Von revolutionärem
Gedankengut beseelt wandte der junge Koch dem starren Akademiebetrieb
der Hohen Karlsschule in Stuttgart den Rücken und begab sich über
Frankreich und die Schweiz nach Italien, wo er sich 1795 in Rom
niederließ. Da Koch in seiner Wahlheimat Rom und der näheren Umgebung
eine ihn inspirierende Kultur- und Naturlandschaft entdeckte,
verließ er die Gegend mit Ausnahme eines Wienaufenthaltes (1812-
1815) bis zu seinem Tod nicht mehr. Beeinflusst von Carstens,
seinem hochverehrten Freund, der sich ebenfalls in Rom niedergelassen
hatte, stellte Koch sein Interesse für die Naturdarstellung zurück
und widmete sich in Rom zunächst literarischen Themen (u. a. Dante,
Homer, Shakespeare). Außerdem entstanden in dieser Zeit zahlreiche
Studien nach bedeutenden Werken alter Meister. Parallel zu dieser
künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Sujet Mensch im biblischen,
mythologischen oder literarischen Kontext nahm die Beschäftigung
mit geologischen und vegetativen Erscheinungsformen in seinem
Oeuvre jedoch bald wieder eine zentrale Rolle ein, denn die Wurzeln
für Kochs Naturbegeisterung - insbesondere sein Enthusiasmus für
die Bergwelt - reichten bis in seine Jugendjahre, die er als Hirte
in der Alpenlandschaft Tirols verbracht hatte, zurück. Die unvergleichliche
Schönheit und Erhabenheit der Schweizer Alpen, der hoch aufragenden
Gipfel und der tief in die Berge eingeschnittenen Täler berührte
ihn zudem zutiefst während eines zweijährigen Schweizaufenthaltes
(1792-1794), der seine künstlerische Entwicklung maßgeblich prägte.
Seine Begeisterung schlug sich in seinen umfangreichen Skizzenbüchern
nieder. Ausgehend von diesen Skizzen entstanden später - die Alpenmalerei
revolutionierende - heroische Landschaften wie der „Schmadribachfall“.
Die „Fülle der Körperlichkeit“ des Gebirges, die geologische Beschaffenheit
des Felsens und die monumentale Formation des Gesteins stellten
für den jungen Künstler ein Symbol der ungezügelten Freiheit des
Menschen dar. In den italienischen Landschaften um Rom fand Koch
diese Symbolkraft der felsigen Berge - landschaftlich eingebunden
bzw. gesteigert zu malerischen Naturkompositionen - wieder.
Während er sie durchwanderte, hielt er diese von der Natur gleichsam
vorgefertigten Landschaftskompositionen mit ihren reißenden Flüssen,
tief ins Gelände eingeschnittenen Tälern und sich wunderbar gestaffelt
auftürmenden Hügeln und Bergen in zahlreichen Skizzen und Studien
fest. Dieses Empfinden der an idealen Motiven reichen Landschaft
formulierte bereits der Dichter Johann Jacob Wilhelm Heinse 1787:
„Man hat hier reizende Aussichten hin überall und verschiedne
Landschaften, jede so vollkommen für Gemälde, um sie schier nur
abzunehmen.“
Die Radierung „Subiaco“, das siebte Blatt der 20-teiligen druckgrafischen
Folge „Römische Ansichten“ aus dem Jahre 1810, bezeugt in eindrucksvoller
Weise Kochs außergewöhnliche malerische Umsetzungskraft seiner
Naturstudien. Für dieses und alle Blätter, die der Darstellung
römischer Stadtlandschaften und der Umgebung Roms gewidmet sind,
entwickelte Koch basierend auf seinen Vorzeichnungen und Skizzen
der römischen Bergwelt klar gegliederte und mit Staffage versehene
Landschaftskompositionen, die er in malerisch anmutenden Radierungen
druckgrafisch umsetzte.
Die Ansicht „Subiaco“ zeigt im Vordergrund eine kleine Anhöhe
mit einem Pfad, der sich diagonal von rechts kommend bis zum unteren
Darstellungsrand erstreckt und von einer munter dahinziehenden
Ziegenherde bevölkert wird. Als „Gegendiagonale“ des Weges erhebt
sich im Vordergrund links, leicht nach hinten versetzt, ein weiterer
Hügel, auf dem sich ebenfalls eine Ziegenherde befindet. Dieses
System der kompositorischen Verzahnung und des Ausgleichs in der
stark tiefenräumlich angelegten Landschaftsdarstellung setzt sich
bis in den Hintergrund fort. Der komplexe Tiefenraum öffnet sich
dem Betrachter in diagonalen Raumschichten, die auf die sonnenbeschienene
Ortschaft Subiaco im Mittelgrund hinleiten. Deren kubische Bauformen
staffeln sich an einem Berghang hinauf, bekrönt von einem monumentalen
Kastell, das gleichsam in den Wolken über der Ortschaft zu thronen
scheint. Unterhalb der Stadt windet sich der Fluss Anio durch
das Tal. Verstärkt wird die durch die Komposition bereits angelegte
Tiefenwirkung durch die fein nuancierte Hell-Dunkel-Abstufung
der Radierung. Dem durch Bäume und Buschwerk verschatteten Vordergrund
steht das helle, fast zart bzw. dunstig verklärt wirkende Gebirge
im Hintergrund „gegenüber“. Alle für sich autonomen Bildbereiche
verbinden sich auf diese Weise zu einer festen verwachsenen Bildstruktur
aus Gewicht und Gegengewicht.
Mittels einer zurückhaltend eingesetzten figürlichen Staffage
fügt Koch den Aspekt Mensch und Tier in der Natur ein. Der Mensch
erscheint hier, sei es als Ziegenhirte oder als Jäger, als Teil
des großartigen Naturstücks bei seinem Tagwerk und verkörpert
das ursprüngliche Dasein. Zugleich scheinen die Hirten mit ihren
Herden an die friedvolle Pastorale, an die Ursprünge des Arkadiengedankens
anzuknüpfen.
Im Zusammenspiel aus kahlen Felsen, grünen Hügeln, dem dicht bebauten
Architekturkomplex der Ortschaft und den vegetativen Oasen aus
Bäumen und Sträuchern verbindet Koch in meisterlicher Technik
einen konkreten Natureindruck zu einer in sich geschlossenen Landschaftskomposition,
die das Wesentliche, den spezifischen Charakter der Naturregion
um Subiaco einfängt.
Mit den Stadt- und Gebirgslandschaften der „Römischen Ansichten“
schuf sich Koch ein Repertoire an italienischen Landschaftsradierungen,
auf die er bis ins Spätwerk zurückgriff. So entstand u. a. anknüpfend
an die Radierung „Subiaco“ ein heute verschollenes Ölgemälde.
Als Landschaftsmaler strebte Koch weder die bloße Wiedergabe eines
Naturausschnittes im Sinne einer von ihm abgelehnten Vedutenkunst
Jakob Philipp Hackerts an, noch beabsichtigte er eine romantische
Landschaftsstimmung wie Caspar David Friedrich zu vermitteln.
Seine Landschaftsdarstellungen müssen als auf genauen Naturstudien
beruhende und mit Hilfe seiner Vorstellungskraft zu „Landschaftsideen“
erhöhte Werke verstanden werden.
Text:
Olga Kreter, Anja-Maria Roth
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