Kunstwerk des Monats
Januar 2006
- Sammlungsblatt -

Josef Anton Koch: Subiaco, 1810

Der Zeichner, Radierer und Maler Joseph Anton Koch gilt als „Erneuerer der Kunst“ seiner Zeit. Entscheidenden Einfluss auf Kochs künstlerische Entwicklung hatten die Werke Nicolas Poussins (1594-1665) und des deutschen Historienmalers Jacob Asmus Carstens (1754-1798). Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit deren Oeuvre entwickelte er entscheidende Kriterien seiner eigenen Bildsprache, die in der idyllischen bis heroischen Umsetzung des Landschaftsraumes zu einer dichterischen Gesamtkomposition gipfelte.


Von revolutionärem Gedankengut beseelt wandte der junge Koch dem starren Akademiebetrieb der Hohen Karlsschule in Stuttgart den Rücken und begab sich über Frankreich und die Schweiz nach Italien, wo er sich 1795 in Rom niederließ. Da Koch in seiner Wahlheimat Rom und der näheren Umgebung eine ihn inspirierende Kultur- und Naturlandschaft entdeckte, verließ er die Gegend mit Ausnahme eines Wienaufenthaltes (1812- 1815) bis zu seinem Tod nicht mehr. Beeinflusst von Carstens, seinem hochverehrten Freund, der sich ebenfalls in Rom niedergelassen hatte, stellte Koch sein Interesse für die Naturdarstellung zurück und widmete sich in Rom zunächst literarischen Themen (u. a. Dante, Homer, Shakespeare). Außerdem entstanden in dieser Zeit zahlreiche Studien nach bedeutenden Werken alter Meister. Parallel zu dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Sujet Mensch im biblischen, mythologischen oder literarischen Kontext nahm die Beschäftigung mit geologischen und vegetativen Erscheinungsformen in seinem Oeuvre jedoch bald wieder eine zentrale Rolle ein, denn die Wurzeln für Kochs Naturbegeisterung - insbesondere sein Enthusiasmus für die Bergwelt - reichten bis in seine Jugendjahre, die er als Hirte in der Alpenlandschaft Tirols verbracht hatte, zurück. Die unvergleichliche Schönheit und Erhabenheit der Schweizer Alpen, der hoch aufragenden Gipfel und der tief in die Berge eingeschnittenen Täler berührte ihn zudem zutiefst während eines zweijährigen Schweizaufenthaltes (1792-1794), der seine künstlerische Entwicklung maßgeblich prägte. Seine Begeisterung schlug sich in seinen umfangreichen Skizzenbüchern nieder. Ausgehend von diesen Skizzen entstanden später - die Alpenmalerei revolutionierende - heroische Landschaften wie der „Schmadribachfall“.
Die „Fülle der Körperlichkeit“ des Gebirges, die geologische Beschaffenheit des Felsens und die monumentale Formation des Gesteins stellten für den jungen Künstler ein Symbol der ungezügelten Freiheit des Menschen dar. In den italienischen Landschaften um Rom fand Koch diese Symbolkraft der felsigen Berge - landschaftlich eingebunden bzw. gesteigert zu malerischen Naturkompositionen - wieder.
Während er sie durchwanderte, hielt er diese von der Natur gleichsam vorgefertigten Landschaftskompositionen mit ihren reißenden Flüssen, tief ins Gelände eingeschnittenen Tälern und sich wunderbar gestaffelt auftürmenden Hügeln und Bergen in zahlreichen Skizzen und Studien fest. Dieses Empfinden der an idealen Motiven reichen Landschaft formulierte bereits der Dichter Johann Jacob Wilhelm Heinse 1787: „Man hat hier reizende Aussichten hin überall und verschiedne Landschaften, jede so vollkommen für Gemälde, um sie schier nur abzunehmen.“
Die Radierung „Subiaco“, das siebte Blatt der 20-teiligen druckgrafischen Folge „Römische Ansichten“ aus dem Jahre 1810, bezeugt in eindrucksvoller Weise Kochs außergewöhnliche malerische Umsetzungskraft seiner Naturstudien. Für dieses und alle Blätter, die der Darstellung römischer Stadtlandschaften und der Umgebung Roms gewidmet sind, entwickelte Koch basierend auf seinen Vorzeichnungen und Skizzen der römischen Bergwelt klar gegliederte und mit Staffage versehene Landschaftskompositionen, die er in malerisch anmutenden Radierungen druckgrafisch umsetzte.
Die Ansicht „Subiaco“ zeigt im Vordergrund eine kleine Anhöhe mit einem Pfad, der sich diagonal von rechts kommend bis zum unteren Darstellungsrand erstreckt und von einer munter dahinziehenden Ziegenherde bevölkert wird. Als „Gegendiagonale“ des Weges erhebt sich im Vordergrund links, leicht nach hinten versetzt, ein weiterer Hügel, auf dem sich ebenfalls eine Ziegenherde befindet. Dieses System der kompositorischen Verzahnung und des Ausgleichs in der stark tiefenräumlich angelegten Landschaftsdarstellung setzt sich bis in den Hintergrund fort. Der komplexe Tiefenraum öffnet sich dem Betrachter in diagonalen Raumschichten, die auf die sonnenbeschienene Ortschaft Subiaco im Mittelgrund hinleiten. Deren kubische Bauformen staffeln sich an einem Berghang hinauf, bekrönt von einem monumentalen Kastell, das gleichsam in den Wolken über der Ortschaft zu thronen scheint. Unterhalb der Stadt windet sich der Fluss Anio durch das Tal. Verstärkt wird die durch die Komposition bereits angelegte Tiefenwirkung durch die fein nuancierte Hell-Dunkel-Abstufung der Radierung. Dem durch Bäume und Buschwerk verschatteten Vordergrund steht das helle, fast zart bzw. dunstig verklärt wirkende Gebirge im Hintergrund „gegenüber“. Alle für sich autonomen Bildbereiche verbinden sich auf diese Weise zu einer festen verwachsenen Bildstruktur aus Gewicht und Gegengewicht.
Mittels einer zurückhaltend eingesetzten figürlichen Staffage fügt Koch den Aspekt Mensch und Tier in der Natur ein. Der Mensch erscheint hier, sei es als Ziegenhirte oder als Jäger, als Teil des großartigen Naturstücks bei seinem Tagwerk und verkörpert das ursprüngliche Dasein. Zugleich scheinen die Hirten mit ihren Herden an die friedvolle Pastorale, an die Ursprünge des Arkadiengedankens anzuknüpfen.
Im Zusammenspiel aus kahlen Felsen, grünen Hügeln, dem dicht bebauten Architekturkomplex der Ortschaft und den vegetativen Oasen aus Bäumen und Sträuchern verbindet Koch in meisterlicher Technik einen konkreten Natureindruck zu einer in sich geschlossenen Landschaftskomposition, die das Wesentliche, den spezifischen Charakter der Naturregion um Subiaco einfängt.
Mit den Stadt- und Gebirgslandschaften der „Römischen Ansichten“ schuf sich Koch ein Repertoire an italienischen Landschaftsradierungen, auf die er bis ins Spätwerk zurückgriff. So entstand u. a. anknüpfend an die Radierung „Subiaco“ ein heute verschollenes Ölgemälde.
Als Landschaftsmaler strebte Koch weder die bloße Wiedergabe eines Naturausschnittes im Sinne einer von ihm abgelehnten Vedutenkunst Jakob Philipp Hackerts an, noch beabsichtigte er eine romantische Landschaftsstimmung wie Caspar David Friedrich zu vermitteln. Seine Landschaftsdarstellungen müssen als auf genauen Naturstudien beruhende und mit Hilfe seiner Vorstellungskraft zu „Landschaftsideen“ erhöhte Werke verstanden werden.

Text: Olga Kreter, Anja-Maria Roth

Literatur:
Andresen, Andreas: Die deutschen Maler-Radierer (Peintres-Graveurs) des neunzehnten Jahrhunderts nach ihrem Leben und Werk, Bd. 1, Hildesheim 1971, S. 9 - 30.
Holst, Christian von (Hrsg.): Joseph Anton Koch, 1768 - 1839, Ansichten der Natur, Stuttgart 1989, S. 59 - 62, 225 - 228.
Lutterotti, Otto von: Joseph Anton Koch, 1768 - 1839, Leben und Werk, München/Wien 1985, S. 59 - 63.
Riccardi, Domenico (Hrsg.): Joseph Anton Koch (1768 - 1839), römische Ansichten/ Vedute romane, Ausstellungskatalog, Villa de Pisa, Olevano Romano 2000

 
Joseph Anton Koch (Obergiblen/Lechtal 1768 – 1839 Rom)
Subiaco“, 1810
Blatt 7 aus der Folge „Römische Ansichten“ Radierung;
16,9 x 22,5 cm (Platte)
Mit dem Titel, Nummer und Namenszug in der Platte: „Subiaco“, „7“,„Koch fece“
Inv. Nr. S 9047


Bild: Museum (E. Kemmet)
 
 
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