Kunstwerk des Monats
Juni 2004
- Sammlungsblatt -

Wilhelm Trübner ( 1851 - 1917 )
Selbstbildnis als Dragonereinjähriger mit Pickelhaube, 187

In dem dreiviertelansichtig nach rechts ausgerichteten Brustbild präsentiert sich der schnauzbärtige 24jährige Wilhelm Trübner als uniformierter Zivilist leicht untersichtig vor neutral nachtschwarzem Hintergrund. Er trägt die Uniform der badischen "schwarzen Dragoner", in deren Dienst der Künstler 1874 als Einjährig-Freiwilliger ins 3. Regiment Nr. 22 eingetreten war. Trübner war begeisterter Reiter und Säbelfechter. Sein dunkler Rock mit hohem Kragen ist rot paspeliert und mit schwarz-weiß geränderten Epauletten versehen. Quer über die Brust läuft ein Patronengürtel. Von der Seite einfallendes Bildlicht hebt das auf der rechten Wange ins Rötliche changierende Inkarnat hervor. Das vergrößerte, den Betrachter starr fixierende rechte Auge ist eindrucksvolles Merkmal vieler Selbstbildnisse und als solches stetiger Verweis auf den Gesichtssinn als zentrales Sinnesorgan eines Künstlers. Das Regielicht setzt der Selbstinszenierung auf den grauen Metallteilen der Uniform - den hochpolierten Knöpfen und der imposanten schwarzen Pickelhaube-weißsilberne und goldgelbe Glanzeffekte auf.

Der 1851 in Heidelberg geborene Trübner studierte 1867/68 an der Kunstschule in Karlsruhe, wo er die Historienmalerei des Schlachtenmalers Feodor Dietz kennen lernte, seit 1868/69 und 1870 in München, wo er Werken Courbets begegnete und in Kontakt mit Wilhelm Leibl kam, der prägend für ihn wurde. Die in Trübners theoretischen Schriften formulierte Forderung an die Farbe als höchster Aufgabe der Malerei fand bereits in frühen Meisterwerken zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr ihren charakteristischen Ausdruck. Seine zwischen Realismus und Freilichtmalerei stehenden Arbeiten zeichnen sich durch eine tonige Zusammenfassung gedämpfter Farben und einen fleckenhaften Auftrag bei feinster Farbabstufung aus, die seit den späten 80er Jahren deutlich aufhellten. 1917 verstarb er in Karlsruhe.
Wilhelm Trübner war wie viele seiner Zeit begeisterter Kriegsanhänger und hoffte bereits zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870 eingezogen zu werden. Nach dem Frieden von Versailles machte er von seinem Recht des "Einjährigen" Gebrauch und ließ sich drei Jahre zurückstellen, weil er nach eigenen Worten "nach den Kriegsjahren 1864, 1866 und 1870 schließen durfte, dass wenigstens alle drei bis vier Jahre ein neuer Krieg ausbrechen und sich somit... ( sein ) Dienstjahr mit dem nächsten Kriegsjahr vereinigen lassen würde" ( W. Trübner, S. 14). Es verwundert nicht, dass sein künstlerisches Oeuvre eine auffallende Vorliebe für glänzende Rüstungen und ein ausgeprägtes Interesse an militärischen Rängen durchzieht: So porträtierte er als Dragoner 1871 seinen Bruder Johann Nikolaus, (WV G 186), 1872/73 den Heidelberger Landwehroffizier und Oberreallehrer Karl Matthes ( WV 194, 195, 201 ), 1875 Max Höpfner und 1892 den Vater eines Schulfreundes ( WV G 252 ). 1899 entstanden Bildnisse von Offizieren (WV G 261) und Kürassieren (WV G 262, 263, 264, 265,266), 1901 von Postillionen (WV G 273, 274). 1914 porträtierte Trübner seinen Sohn Jörg im Alter von 12 Jahren als Ganzfigurenbild in blaugrauer Rüstung (WV G 296, KMH G 1921 ), nachdem Lovis Corinth seinen Sohn Thomas zwei Jahre zuvor ebenfalls in Rüstung dargestellt hatte.
Es sind 27 Selbstbildnisse von der Hand Wilhelm Trübners bekannt, wovon einige frühe nicht ohne Selbstironie inszeniert sind, wie im "Selbstbildnis mit zugekniffenem Auge", 1872 (WV G 196 ), oder im "Selbstbildnis, lachend", 1876 (WV G 222). Auffallend gern präsentierte er sich aber unter Verzicht aller Hinweise auf seine Profession in der Rolle des arrivierten Bürgers: 1873 ( WV 208 ), 1876/77 (WV G 223, 225, 226), 1878 (WV 228, WV G 229, WV G 230, WV G 231 ), 1879 ( WV G 236 ), 1882 ( WV G 238 ) und 1902 ( WV G 277, KMH G 265 ). Sein letztes Selbstporträt von 1913 (WV G 295) war ursprünglich für die berühmte Sammlung der "autoritratti" der Uffizien in Florenz gedacht.
Bei vielen Selbstbildnissen sind aber auch Trübners militärische Ambitionen offensichtlich. Nach einem männlichen Studienkopf mit Helm, 1869 ( WV G 166 ), der erkennbar vom damals noch Rembrandt zugeschriebenen "Mann mit Goldhelm" beeinflusst ist, entstand ein Halbfi-gurenbildnis des 20jährigen mit Renaissancerahmen - "Selbstbildnis mit Brustpanzer und Federbarett" ( KMH, Inv. Nr. G 475 ). Als "Einjährig-Freiwilliger" malte er sich in dunkelblauer Uniform 1874/75 (WV G 211, WV G 212, WV G 213 ) und 1875 (WV 212, WV 213, WV 214, WV 215). 1897/98 entstanden zwei Halbfigurenbild-nisse in einer deutschen Turnierrüstung des 16. Jahrhunderts mit gepanzerter Hand, die einen Schwertgriff umfasst.( WV G 259 und 260). In der Kunstliteratur der Zeit stießen beide Werke auf unterschiedliches Echo: So wurde Trübner neben der künstlerischen Qualität der Reflexlichter auf der Rüstung attestiert, dass er sich als ein ehrenfester Ulrich Hütten gemalt habe, "dem er ähnlich sah und in Wort und Schrift nacheiferte, ein trotziger Epigone der Renaissance, da er sich als Kämpfer und konservativer Träger reformatorischer Überzeugungen gefühlt habe" (zit. nach Rohrandt, Bd 2,1 S. 185/86).
Dieses ernste und bekennerhafte Pathos steht in auffallender Diskrepanz zu frühen Gemälden Trübners wie seinen selbstironischen Porträts aber auch Tierbildern, mit denen "die Historienmalerei auf den Hund kam" ( Bringmann): In den 80er Jahren hatte der Künstler seine Dogge Cäsar lefzend vor einem Tisch mit unerreichbarer Knackwurstschüssel, bzw. den abgerichteten Hund mit einer über der Schnauze hängenden Wurstkette "porträtiert" und den Gemälden die pointiert-witzigen Titel "Cäsar am Rubikon", bzw. "Ave Cäsar, morituri te salutant" gegeben.

Text: Annette Frese

Literatur
Trübner, Wilhelm: Personalien und Prinzipien, 2. Aufl., Berlin 1918
Rohrandt, Klaus: Wilhelm Trübner (1851 -1917 ).Kritischer und beschreibender Katalog sämtlicher Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphik. Biographie und Studien zum Werk. Phil. Diss. Kiel 1972, 3 Bde ( maschinenschriftl.) Wilhelm Trübner. 1851 -1917. Ausstellungskatalog, Hrsg. v. Jörn Banns, Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München 1994 -1995 Bringmann, Michael: Das Gemälde "Cäsar am Rubikon" von Wilhelm Trübner - oder: Wie die Historienmalerei auf den Hund kam, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, 28/1991, S. 105 -129

 
Selbstbildnis als Dragonereinjähriger mit Pickelhaube,
1875
Öl auf Leinwand, 59 x 44 cm,
bez. oben rechts: W. Trübner
lnv. Nr. G 2564 .
 
 
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