Kunstwerk des Monats
Februar 2008

Guido Schmitt (1834 - 1922)
Der Rathausbrand am 2. März 1908

 

In der Nacht vom 1. auf den 2. März 1908 brannte das Heidelberger Rathaus. Dies war einer der spektakulärsten Brände in der jüngeren Stadtgeschichte, zugleich die erste große Herausforderung für die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu strukturierte und technisch modernisierte Heidelberger Feuerwehr.

Am Rosenmontag, kurz nach ein Uhr morgens, während sich die fastnachtsbegeisterten Heidelberger noch in den Ballsälen vergnügten, brüllte ein als Bajazzo kostümierter Narr aus voller Kehle auf dem Marktplatz "Feurio". Hohe Flammen schlugen aus dem Dachstuhl des Rathauses, um dessen Um- bzw. Erweiterungsbau man sich im Heidelberger Bürgerausschuss schon seit mehr als zehn Jahren heftig gestritten hatte. Jetzt drohte das Feuer, das aus nie geklärten Gründen im Dachgeschoss des Rathauses ausgebrochen war, eine Entscheidung zu erzwingen.

Alles ging so schnell, dass bereits sämtliche Telefondrähte im Rathaus geschmolzen waren, so dass Polizei- und Feuerwache telefonisch vom nahe gelegenen Hotel Prinz Carl alarmiert werden mussten. Ein böiger Ostwind entfachte einen heftigen Flammenregen, der sich westwärts ergoss und über der Heiliggeistkirche niederfiel. Als endlich die alarmierte Feuerwehr auf dem Marktplatz eintraf, stand nicht nur das Rathaus in hellen Flammen, sondern die Funken zündelten bereits auf dem Dach des Chores und der Turmkuppel der Heiliggeistkirche. Vorbei an den aufgeschreckt herbeigelaufenen Bürgern, die teilweise noch in Fastnachtsverkleidung das flammende Inferno von der Hauptstraße bestaunten und so durch ihre Neugierde die Löscharbeiten noch zusätzlich behinderten, brachten die Feuerwehrmänner ihre Wasserspritzen in Stellung, mit denen sie unablässig Löschwasser in die oberen Geschosse des Rathauses spritzten. Aber auch auf der Heiliggeistkirche mussten Feuerwehrmänner eingesetzt werden, um die durch Funkenflug entstandenen Brände zu löschen. Hier war es der Dachdeckermeister Fetzer und sein Kamerad Müller, die tapfer und entschlossen das Dach der Heiliggeistkirche erklommen, sich in schwindelnder Höhe einer auf die Schultern des anderen stellte und das Feuer mit der Axt vom Holzwerk herabhieben.

Inzwischen war im Rathaus der brennende Dachstuhl zusammengebrochen und auch der seitliche Anbau stürzte zusammen. Über Leitern gelang es schließlich den Feuerwehrmännern, in das schwer beschädigte obere Stockwerk vorzudringen und durch den gezielten Einsatz von Löschwasser das Feuer nach und nach zu ersticken. Auf diese Weise konnte wenigstens der Saalbau mit dem Rathaussaal vor den Flammen gerettet werden. Der Hauptbau selber hatte jedoch durch die Flammen, aber auch durch das zum Löschen eingesetzte Wasser erheblichen Schaden genommen.

Das Kurpfälzische Museum besitzt mehrere Gemälde des großen Rathausbrandes von 1908. Das anspruchsvollste hat Guido Schmitt, Spross der bekannten Heidelberger Malerfamilie, gleich nach dem Brand ausgeführt. Es zeigt den Dachstuhl des Rathauses in hellen Flammen und die Wasserstrahlen, die aus den Schläuchen der Löschmannschaften in das brennende Obergeschoss hinaufsteigen. Bedrohlich ergießt sich der sprühende Funkenflug in Richtung Heiliggeistkirche, deren angeschnittene Architektur den linken Bildrand als Repoussoir begrenzt. Die gegenüber am rechten Bildrand erkennbare Straßenuhr zeigt 2.40 Uhr. Im Vordergrund erklärt ein kostümierter Clown, möglicherweise derjenige, der das Feuer als erster bemerkt hat, den Umstehenden mit ausladender Geste die Situation. Hinter ihm macht sich aus der dunklen Menschenmenge ein uniformierter Polizist bemerkbar. Der ausgestreckte Zeige?nger seiner rechten Hand zeigt ihn entschlossen, den Clown und die anderen Schaulustigen, welche die Löscharbeiten behindern, zurückzudrängen. Tatsächlich hatten die Ordnungskräfte alle Hände voll zu tun, die Menge der Neugierigen zu entfernen, teilweise musste zur besseren Durchführung der Absperrung sogar das Seitengewehr aufgepflanzt werden.

Nicht zuletzt durch seine kontrastierende Lichtführung bringt Guido Schmitt die nächtliche Dramatik des Rathausbrandes eindrucksvoll zur Geltung. Dies ganz im Gegensatz zu einer Bilderserie, die der Heidelberger "Schnellmaler" Adolf Hacker bereits bei Tagesanbruch angefertigt und zum Kauf ausgestellt hatte. ("Heiliggeistkirche mit Volksmenge in der Nacht des Rathausbrandes, der wackeren Feuerwehr gewidmet für ihre ruhmvolle Tätigkeit", Inv. Nr. G 2318; "Rathausbrand 1908", Inv. Nr. G 2171, "Rathaus vor dem Brand", Inv. Nr. G 2172). Es wurde gemunkelt, Hacker habe die Bilder schon fertig gehabt, als noch die Flammen aus dem Rathaus schlugen, und so verdächtigte man ihn deshalb der Brandstiftung. Tatsächlich erhielt Hacker Wochen später eine Vorladung zur Polizei. Der unschuldige Maler soll allerdings sehr erleichtert gewesen sein, als ihn der verhörende Polizeibeamte auf das Datum der Vorladung aufmerksam machte. Es war der 1. April.

Frieder Hepp

 

Literatur:
Martin Langner (Hrsg.), Feuer schwarz. Eine deutsche Feuerwehrgeschichte am Beispiel Heidelbergs, Heidelberg 1996.
Festschrift 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Heidelberg-Altstadt, 13 bis 16. August 1982.

Guido Schmitt (1834 - 1922)
Der Rathausbrand am 2. März 1908
1908
Öl auf Leinwand, 76 x 56 cm
Inv. Nr. G 187

 
 
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