Kunstwerk des Monats
Mai 2008
- Sammlungsblatt -

Christian Xeller (1784 – 1872)
Blick auf Schloss Johannisberg von Geisenheim am Rhein, 1818

 

Christian Xeller, 1784 in Biberach an der Riß in Oberschwaben als Sohn eines Weißgerbers geboren, betrieb bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr das Handwerk seines Vaters, wobei er sich in dieser Zeit "nebenberuflich" wohl schon als "Kunstmaler" betätigte. Seiner Neigung folgend und durch die Bekanntschaft mit dem Bildnismaler und Kupferstecher Joseph Finkel, der ihn auch unterrichtete, bestärkt, kehrte er schließlich dem väterlichen Handwerk endgültig den Rücken. 1804 bis 1806 besuchte Xeller die Düsseldorfer Akademie, wo er seine erste eigentliche künstlerische Ausbildung erhielt. Richtungweisend sollte seine Düsseldorfer Zeit für ihn insbesondere durch die Bekanntschaft mit Peter von Cornelius werden, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Mit Cornelius bereiste er 1811 den Taunus, ging gemeinsam mit dem Freund nach Rom, wo er Aufnahme in den Lukasbund fand und zum katholischen Glauben konvertierte. 1813 kehrte er nach Deutschland zurück. Nach Aufenthalten in Biberach, Nürnberg und München, Frankfurt a. M. und Aschaffenburg ließ er sich 1817 für mehrere Jahre in Heidelberg nieder. In dieser Zeit entdeckte er seine Begabung für die Gemälderestaurierung und fand schließlich eine feste Anstellung in der Sammlung der Brüder Boisserée. Mit seiner Berufung als Restaurator an die Königlichen Museen in Berlin verlegte er 1825 seinen Wohnsitz nach Berlin. Stand er dem Beruf des Restaurators anfänglich auch zwiespältig gegenüber, so blieb er ihm doch bis zu seinem Tod 1872 treu.

In seiner Heidelberger Zeit war Xeller parallel zu seiner Tätigkeit als Restaurator auch als Zeichenlehrer tätig. Von seinem engen Kontakt zum Kreis der Romantiker zeugen die Namen seiner Schüler - Carl Rottmann und Georg Philipp Schmitt.

Heidelbergs Umgebung und der rege Austausch mit den ansässigen Künstlern inspirierten Xeller zu verschiedenen Landschaftszeichnungen. Ausgehend von den erhaltenen Werken kann man vermuten, dass im Bereich der Landschaft seine besondere Begabung lag, wobei er sich mit dieser Bildgattung, trotz Neigung und Interesse, bedauerlicherweise wohl nur phasenweise intensiv beschäftigte.

Im Herbst des Jahres 1818 unternahm Xeller mit einigen Freunden eine Rheinreise, von der der mitreisende Karl Barth berichtet "[...] in pekuniärer Hinsicht hatten wir die Kosten unterwegs gedeckt, indem wir mit vier anderen jungen Künstlern an der Mosel bis Trier und längs dem Rhein ungefähr 36 Zeichnungen für einen Kunsthändler zu machen hatten." Barth nimmt damit Bezug auf den 1826 in Heidelberg bei Jakob Engelmann erschienenen Band "Malerische Ansichten des Rheins, der Mosel, des Haardt und Taunusgebürges", der insgesamt 72 Ansichten nach Vorlagen von Fries, Kunz, Rottmann, Roux und Xeller vereint. Wenn Xeller die Reise wohl auch vorrangig unternahm, um alte Freunde wiederzusehen, so begeisterte ihn auch die Landschaft erneut in besonderem Maße. "[...] obgleich der Rhein mir so lange bekannt ist, so war mir sein Wiedersehen doch ganz neu und viel schöner vorgekommen, als er je in meiner Erinnerung lebte.", vermerkt Xeller in seinem Tagebuch. So entstanden während der Reise einige mit großer Präzision und Liebe zum Detail minutiös ausgeführte Landschaftszeichnungen.

Eine dieser Ansichten zeigt den Rheinlauf, Geisenheim mit dem "Rheingauer Dom" und in der Ferne Schloss Johannisberg.

Geisenheim, 772 erstmals urkundlich erwähnt und somit der früheste bekannte Ort des Rheingaus, liegt am Rhein zwischen Wiesbaden und Rüdesheim. Bekannt ist die katholische Pfarrkirche Heilig Kreuz, der so genannte "Rheingauer Dom", eine spätgotische Hallenkirche, die einem im 12. Jahrhundert urkundlich erwähnten romanischen Vorgängerbau folgte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb jedoch vorerst das romanische Westwerk der Kirche erhalten, bis man es wegen Baufälligkeit abreißen musste und in den 1830er Jahren eine neugotische Doppelturmfassade errichtete. Im Stadtteil Johannisberg liegt auf einer Hügelkuppe das gleichnamige Schloss Johannisberg. Das einstige Benediktinerkloster ist nach wechselvoller Geschichte heute ein

traditionsreiches Weingut. Xellers Landschaftszeichnung steht in der Tradition der sich seit der Blütezeit der niederländischen Landschaftsmalerei bis hin zu den ideal verklärten Landschaften Claude Lorrains entwickelten Kompositionsschemata. In diesem Sinne wählt er einen dreizonigen Bildaufbau mit einer von Horizontalen, Vertikalen und Diagonalen eingefassten Tiefenöffnung, die den Blick des Betrachters zielgerichtet über die Stadt mit dem prominenten Kirchbau hinweg in die Ferne Richtung Schloss Johannisberg leitet.

Im Vordergrund mit seiner liebevoll bis ins kleinste Detail gezeichneten üppigen Vegetation und Staffage (zwei Wäscherinnen auf dem Weg zum Fluss) rahmen zwei senkrecht aufstrebende Bäume den Blick in die Ferne. Zudem "führt" von links ein parabelförmiger Weg den Betrachter gewissermaßen in die Ansicht hinein. Seine Entsprechung findet der Pfad in der im Mittelgrund gegenläufig angelegten Rheinschleife, die dem Fuß- und Fahrweg auch Reise und Transport zu Wasser, die Rheinschifffahrt gegenüberstellt. Vor der Stadt erstrecken sich neben Kuhweiden auch Bleich- und Trockenwiesen, die Xeller mit zahlreichen Staffagefiguren liebevoll erzählerisch und sehr lebendig gestaltet. Geisenheim selbst mit dem prominenten Kirchbau schiebt sich links in Bild. Zeitlich vor dem Abriss des alten Westwerks entstanden, zeigt Xellers Zeichnung noch die ursprünglichen romanischen Westtürme der Kirche. Die sich hinter der Stadt erhebende Hügellandschaft scheint mit ihren zarten Schraffuren in der Ferne leicht zu verschwimmen und verstärkt so den Eindruck räumlicher Tiefe. Dort auf einer Kuppe, leicht aus der Mitte gerückt, erhebt sich Schloss Johannisberg.

Xellers Ansicht von Schloss Johannisberg offenbart seine souveräne Beherrschung des kompositionellen Aufbaus weitgefasster Landschaftsräume und seinen Blick für Details, die er mit dem spitzen Bleistift mit herausragender Akkuratesse festhält. Die druckgraphische Umsetzung für Engelmanns Sammelband kann der Feinheit und dem Detailreichtum der Zeichnung nur teilweise gerecht werden.

Anja-Maria Roth

 

Literatur
Cornelius, Peter von und Xeller, Christian: Die Taunusreise beschrieben und gezeichnet von Peter Cornelius und Christian Xeller. Hrsg. vom Verlag Franz Hanfstaengl. Mit einer Einf. von Rosy Schilling. München 1923.
Griesinger, Peter: Christian Xeller (1784-1872). Ein Biberacher Landschaftszeichner der Romantik. Biberach a. d. Riß 1966.
Bernhard, Marianne (Hrsg.): Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 2. München 1973. S. 1947-1959.
Steinsdorff, Sibylle von: "Bettina Arnim lässt grüßen... ." Christian Xeller, ein Maler im Umkreis Bettine von Arnims in Berlin. Mit einem unveröffentlichten Brief Xellers an Peter Cornelius vom 23. Mai 1826, in: Christophersen, Claudia u.a. (Hrsg.): Romantik und Exil. Würzburg 2004. S. 170-180.


 

Am unteren Darstellungsrand mittig mit Bleistift bezeichnet: Johannis=Berg am Rhein.
Bleistift, 21,2 x 26,1 cm
Inv.Nr. Z 2197

 
 
siehe auch:

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