Die Pfahlbauer

  

Die Pfahlbauer - Welt im Umbruch

Ausstellung im Kurpfälzishcen Museum HeidelbergIm Winter 1854 wurde am Ufer des Zürichsees die erste Pfahlbausiedlung entdeckt. Das Ereignis bedeutete eine archäologische Sensation, welche auf weltweites Interesse stiess und einen Meilenstein in der Entwicklung der Archäologie darstellte. Die Entdeckung der Pfahlbauten eröffnete der Archäologie neue Dimensionen, die über die Welt der Gräber und der Toten hinausging. Die Objekte aus den Seeufersiedlungen gaben Zeugnis vom alltäglichen Leben. So rückte die Urgeschichte in die unmittelbare Nähe des modernen Betrachters.
Noch interpretierte man allerdings die Funde dahingehend, dass die Häuser auf gemeinsamen Plattformen im See standen - und das romantische Bild vom Leben der Ur-Schweizer auf dem See entstand.
Später zeigte sich, dass Seeufer- und Moorsiedlungen keine schweizerische Eigenschaft darstellen: Es handelt sich vielmehr um ein Phänomen, das von der Jungsteinzeit (ca. 4300 v. Chr.) bis zum Ende der Bronzezeit um 800 v. Chr. rund um die Alpen (von Ostfrankreich und Süddeutschland bis nach Italien und Slowenien) verbreitet war. Darüber hinaus wurde das Bild von auf Seeplattformen errichteten Dörfern nach dem 2. Weltkrieg verworfen. Man erkannte, dass die Seen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Wasserstände hatten, so dass die Siedlungen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit nicht im See, sondern am Ufer standen.
Im Verlauf dieser langen Siedlungsgeschichte veränderte der Mensch nicht nur die Landschaft, indem er für seinen Holzbedarf und den Ackerbau den Wald zurückdrängte, es gelang ihm auch mit grundlegenden technischen Innovationen seine Welt entscheidend zu verändern. Erfindungen wie die Metallverarbeitung oder Rad und Wagen ermöglichten eine verbesserte Nahrungsversorgung und den Handel mit weit entfernten Regionen.
Die Archäologie der Pfahlbauten beruht auf der Tatsache, dass der besonders geringe Sauerstoffanteil im Wasser auch Holz, Textilien und Nahrungsreste, die üblicherweise in wenigen Jahren zerfallen wären, konservierte. So treten bei Niedrigwasserständen immer wieder Überreste von Pfählen aus dem Schlick hervor. Grabungen erfolgen entweder durch Trockenlegung der Fundfläche oder mit den Mitteln der Unterwasserarchäologie.

Warum wurde auf Pfähle gebaut?
Die Seen des Alpenvorlandes verzeichnen in Abhängigkeit vom jährlichen Wasserzufluss hohe Schwankungen des Wasserstands. Während im Winter durch den Schneefall in den Bergen wenig Wasser zufließt, wirken sich die Zuflüsse der Schmelzwässer im Frühjahr, die ab März einsetzen, besonders kräftig aus. Sie können den Seespiegel in nur drei Monaten um drei Meter wachsen lassen. Im Jahresmittel schwankt der Spiegel des Bodensees heute zwei Meter.
Im Wechselspiel zwischen Sedimentation und Erosion veränderten sich vor dem Eingriff des Menschen Uferlinie und Untergrund ständig. Die Menschen mussten eine Balance finden zwischen der Siedlung in unmittelbarer Nähe des Wassers - für Fischfang und Transport - und der Notwendigkeit, ihre Häuser auch bei hohen Wasserständen trocken zu halten. Das war nur mit der Bauweise der Häuser auf Pfählen möglich, die auch heute noch in anderen Gegenden der Welt eine weit verbreitete Siedlungsweise darstellt.
Dass die Pfahlbauten dagegen zum Schutz vor Feinden in den See hineingebaut wurden, kann in den Bereich der Märchen verwiesen werden.

 
Die Ausstellung, die das Schweizerische Landesmuseum Zürich zum 150. Jubiläum der Pfahlbaufunde konzipierte. ist in Deutschland nur in Heidelberg zu sehen. Eigens für diese Station wurde eine Installation verwirklicht, die die 100 berühmtesten und zum Teil skurrilen Funde aus den Pfahlbausiedlungen in eine stimmungsvolle Seeuferlandschaft setzt. Auf nachgebildeten Sandbänken, zwischen Kies und Schilf sind "Pfahlbaufunde" gestreut, eingefasst in einfache Glashauben. Die Lage der Funde folgt einzelnen Lebensräumen, wie etwa "Wirtschaft am See - Die Fischer", "Die Bauern - Revolution mit der Steinsichel" oder aber "Ein Tempel aus der Bronzezeit?". Das flirrende türkisblaue Licht und ein raumhohes, darauf abgestimmtes Unterwasserbild unterstreichen die Stofflichkeit der Objekte. Im Vordergrund steht dabei die Ästhetik und die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die die jahrtausendealten Formen, Verzierungen und Materialien in neuem Glanz erstrahlen lassen.
Etwa 6000 Jahre reicht der Blick zurück in die Vergangenheit - auf die Lebensgewohnheiten der damaligen Menschen. Die Faszination der Gegenstände liegt im Detail. Viele der Funde aus dem prähistorischen Alltag - in aufwändiger und hochmoderner Arbeit restauriert - wirken, als hätte sie ihr ursprünglicher Besitzer eben erst aus der Hand gelegt. Von gerade gesammelten Wildäpfeln über hölzerne Küchenhelfer und Spielzeug bis hin zu Kultobjekten und einer wunderschönen, in Gold eingefassten Bernsteinperle reichen die Ausstellungsstücke. Sie berichten nicht nur von einer längst vergangenen Zivilisation, sondern lassen den Besucher auch in die Pfahlbaukultur abtauchen.

Kurpfälzisches Museum Heidelberg
31. 5. - 27.8.06
   

im Detail:

Bilder

weiter:

siehe auch:

Ur- und Frühgeschichte -
Pfahlbauten

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen
Federseemuseum Bad Buchau

zurück:

Startseite | Ur- und Frühgeschichte | Register | Impressum | zur ZUM | © Badische Heimat/Landeskunde online 2006