Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Februar 2003

„Blumenkorb“
Amishquilt

Patchworkquilts der Amish-Sekte gehören heute zu den begehrtesten Sammlerstücken, v.a. die zwischen 1870 und 1935 hergestellten Stücke. Sie entsprechen in ihrer Schlichtheit, dem klaren geometrischen Aufbau und den außergewöhnlichen Farbzusammenstellungen am ehesten dem Zeitgeschmack des späten 20. Jahrhunderts. Nicht ohne Grund schenkten das Publikum, aber auch Maler der Pop- und Minimai-Art wie z.B. Barnett Newman, den 1971 in der Ausstellung "Abstract Design in American Quilts" im Whitney Museum of American Art ausgestellten Amish Quilts große Aufmerksamkeit.
 

Dabei entstanden diese Quilts nicht aus einem bewussten künstlerischen Konzept, sondern allein aus den religiösen Bestimmungen und Umständen heraus, in denen die Amish People lebten und leben.

1693 spaltete sich unter dem Schweizer Mennonitenpfarrer Jakob Ammann die Gruppe der Amischen von der protestantischen Sekte der Wiedertäufer ab, um sich noch stärker von allem Weltlichen freizumachen. Ihre rigorose Auslegung der Bibel und die strenge Lebensart trug den Amischen, die seinerzeit v.a. in Süddeutschland, dem Elsaß und in der Schweiz lebten, religiöse Verfolgungen ein, die sie dazu veranlassten, in das freiheitlichere Amerika auszuwandern. 1727 erreichten die ersten Amish Pennsylvania, wo auch heute noch die Kernzelle der Amish oder auch Plain People lebt. Ein Teil der Amish zog jedoch bald weiter in Richtung Mittlerer Westen, wo sie sich z.B. in Ohio, Indiana, Illinois, lowa oder Ontario in Kanada niederließen und in diesen spärlicher besiedelten Gebieten im Unterschied zu ihren Brüdern in Lancaster County / Pennsylvania stärkeren Kontakt zu ihren amerikanischen Nachbarn, den sogenannten "Englischen", pflegten. Die dadurch entstandene Beeinflussung bewirkte ein weniger strenges Gemeinschaftsleben der Midwest-Amish; in ihrer Grundhaltung, nämlich jeglichem Verzicht auf technische Neuerungen wie Elektrizität, Telefon oder Autos, unterschieden sie sich jedoch kaum von der Kernzelle. Diese Weitabgewandtheit findet sich auch heute noch bei den Amish People. Neben dem bereits erwähnten Verzicht auf moderne Errungenschaften sind die Wände der Holzhäuser der Amish nicht mit Tapeten oder Bildern und Spiegeln dekoriert. Lediglich die z.T. sehr farbenfrohen Quilts stellen einen gewissen Schmuck dar, sind primär aber aus funktionellen Gründen hergestellt worden: Wie die Patchworkdecken ihrer amerikanischen Nachbarn, von denen die Amish-Frauen diese Kunst übernommen haben, waren auch die Amish Quilts ursprünglich zum Wärmen gedacht. Doch bereits in der Stoffwahl manifestieren sich die grundlegenden Unterschiede, denn Amish-Frauen verwendeten in ihren Quilts niemals gemusterte Stoffe - seien sie gewebt oder bedruckt -, sondern ausschließlich unifarbene Materialien. Das Farbspektrum der pflanzengefärbten Stoffe reicht je nach Region hierbei von einer Vielzahl von Blau- und Rottönen bis hin zu Grün, Braun und Grau. Schwarz war v.a. bei den Amish-Frauen des Mittleren Westens überaus beliebt und stellt eines der Erkennungsmerkmale eines Amish Quilts dar.

Der ideologische Verzicht auf alles Überflüssige schlug sich auch in diesen Steppdecken in einem vereinfachten, abstrakten Aufbau nieder: Die einzelnen Blöcke sind meist aus den einfachen geometrischen Grundelementen Quadrat, Dreieck und Raute gestaltet, wechseln sich häufig mit unifarbenen Blöcken ab und werden bevorzugt auf die Spitze gestellt. Bestimmend ist die strenge Komposition, die in der Regel mit Spiegelungen entlang einer Horizontal- oder Vertikalachse und Reihungen arbeitet. Während sich die Quilts aus Pennsylvania durch großflächige Kompositionen aus den bevorzugten Elementen "Center Diamond" (auch "Center Square", "Diamond in the Square") und "Bars" auszeichnen, flössen in die Decken aus dem Mittleren Westen kleinteiligere Formen ein, die z.T. von den amerikanischen Nachbarn übernommen wurden. Zu diesen gehören Motive wie "Tumbling Blocks", "Ocean Waves", "Bear Paw", "Fan", "Wedding Ring" und - wie im vorliegenden Fall - "Baskets". Auch in der Wahl des Materials unterscheiden sich diese Quilts von denjenigen aus Pennsylvania, indem anstelle von Wollstoffen überwiegend Baumwolle verwendet wurde. Gemeinsam ist jedoch den Amish-Quilts aus beiden Regionen die feine, z.T. naturalistische Stepparbeit, das sogenannte "quilting", das den Decken ihren Namen gab. Diese Stepparbeit ist bei Amish-Quilts immer in schwarzem Garn ausgeführt und stellt ein weiteres wichtiges Erkennungsmerkmal dar. Als Steppmotive bevorzugten die Amish-Frauen einfache geometrische Ornamente wie Quadrat- und Rautenmuster; noch beliebter waren jedoch florale Elemente wie z.B. Federkränze, Blumen- und Blattranken, die die unterschiedlich breiten Rahmen - ebenfalls ein wichtiges Charakteristikum von Amish-Quilts - zierten.

Text: Kristine Scherer

Literatur:

Barbara Brackman: Clues in the Calico. A Guide to Identifying and Dating Antique Quilts, 1989.
Schnuppe von Gwinner: Die Geschichte des Patchworkquilts. München 1987.
Abstraktion und Farbe. Die Kunst der Amischen. Ausst. Kat. Die Neue Sammlung München 1991.
Amish Quilts of Lancaster County. Ausst. Kat. The Fine Arts Museums of San Francisco 1990.
Robert Bishop/E. Safanda: A Gallery of Amish Quilts. Design Diversity from a Plain People. New York 1976.
Petra Mattern-Pabel: Patchwork-Quilt. Geschichte und Formentwicklung. Hannover 1981.

 
 
Indiana/U.S.A., um 1910
215x168 cm,
Inv.-Nr. 2/138
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