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Die Kunst der Beeinflussung: Propaganda-Postkarten aus der Ära der Weltkriege

Ausstellung im MfA Boston

Die Falange. 1930er JahreMit schneidenden Sprüchen und kräftigen Farben, auffälligen Grafiken und beißenden Karikaturen vermitteln Postkarten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Botschaften, die leicht zu verstehen oder im Gedächtnis zu behalten sind. Regierungen und andere Organisationen nutzen sie als das perfekte Vehikel für Propaganda – um Krieg zu rechtfertigen, Führer zu verherrlichen, den Feind zu dämonisieren oder die Notwendigkeit zu unterstreichen, dass die Bürger Opfer für die Sache bringen sollten.

Die Ausstellung " Die Kunst der Beeinflussung ('Art of Influence'): Propaganda Postkarten aus der Ära der Weltkriege", konzipiert vom Postkarten-Archiv Leonard A. Lauder und dem Museum of Fine Arts in Boston (MFA) als Geschenk zugesagt, präsentiert ungefähr 150 Postkarten vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, eine Zeit globaler Konflikte und Umbrüche. Die Ausstellung hebt Postkarten als wertvolle historische Werkzeuge und Meisterwerke des Grafikdesigns hervor. Ob sie von staatlichen Propagandabüros, opportunistischen Verlegern, Hilfsorganisationen oder Widerstandsbewegungen produziert wurden, sie waren darauf ausgerichtet, öffentliche Unterstützung zu schaffen und aufrechtzuerhalten, während die Welt von einer Krise in die nächste stürzte.

"Art of Influence" erforscht eine Bildsprache, die Postkarten aus Europa, der Sowjetunion, den USA und Japan gemeinsam haben. Unabhängig von ihrer Politik verwendeten verschiedene Regime die gleichen Themen – einschließlich Anführern, Helden, Schurken, Fake News und Spott –, um öffentliche Unterstützung aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung ausgewählte Plakate und Filmclips, die die wirkungsvolle und effektive Koordination von Propaganda in einer Vielzahl von Medien demonstrieren.

Der Erste Weltkrieg markierte einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen Kunst und Politik, als der moderne Krieg auf moderne Kommunikationstechnologien traf und Nationen auf allen Seiten systematisch Massenmedien in einem zuvor nie gekannten Ausmaß einsetzten. Postkarten, die um die Wende zum 20. Jahrhundert allgegenwärtig waren, waren ideal für die Verbreitung von Propaganda. Sie waren billig herzustellen und zu kaufen und konnten per Post oder auf der Straße verteilt werden. Propagandakünstler in fast jedem Land verfeinerten ein grundlegendes Vokabular von Bildern, das half, einfache Botschaften zu vermitteln: Gut gegen Böse, vorwärts gegen rückwärts, wir gegen sie. Diese Geschichten könnten sich auf vielerlei Postkarten abspielen – mit dem Impuls zum Sammeln werden Wiederholungen genutzt, um Ideen zu verstärken und Stereotypen und Archetypen zu verewigen.

Heroische Soldaten bevölkern Postkarten aus fast allen Ländern. Die allgemein gehaltenen – und meist männlichen – Figuren laden dazu ein, sich in ihre Rolle hinein zu versetzen und mutig nach vorne zu drängen, wie in "Der Vorstoß hält an" (1940, Gino Boccassile, in Mailand von der Nationalfaschistischen Partei veröffentlicht), oder stoisch auf Wache zu stehen. In "Die Sowjets leisten der Nazi-Invasion Widerstand" (wahrscheinlich späte 1930er Jahren, eine Gustav Klucis zugeschriebene Zeichnung), wird die Sowjetunion von einem einzigen heroischen Soldaten verkörpert, der sich gegen eine deutsche Invasion stellt. Gegner dagegen wurden oft als böse, töricht, grotesk und unmenschlich, manchmal auch als harmlos und unbedenklich dargestellt. Während des Zweiten Weltkriegs beispielsweise zeigten Künstler in den USA Gewalt in Zeichentrickform, wie in 'Nur ein kleines Etwas' zu sehen ist, 'um sich an Pearl Harbor zu erinnern!' (1942, Walt Munson, herausgegeben in Boston von Tichnor Brothers). Der Humor bot eine beruhigende Art und Weise, darauf hinzuweisen, dass ein Angriff in sicherer Entfernung ohne individuelle menschliche Konsequenz erfolgte.

Rechte oder linke, demokratische, kommunistische oder faschistische Künstler und Propagandisten haben in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren eine ähnliche Auffassung von ihren Führern geschaffen und sie als turmhohe Figuren dargestellt, die tapfer ins Unbekannte starren. Außerdem solle dargestellt werden, dass sie die Größe der Vergangenheit geerbt haben und sie verkörpern. Postkarten aus der Zeit zeigen Joseph Stalin neben seinem sowjetischen Vorgänger Vladimir Lenin, sowie Adolf Hitler Hand in Hand mit dem Geist von Otto von Bismarck, der Deutschland 1871 einte. Auf einer sowjetischen Weihnachtskarte von 1941, für die wohl auch deutsche Soldaten die Zielgruppe waren, wird Hitler als Bösewicht, als falscher Weihnachtsmann gezeigt, nur Krieg, Tod und Hunger aus seinem Sack zieht.

In unserer Kolchose ist kein Platz für Popen und Kulaken. Um 1930Am anderen Ende der sozialen Skala erschien der Jedermann – oder, seltener, jede Frau – ebenfalls in den Propagandakarten, oft in Gruppendarstellung. In Italien reichten die Bilder von Postkarten, die ein Essen zeigten, bei dem die Tische in Form der Buchstaben DUX (Mussolinis Titel) aufgestellt waren, bis hin zu Fotos der faschistischen Jugendgruppe "Söhne der Wölfin". In der Nazi-Propaganda werden alle Deutschen – besonders Kinder – als blond, blauäugig, lächelnd und kräftig dargestellt. Auf einer sowjetischen Postkarte aus der Zeit um 1930 erscheint eine einzige Bäuerin, die sich gegen den Klerus und die Großgrundbesitzer erhebt. Diese beiden Strategien der Repräsentation - die symbolischen Massen oder das archetypische Individuum - boten dem beabsichtigten Publikum Identität und Inspiration.

Die Ausstellung zeigt auch viele Postkarten, ohne Menschen in der Darstellung. Statt dessen werden Symbole verwendet, um eine Nachricht zu transportieren. Zum Beispiel standen Karten oft für ganze Nationen, besonders in Kriegszeiten. 'V for Victory' wurde im Zweiten Weltkrieg zu einem universellen Schlagwort - auch in Ländern wie Deutschland, wo das Wort für 'Sieg' nicht mit 'v' beginnt. Eine Gruppierung von sechs Postkarten aus Großbritannien, den USA, Frankreich, Deutschland und Italien veranschaulichen, wie das 'V' in maßgeschneiderten Botschaften von Land zu Land verwendet wurde, oft gepaart mit nationalen Emblemen.

Keep 'em flying (Lass ihn fliegen), 1941.Keep 'em flying (Lass ihn fliegen), 1941. Farblithografie auf Karton.
Veröffentlicht in Boston bei Tichnor Brothers Inc.

Europa marschiert gegen den Bolschewismus. 1942
Farblithografie auf Karton.
Gedruckt in Frankreich

Der falsche Weihnachtsmann ("Weihnachtsmann Ersatz"), 1941. Farblithografie auf Karton.
Gedruckt in der Sowjetunion.

Alle drei:
*Leonard A. Lauder Postcard Archive—Promised gift of Leonard A. Lauder
*Courtesy, Museum of Fine Arts, Boston


Europa marschiert gegen den Bolschewismus. 1942Der falsche Weihnachtsmann ("Weihnachtsmann Ersatz"), 1941.

28. Juli 2018 bis 21. Januar 2019 Herb Ritts Gallery und Clementine Brown Gallery, Museum of Fine Arts, Boston

Icon links oben: Banditen, geht aus dem Weg. 1921. Farblithografie auf Karton
Gedruckt in Odessa durch Soviet Typolithography Druckhaus no. 8
*Leonard A. Lauder Postcard Archive—Promised gift of Leonard A. Lauder
*Courtesy, Museum of Fine Arts, Boston

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