Kunstwerk des Monats
Dezember 2008
- Sammlungsblatt -

Max Slevogt, „Dame am Meer“, 1908

 

Max Slevogt, Dame am MeerDas umfangreiche Werk des Malers, Zeichners, Graphikers, Sängers und Pianisten Max Slevogt, dessen hohe musikalische Bildung ihren Niederschlag in Bühnenbildern wie Illustrationen zu Mozarts Werk und eindrucksvollen Bildnissen des mit ihm befreundeten Sängers Francisco d’Andrade fand, weist ihn zusammen mit Lovis Corinth und Max Liebermann als einen der führenden Vertreter des deutschen Impressionismus aus. Seine zunächst noch an der niederländischen Malerei orientierten und vom bräunlichen Galerieton der traditionellen Münchener Schule bestimmten Gemälde hellten sich um die Jahrhundertwende in Auseinandersetzung mit der französischen Malerei und der inspirierenden Szene der neuen Kunstmetropole Berlin, den dortigen Sezessionisten, zunehmend auf. Von mythologischen Themen wandte sich der Künstler dem Porträt und verstärkt der Landschaftsmalerei zu, in der er den französischen mit dem deutschen Impressionismus verband.

1908 hielt sich Slevogt auf Einladung des Berliner Paares Paul Cassirer und Tilla Durieux in Nordwijk aan Zee auf, wo das Gemälde „Dame am Meer“ entstand. Es gehört nicht mehr zu den vom Künstler am Vorbild Manets orientierten, um 1903 neu entwickelten Freilichtbildnissen, bei denen er Porträt und Landschaft thematisch verknüpfte, sondern zu seinen sechs erstmals in Holland in heller Farbpalette gemalten und von farbigem Licht durchfluteten Strandbildern.

Durch Zuschrift hat der Künstler das Werk dem mit ihm befreundeten Stuttgarter Altphilologen Dr. Philipp von Fischer gewidmet. Im Verhältnis zu seinem älteren Künstlerkollegen Max Liebermann, der seit Beginn des 20. Jahrhunderts regelmäßig an die holländische Küste fuhr und dort Strandbilder mit Sommerfrischlern, mondäner Staffage, Reitern, Badenden oder Muschelfischern malte, erscheinen die reinen Meerlandschaften Slevogts, der zu dieser Zeit auch erste Landschaftsaquarelle schuf, in ihrem spontanen Farbauftrag, ihrer beinahe schon gestischen Malweise, fortschrittlicher.

Mit „Dame am Meer“ wird die vor der Natur konzentrierte schnelle Arbeitsweise eines Impressionisten erkennbar, dessen Landschaften mit der Sicherheit des künstlerischen Zugriffs oft in nur wenigen Stunden entstanden. Der von der Lust am Sehen bestimmte Dialog zwischen Figur und Raum ist direkter malerischer Widerschein eines flüchtigen Eindrucks, doch ist die scheinbare Beiläufigkeit der einfachen Komposition überlegt kalkuliert: Die gegenläufig in offenem Malduktus pastos aufgetragenen Farbflächen von Meer und Strand sind nur durch eine kleine ans Ufer rollende Welle graphisch voneinander getrennt; ihre Gegenstandsfarben haben sich in ein abstrahiertes farbiges Lichtereignis aufgelöst. Dabei enthält die über feinen blauen Farbvaleurs hell flirrende und leicht nach rechts unten fließende graubeige Wasserfläche hohe Anteile von Gelb. Es umspielt auch den Rücken der Spaziergängerin und erzeugt hier den Eindruck intensiver Sonnenlichtreflexe.

Dagegen setzt sich der dunklere Sandstrand aus großzügig breiten, nun nach links unten laufenden, ocker- bis olivfarbenen Pinselzügen zusammen, denen die an einigen Stellen durchscheinende Leinwandstruktur eine zusätzlich trocken körnige Wirkung verleiht.

Markant akzentuiert wird die harmonisch ausgewogene, in leichter Aufsicht und Diagonale angelegte Bildordnung durch die atmosphärisch eingebundene, doch weit nach oben gesetzte weibliche Staffage. Während der für den Impressionismus typisch nahsichtige und scheinbar zufällige Landschaftsausschnitt in überwiegend horizontaler Pinselschrift erfasst ist, ist die Silhouette dieser am Ufer nach vorn gebeugt und in sich versunkenen Spaziergängerin mit Verve in konsequent senkrechten Pinselzügen gemalt. Auch ihnen haften viele Farbspuren an, die sich im Auge des Betrachters mischen.

Das Gesicht der Frau ist von einem kleinen gelbgrünen Sommerhut über dem zeittypisch im Nacken hochgesteckten dunklen Haar verschattet; zur gleichfarbenen Jacke mit bräunlich abgesetztem Kragen und Manschetten trägt sie einen bodenlangen graugrünen Rock und einen blauvioletten Sonnenschirm.

Max Slevogt hatte 1877 - 1884 in Würzburg frühe künstlerische Anregungen erhalten, bevor er 1884 an die Münchener Kunstakademie ging; 1889 war er Schüler der Académie Julian in Paris, 1890 brach er mit der akademischen Lehre in München und reiste gemeinsam mit seinem Künstlerfreund Robert Breyer nach Italien, um sich nach seiner Rückkehr als selbständiger Maler in München niederzulassen, wo er 1892 Mitglied der neugegründeten Sezession wurde.

Hier fanden erste Ausstellungen seiner Gemälde statt, 1896 veröffentlichten die Zeitschriften „Jugend“ und „Simplicissimus“ auch Zeichnungen und Karikaturen des Künstlers. 1898 heiratete Slevogt seine Jugendfreundin Antonie, genannt Nini, Finkler und besuchte mit dem befreundeten Kunsthistoriker Karl Voll eine Rembrandt- Ausstellung in Amsterdam, die ihn beeindruckte.

Sein Triptychon „Der verlorene Sohn“ wurde 1899 ein großer Erfolg in der ersten Ausstellung der neugegründeten Berliner Sezession, der er als ordentliches Mitglied beigetreten war. 1900 war Slevogt im Deutschen Pavillon der Weltausstellung mit einem Werk vertreten.

Zusammen mit Corinth siedelte er 1901 nach Berlin über, wo seine wichtigste Schaffensperiode begann. 1902 - 1910 war er Mitglied der Sezession, 1913 Vorstandsmitglied der Neuen Sezession. 1904 arbeitete er an Bühnenbildern und Kostümen für Max Reinhardts Kammerspiele des Deutschen Theaters, denen weitere Theaterarbeiten folgten. Auf einer Londonreise 1905/06 besuchte der Maler die dortigen Museen und eine Whistler-Ausstellung. 1908 hielt er sich in Holland auf, wo ihn die Seelandschaft zu ersten Strandbildern anregte, 1909 - 1911 war er mehrfach in der Pfalz.

1914 unternahm Slevogt eine Ägyptenreise, auf der als Höhepunkte impressionistischer Malerei neben Zeichnungen und Aquarellen ein Zyklus von Ölgemälden entstand, durch deren Verkauf er das schwiegerelterliche Landgut Neukastel erwerben konnte. Slevogt pendelte zwischen Berlin und der Pfalz, bevor er dieser auch in seinen Bildern thematisch immer stärker den Vorzug gab. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde er offizieller Kriegsmaler in Belgien und Nordfrankreich, 1915 Mitglied der Königlich- Sächsischen Akademie der bildenden Künste Dresden, 1917 Leiter eines Meisterateliers an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, 1922 Ehrenmitglied auch der Münchener Akademie.

1924 entstanden seine eindrucksvollen Wandbilder für den Musiksaal seines Landgutes Neukastel, wo der Künstler 1932 verstarb und beigesetzt wurde.

Annette Frese

 

Literatur:
Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt. Eine Monographie. Karlsruhe 1968
Malerfreunde. Max Slevogt und Robert Breyer. Ausst. Kat. Städtische Galerie Würzburg, Kunsthalle Wilhelmshaven, Max-Slevogt-Galerie, Schloss „Villa Ludwigshöhe“ Edenkoben 1997 - 1998. Hrsg. v. Marlene Lauter. Bremen 1998
Sigrun Paas, Max Slevogt. Gemälde 1889-1931. Ausst. Kat. Niedersächsisches Landesmuseum Hannover 1999
Max Slevogt. Die Berliner Jahre. Ausst. Kat. Von der Heydt- Museum Wuppertal, Stiftung Brandenburger Tor Berlin, Max Liebermann Haus 2005. Hrsg. v. Sabine Fehlemann. Köln 2005
Sigrun Paas, Roland Krischke, Max Slevogt in der Pfalz. Ausst. Kat. Max Slevogt-Galerie in der Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben. München, Berlin 2005


 

Dame am Meer, 1908
Sign. unten links: S. / 1. Ph. von Fischer / M Slevogt
Ö l auf Leinwand
Inv. Nr. G 2042

 
 
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