Kunstwerk des Monats
November 2010

Lokus im Fokus. Ein Frankenthaler Bourdalou

 

Bourdalou, Frankenthaler Porzellan

Das Bourdalou hat zweifellos Ähnlichkeit mit einer großen Sauciere. Mit dem Gegenstand verbindet sich jedoch eine delikate, ganz anders geartete Funktion, als die Form zunächst vermuten lässt.

Tatsächlich handelt es sich um ein Uringefäß für den weiblichen Bedarf, das zu Beginn des 18. Jhdts. aufkam. Selbst nach der Erfindung des Wasserklosetts war der „pot de chambre“ noch weit verbreitet. Am badischen Hof fand er bis ins 20. Jahrhundert hinein Verwendung.

Im 18. Jahrhundert trugen die Damen unter den weiten Röcken generell keine Hose, was den ungehinderten Gebrauch des Bourdalous erlaubte. Die ausladenden Reifröcke waren zum Sitzen ungeeignet, das Be- und Entkleiden war eine langwierige Prozedur, die nur mit fremder Hilfe zu bewerkstelligen war. Für die Verrichtung der Notdurft war daher ein Gefäß von Vorteil, das auch im Stehen verwendet werden konnte.
Die Bezeichnung „Bourdalou“ wird posthum auf den gleichnamigen französischen Hofprediger und Jesuiten Louis Bourdaloue (1632 - 1704) zurückgeführt, der zwischen 1670 und 1693 am Hof Ludwigs XIV. tätig war. Seine Predigten waren angeblich so fesselnd und ausschweifend, dass die Zuhörerinnen für ihre Notdurft den Gottesdienst nicht verlassen wollten. Historisch belegt ist diese Anekdote allerdings nicht. Die Herleitung verdeutlicht jedoch den unbefangenen Umgang mit dem „pot de chambre oblong“, den man für das 18. Jahrhundert voraussetzen muss.

Eine großzügige und unbürokratische Stiftung machte den Erwerb des seltenen Frankenthaler Bourdalous im Frühjahr 2010 für die Sammlung des Kurpfälzischen Museums möglich. Mit dieser außergewöhnlichen Neuerwerbung konnte erfreulicherweise eine Lücke im Sammlungsbestand geschlossen werden.

Text: kmh

 
 

 

Unbekannter Künstler
Pastellportrait einer Dame in grünem Kleid, Z 6194
Maße 1035 mm x 625 mm

siehe auch:

Sammlungblatt als pdf beim KMH

 
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