vicus) von Heidelberg-Neuenheim, die sich vom 1. bis 3. Jahrhundert in der Umgebung der Kastelle entwickelt hatte, sind an zwei Stellen Reste von Mithrasheiligtümern zutage getreten. Bereits im Jahre 1838 stieß man beim Hausbau am Fuße des Heiligenberges (heute: Neuenheimer Landstr. 78) auf Relikte eines in den Berghang gebauten Heiligtums, aus denen ein Buntsandsteinrelief von hervorragender Qualität geborgen wurde. Es zeigt die Schlüsselszene der Mysterien: die Opferung des Stieres durch Mithras. Dieses Bild wird von kleinen Szenen eingerahmt, die in der Art einer Bildergeschichte von den Taten des Gottes berichten.

Über einen Kilometer westlich dieser Fundstelle traten im Jahre 1953 Reste einer zweiten Kultstätte ans Licht:Beim Aushub der Baugrube für ein Einfamilienhaus an der Ecke Kastellweg/Schröderstraße wurde eine in römischer Zeit verfüllte Eintiefung von 10 m Ausdehnung erfasst, die sich außerhalb des Grundstückes unter der Asphaltdecke der Straßenkreuzung fortsetzte. Der Archäologe Berndmark Heukemes überwachte die Arbeiten und setzte sich - unter oft widrigen Umständen - für die Bergung und Dokumentation der Funde ein. Nach seinen Angaben war die 1,30 m tiefe Grubensohle von einer fundreichen Ablagerung bedeckt, über der eine Schicht aus Brandschutt folgte. Diese enthielt nicht nur Bausteine und Ziegel, sondern auch vier Steinskulpturen. Sie geben Motive wieder, die für die bildliche Ausstattung eines Mithrastempels charakteristisch sind. Die Gesamtsituation des Befundes lässt vermuten, dass es sich bei der Eintiefung um einen Teil des Tempels handelt. Dieser wurde nach Auskunft der datierenden Funde spätestens am Anfang des 2. Jahrhunderts nördlich des Neuenheimer Steinkastells und am Rand der Zivilsiedlung errichtet und war bis Ende des 2. oder zu Beginn des 3. Jahrhunderts in Benutzung.

Zwei der Bildnisse zeigen die beiden Begleitfiguren des Mithras: Cautes und Cautopates. Zerbrochen, aber fast vollständig wurde die Sandsteinstatue des Cautopates geborgen, lediglich Hals und Schultern fehlten. Die Figur steht auf einer Basis, die Rückseite wird bis in Hüfthöhe von einer Platte verstärkt. Cautopates hat den rechten Fuß vor den linken gestellt, macht eine leichte Drehbewegung nach links und umfasst mit beiden Händen eine mit der Spitze nach unten gerichtete brennende Fackel. Der rundlich wirkende Kopf besitzt grob gestaltete Gesichtszüge. Die in einem Zipfel endende Kappe (sogen, "phrygische Mütze") verweist auf die orientalische Herkunft des Dargestellten. Er trägt eine langärmlige, gegürtete Tunika, eng anliegende Hosen und Stiefel sowie einen nach hinten herabfallenden Mantel. Mit groben Ritzlinien sind die Gewandfalten angedeutet.

Das Bild des Cautes ist aus rotem Buntsandstein als Relief mit Standplatte gestaltet. Der Oberkörper und eine Ecke des Sockels fehlten und wurden vom Restaurator durch hell abgesetzten Kunststein ergänzt. Deutlich sichtbar ist die linke Hand, die das untere Ende der erhobenen Fackel umgreift. Ansonsten entsprechen Körperhaltung und Gestaltung des Gewandes ganz der beschriebenen Figur des Cautopates. Die linke untere Ecke endet in einem unförmigen Fortsatz. Dieses Detail und die groben Ritzungen des Hintergrundes deuten den Fels der

Höhle an, in der Mithras den Stier tötete. Damit ist die Position des Fackelträgers rechts von der Opferszene angedeutet. Im Vergleich zur Statue des Cautes wirkt das Relief in handwerklicher und künstlerischer Hinsicht recht unbeholfen.

Beide Darstellungen tragen Reste einer weißen Grundierung, über der geringe Spuren einer roten Bemalung erhalten blieben. Farbig gefasste Skulpturen und Altäre, die auch in anderen Mithräen nachgewiesen werden konnten, trugen zur besonderen Stimmung der unterirdischen Heiligtümer bei: ein Halbdunkel, das von leuchtenden Farben und flackernden Flammchen durchbrochen wurde.

Die Mithrasmysterien waren ein bilderfreudiger Kult, der über ein reiches Repertoire an Szenen und Symbolen verfügte. Zu den verbindlichen Motiven des Bilderkanons gehörte das Paar der Fackelträger, die fast immer beiderseits der Stiertötungsszene abgebildet sind - wie z.B. auf dem erwähnten großen Kultbild von Neuenheim. Cautes und Cautopates tragen dieselbe Tracht wie Mithras, werden aber meist wesentlich kleiner als dieser und mit gekreuzten Beinen dargestellt. Ihre Namen sind durch viele Inschriften überliefert, deren sprachliche Bedeutung ist jedoch nicht geklärt. Es wird angenommen, dass Cautes mit hoch erhobener Fackel die aufgehende Morgensonne, die Sommerzeit und neues Leben symbolisieren soll, sein Gegenüber Cautopates mit der gesenkten Fackel hingegen die untergehende Abendsonne, den Winter und den Tod. Mithras scheint mit den Fackelträgern eine Art "Trinität" zu bilden.

Die beiden Mithrasbegleiter kommen nicht nur auf den großen Kultbildern vor; oft wurden ihnen zusätzlich Altäre und Statuen gewidmet, die entlang der Wände oder der Liegebänke Aufstellung fanden. Um solche Einzeldarstellungen handelt es sich auch bei den hier vorgestellten Heidelberger Fackelträgern. Sie sind so gestaltet, dass beide auf der rechten Seite des Tempels gestanden haben müssen. Unterschiede in Größe und Stil schließen die Möglichkeit, dass sie ein zusammengehöriges Ensemble gebildet haben könnten, sicher aus. Wahrscheinlich waren die Skulpturen von Mitgliedern der Gemeinde gestiftet und bei einheimischen Steinmetzen in Auftrag gegeben worden. Diese bemühten sich redlich, die unvertrauten Motive mit den ihnen eigenen künstlerischen Mitteln wiederzugeben.

Andreas Hensen

Literatur:

M. Clauss, Mithras - Kult und Mysterien (München 1990). Überarbeitete englische Ausgabe: M. Clauss,The Roman Cult of Mithras (Edinburgh 2000).

E. Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten im römischen Deutschland. Etudes Preliminaires aux Religions dans ('Empire Romain 40 (Leiden 1974).

Statue des Cautopates (links) und ergänztes Relieffragment des Cautes (rechts).
Buntsandstein, H. 48 cm bzw. 27 cm (ohne Ergänung). 2. Jh. n. Chr., Heideberg-Neuenheim.

Inv.Nr.  1990/1120.a

zurück zur Übersicht

siehe auch:
Mithraskult und Mithrasstein

weiter:
Dezember 2001

 


Zurück:
zur Heidelberg-Seite - zum Städte-Menü - zum Hauptmenü
Register - Impressum
ZUM
© Badische Heimat 2001