April 2004
- Sammlungsblatt -

Wiedergefundene Bauteile aus dem Kloster St. Michael auf dem Heiligenberg

Seit vielen Jahrzehnten steht der Heiligenberg im Mittelpunkt archäologischer Forschungen. Als Beispiele seien hier- stellvertretend für viele weitere Unternehmungen - die Grabungen der Jahre 1980-1983 in der Michaelsbasilika genannt. Neben solchen gezielten wissenschaftlichen Untersuchungen sind es aber immer wieder Zufälle, die zu wichtigen archäologischen Entdeckungen führen. Einem solchen Zufall verdankt das Kurpfälzische Museum eines der heute hier vorgestellten Architekturteile.

Am Tag des offenen Denkmals 2003 veranstaltete das Kurpfälzische Museum in Zusammenarbeit mit der Schutzgemeinschaft Heiligenberg und dem Kulturamt der Stadt einen Aktionstag in der Michaelsbasilika. Im Mittelpunkt dieses Tages stand die offizielle Einweihung der neuen Informationstafeln im Kloster St. Michael. Die Veranstaltung war umrahmt von mittelalterlicher Musik und lockte nicht zuletzt wegen des herrlichen Frühherbstes viele an Archäologie Interessierte auf den Berg. Eine der Teilnehmerinnen wusste den dort anwesenden Archäologen überaus Interessantes zu berichten. Sie beschrieb den Teil einer Säule, die viel "schöner und besser erhalten" als jene heute in der Kirche aufgestellten Säulenteile sei. Das Stück liege seit den 20er Jahren in ihrem Garten und stamme vom Heiligenberg. Bereits wenige Tage später fand ein Ortstermin statt und tatsächlich konnte dabei ein sehr qualitätvolles und gut erhaltenes Kapitell aus Buntsandstein festgestellt werden. Glaubwürdig versicherten die Eigentümer, das Kapitell sei vom Vater eines Bekannten auf dem Heiligenberg gefunden worden, ihnen von diesem überlassen worden und schmücke seit dieser Zeit den heimischen Garten. Da die derzeitigen Eigentümer das Fundstück demMuseum schenkten, wurde dieses in das Lapidarium transportiert und dort von Algen und Moos gereinigt.

Der beste Kenner der Architektur des Heiligenberges, Peter Marzolff, bestätigte nach eingehender Begutachtung die Provenienz "St. Michael". Er weist es einem frühen Bauabschnitt zur heutigen Ruine zu, von dem bislang kaum Ausstattungsteile bekannt waren. Damit hat die Schenkung der Familie Schmitt an Bedeutung und das Kurpfälzische Museum ein neues Ausstellungsstück gewonnen.
Das Kapitell, der obere Abschluss einer Säule oder eines Pfeilers, übernimmt die von den oberen Bauteilen auf dem sog. Kämpfer lastenden Kräfte und leitet sie über Säule, Basis und Fundament an den Boden ab. Würfelkapitelle entstanden im frühen Mittelalter aus der Durchdringung der beiden geometrischen Formen Würfel und Kugel. Unser Kapitell vom Heiligenberg mit seinen klar umgrenzten Schildfronten gehört stilistisch in das erste Viertel des 11. Jahrhunderts, vergleichbar z.B. mit Kapitellen des Domes in Speyer (Baubeginn um 1030) und der Krypta in der St. Gallus Kirche in Ladenburg (Vorgängerbau erste Hälfte 11. Jh.). Dessen Rechteckchor besaß eine über vier ottonischen Rundstützen kreuzgratgewölbte Hallenkrypta, die sich unter dem heutigen gotischen Chor erhalten hat. Übereinstimmungen gibt es auch mit den Kapitellen der Krypta der evangelischen Pfarrkirche in Oberstenfeld, Kr. Ludwigsburg. Die Säulchen über attischen Basen dort haben einfache Würfelkapitelle und Deckplatten und gehen in das 2.Viertel des 11. Jh. zurück.

Zur gleichen Zeit ( ab 1023) wurde die Basilika auf dem Heiligenberg gegen Westen verlängert und eine transversale Krypta, auf beiden Seiten durch je einen Turm flankiert, erbaut. Die neue Anlage erinnert stark an jene von Limburg an der Haardt. Über der Westkrypta entstand eine wohl dreiteilige, analog zur Westhalle III gegen das Langhaus abgesenkte überwölbte Halle; von hier aus führten Turmtreppen zu einem Emporengeschoss. Maße, Proportionen und die sich daraus ergebende Datierung ins 2. Viertel des 11 Jh. lassen den Schluss zu, dass es sich bei dem Kapitell um ein Teil eines Stützwerkes jener Erweiterung der Michaelskirche nach Westen handelt. Am ehesten stammt es aus der westlichen Vorhalle über der Westkrypta, oder ein Stockwerk darüber, aus den Fensterarkaden des Emporengeschosses. Sie können entweder nach außen oder innen geöffnet sein.

Ein zweites Bauteil aus dem Kloster St. Michael, das im Jahre 2003 in den Besitz des Kurpfälzischen Museums Heidelberg kam, ist ein gotisches Maßwerkfenster. Maßwerk bedeutet das mit dem Zirkel ausgemessene geometrische Bauornament der Gotik. Anfangs für die Aufteilung der Bogenspitzen großer Fenster entwickelt, diente es später auch der Gliederung von Wandflächen und Giebeln. Die Maßwerkbruchstücke fanden Bauarbeiter 1984 bei Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten.

Das Fenster stammt vom nördlichen Flügel des Klosterkreuzganges. Stilistisch ist es der Zeit um 1300 (vgl. Fenster im Turm der St. Jakobuskirche in Neuenheim) zuzurechnen. Der baugeschichtliche Befund besagt, dass es im 15.Jh. erbaut worden ist, aus Teilen, die um 1300 entstanden oder im Stil jener Zeit nachgearbeitet wurden: Der ganze nördliche Flügel des wiederhergestellten Kreuzganges kopiert hochgotische Formen, wie sie im 13.Jh./14. Jh. gewesen sein dürften. Seine Baumeister praktizierten sozusagen eine Denkmalpflege vor der Denkmalpflege. Ihr Vorgehen ist recht gut zu vereinbaren mit einer historisierenden Tendenz, die mitunter das Bauschaffen des späten Mittelalters auszeichnet ( Heidelberger Zeughaus). Die Einzelteile des Zweipass-Maß-werk-Fensters wurden beim Ziegelhausener Steinmetzbetrieb Blank gelagert, vormontiert und im Kurpfälzischen Museum zur musealen Präsentation überarbeitet.

Einhard Kemmet, Renate Ludwig

Fenster, aus dem Kloster St. Michael, Heiligenberg, um 1300, Inv. Nr. MT. HD-Han 2004/2 (N.)
Würfelkapitell, wohl aus der Kirche St. Michael, Heiligenberg, 1. Viertel 11. Jahrhundert
Inv. Nr. HD-Han 2004/1. Schenkung Fam. P. Schmitt, Heidelberg (re.)
 

Literatur
Richard Reid, Bauwerke - Ein Reiseführer. Weltbildverlag 1980, S.69,S.420
Peter Anstett, in: Ladenburg, Die Altstadt als Denkmal, Sanierung als Prozess. Heinz Moos Verlag München 1982, S.88
Heinfried Wischermann, Romanik in Baden-Württemberg. Theiss Verlag 1987, S. 292
Renate Ludwig und Peter Marzolff, Der Heiligenberg bei Heidelberg. Theiss Verlag Stuttgart 1999, S.7, S.80, S.89

 
 
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