Seit dem 20. September 2014 zeigt das Museum LA8 in Baden- Baden
die Ausstellung "KRIEG SPIELEN. Kunst und Propaganda vor
dem Ersten Weltkrieg".
Krieg ist kein Spiel – aber
die Vorbereitung auf einen Krieg oft schon. Der Erste Weltkrieg
hatte, nicht nur in Deutschland, eine lange Vorlaufphase. Die
Kinder bekamen Kriegsspielzeug und Matrosenanzüge geschenkt.
Die militärischen Strategen spielten verschiedene Szenarien
durch. Lobbygruppen spielten die Bedrohung Deutschlands durch
seine europäischen Nachbarn hoch. Der deutsche Kaiser Wilhelm
II. spielte sich selbst, ohne seine Rolle als oberster Repräsentant
der Nation auszufüllen. Das Attentat von Sarajewo führte
zu internationalen Verwicklungen, nicht nur die deutsche Diplomatie
spielte verrückt – das Spiel war aus, es wurde grausam
ernst.
„Krieg spielen“ – 100 Jahre nach Ausbruch
des Ersten Weltkrieges verharmlost die Ausstellung mit Kinderspielzeug
und Familienfotografien aus der Kaiserzeit die Katastrophe nicht.
Indem sie nach der alltäglichen, spielerischen Gewöhnung
an Feindbilder und Obrigkeitskult fragt, geht sie den Vorbedingungen
nach. Mehr als dem bösen Bildfaszinosum des Krieges widmen
sich Ausstellung und Katalog der heilen und bewohnbaren Welt,
die im Krieg unterging. Lebendig wird das damalige Leben in idyllisch
anmutenden Städten, Gartenlauben, behaglichen Wohnungen
und bei Familienfesten auf den historischen Fotografien von Caspar,
Wilhelm und Robert Martin Eltner aus der Sammlung Simone Demandt.
Die bisher unveröffentlichten Motive zeigen eine eigenartige,
kindliche Heiterkeit vor dem nahen Abgrund des Ersten Weltkrieges.
Das drohende Unheil wird in diesen Fotografien vor 1914 zwar
inszeniert, aber von den Beteiligten vor und hinter der Kamera
nicht ernst genommen. Das vermeintliche Wahrheitsmedium Fotografie
verführt die Erwachsenen zur kindlich magischen Fiktionalisierung
der technischen und militärischen Realitäten. Diese
gespenstische Ambivalenz macht die Aufnahmen aus scheinbar rein
privater Perspektive zu historischen Dokumenten einer epochalen
Illusion.
Bild oben: Geschütz von 1900.
Sammelbildchen zu F. Ad. Richters Chokoladen und Cacao-Produkten,
undatiert.
Privatsammlung Baden-Baden
Die Widersprüche der Zeit vor 1914 – technologischer
Fortschritt und obrigkeitsstaatliche Repression, souverän
gesteuerter Wirtschaftsboom und schwankende politische Führung – spiegeln
sich in vielen Gegenständen und Bildern der Alltagskultur
seit 1900 wider. Die politische Karikatur, von der hervorragende
Exemplare in der Ausstellung zu sehen sind, lief vor 1914 zu
beißender, hellsichtiger Hochform auf – und konnte
bei aller Übertreibung den kommenden Horror kaum voraussehen.
Aus heutiger Sicht ist eine andere Bildwelt aufschlussreicher.
"Nur nicht ängstlich!“ Kladderadatsch, Kaiserjubiläums-Nr.
vom 15. Juni 1913. Universitätsbibliothek Heidelberg, G 5442-3
Folio RES
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kla
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