Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

April 2001

Alexej von Jawlensky (1864 - 1941): Abstrakter Kopf

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Als Teil einer großzügigen privaten Schenkung erhielt das Kurpfälzische Museum im vergangenen Jahr zwei Gemälde von Alexej von Jawlensky, darunter auch der in späteren Jahren entstandene „Kopf". Das menschliche Gesicht war zu einem Generalthema von Jawlenskys künstlerischem Schaffen geworden, wobei sein künstlerisches Credo zugleich ein religiöses war. In unzähligen Variationen suchte er nach dem allein gültigen Urbild des von ihm als göttlich empfundenen menschlichen Antlitzes. Damit stellte sich Jawlensky, der von der geistigen Sprache russischer Ikonen wie von den Mosaiken Ravennas, Venedigs und Roms gleichermaßen tief berührt war, in die Kulturtradition altrussischer und byzantinischer Kunst.
Mit dem Namen Jawlensky verbindet sich primär die Zugehörigkeit zum „Blauen Reiter", jener legendären Münchner Künstlerformation, die geprägt wurde von den beiden „Künstlerpaaren" Wassilj Kandinsky / Gabriele Münter und Alexej von Jawlensky / Marianne von Werefkin. Die beiden Aufenthalte in Murnau 1908 und 1909 zeitigten jene künstlerischen Ergebnisse, die entscheidend programmatisch auch für die folgenden Künstlergenerationen wurden.

1914 wurde Jawlensky aufgrund seiner russischen Herkunft aus Deutschland ausgewiesen und in die Schweiz abgeschoben. 1921 trennte er sich von Marianne von Werefkin und zog mittellos und verarmt mit seiner Familie, die nach der Oktoberrevolution ihren Pensionsanspruch verloren hatte, nach Wiesbaden. 1933 erhielt Jawlensky Ausstellungsverbot, ab 1937 wurden seine Werke, da „entartete Kunst", aus allen öffentlichen Sammlungen in Deutschland entfernt.

1918 entstand der erste seiner entindividualisierten konstruktiven Köpfe mit dem Titel „Urform", denen auch der nur handtellergroße Heidelberger „Abstrak-te Kopf" zuzuordnen ist, der 1933 entstand. Jawlenskys Worte „Sagen Sie jedem, dass das kein Gesicht ist. Es ist das nach unten sich Abschließende, das nach Oben sich Öffnende, das in der Mitte sich Begegnende" machen deutlich, dass ihm dabei ein äußerst reduziertes Formenarsenal genügte. Aus der Vielfalt der Erscheinungen arbeitete er das Idealtypi-sche heraus, was zu ihrer Zeit auch Marc, Klee, Schlemmer und andere Künstler in der Überzeugung taten, dass der sinnlich gegebenen Welt eine meta-physische Sphäre unsichtbarer Urformen zugrunde liegt.

Der „Abstrakte Kopf" ist eng beschnitten durch eine schwarze Konturlinie, die als Strukturrahmen der Komposition des Gesichtes dient, das wie bei Ikonen stets frontal gesehen ist und das ganze Bildformat einnimmt. Die Augen sind zu strichförmigen Zeichen geschlossen, die einen Blick nach innen suggerieren. Die Wangen sind flächenhaft farbig angelegt, die Mit-telachse durch die lange vertikale Nasenlinie betont, der gerade Mund ein waagerechter Strich, die Stirn vvird über der Nasenwurzel vorhang- oder zeltartig vom mittelgescheitelten Haar bekrönt, so dass ein strenges östlich-mystisches Gepräge entsteht, modernen Ikonen vergleichbar. Die untere Gesichtshälfte ist u-förmig geschlossen und rundet das recht-winklige Formgefüge fast heraldisch ab. Damit sind alle individuellen Züge eines Porträts in formelhaften Zeichen systematisiert und einer schematisierten symmetrischen Bildstruktur gewichen. Auch Schat-tenzonen und Lichtreflexe sind als farbige Segmente zu Formchiffren geworden. Eine fast transparente Farbigkeit, die überdies anatomische Gegebenheiten des Gesichtes unberücksichtigt lässt, erzeugt die nahezu lyrische Stimmung des kleinformatigen Gemäldes.

Annette Frese

Alexej von Jawlensky: Abstrakter Kopf, sign. u. dat. 1933
Öl auf Karton, 14 x 8,5 cm
Kurpfälzisches Museum, Inv. Nr. G 2567

Textvorlage: Kurpfälzisches Museum, Annette Frese

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