Hessen

So zurückhaltend das Bundesland Hessen sonst in der Förderung der Denkmalpflege ist, so Vorbildliches kommt aus dem hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Zwei Hefte des dem Ministerium nachgeordneten Landesamtes für Denkmalpflege geben umfassend Auskunft über die Grundlagen der Bodendenkmalpflege und der Archäologie.
Das erste, "Ursprünge", mit dem Untertitel "archäologische und paläontologische Denkmalpflege in Hessen", gibt in 9 Kapiteln und einer interessanten Einleitung dem Laien Auskunft über die wesentlichen Probleme von Freilegung, Sicherung, Erhaltung und Erforschung, die sich im Bereich der Bodendenkmalpflege stellen. Ursprünge
Das Spektrum reicht dabei auf der Seite der Fundobjekte von Gräbern über Befestigungsanlagen, Überreste von abgegangenen Siedlungen und Straßen bis hin zu einzelnen Gebäuden, aus allen Zeiten zwischen Steinzeit und Mittelalter und mit allen aus den jeweiligen Epochen stammenden Fundstücken. Auf der Seite der Gefährdungen reicht das Spektrum vom Straßenbau über Steinbrüche und andere Abbauanlagen und den Bau von Häusern, Versorgungs- und Entsorgungsleitungen, Sportplätzen und Industrieanlagen bis hin zu Raubgrabungen. Die Schrift zeigt repräsentative Beispiele aus der Restaurierungsarbeit der Werkstätten, nennt auch die Besonderheiten jedes Werkstoffs beim Namen und illustriert diese Einführung in die Arbeit der Denkmalpfleger und Restauratoren durch hervorragendes Bildmaterial.
Zeitspuren Das zweite Heft knüpft an das von N & N bereits vorgestellte Buch vom "Unterirdischen Baden-Württemberg" an und stellt die Arbeit der Luftbildarchäologie in Hessen vor, zeigt also das "unterirdische Hessen" in Luftaufnahmen.
Das Heft beginnt mit einem überraschenden Vergleich: Ein Teppichmuster wirkt aus der Perspektive einer Katze wie ein unübersichtliches Wirrwarr von Linien und Zeichen und erhält erst aus der erhöhten Perspektive des Menschen seinen inneren Zusammenhang. So ist eben auch in der Luftbildarchäologie der erhöhte Standpunkt, das Verlassen der eigenen Perspektive notwendig. Sehr instruktiv sind die Kapitel über die Methoden der Luftbildarchäologie und die verschiedenen Bewuchsmerkmale, die systematisch an Hand von Beispielen im Bild dargestellt werden. Auch in diesem Heft reicht das Spektrum von steinzeitlichen Siedlungsspuren bis zu mittelalterlichen Burg- und Dorfwüstungen.

 

Wie intensiv die moderne Landwirtschaft an der Zerstörung von Kulturdenkmälern beteiligt ist, zeigt der folgende Ausschnitt aus dem Heft "Zeitspuren" Gleich welche Maßnahmen die archäologischen Kulturdenkmäler heute beeinträchtigen oder zerstören, sie reichen in ihrem Umfang bei weitem nicht an die Zerstörungen durch die landwirtschaftliche Nutzung heran, verbunden mit natürlicher oder durch sie ausgelöster Erosion.

Während umfangreiche Baumaßnahmen partiell und gleichsam gezielt in den Bestand der Denkmäler eingreifen, droht die landwirtschaftliche Nutzung "flächendeckend" nach und nach und immer schneller alle Denkmäler in der Flur zu zerstören. Das vielfach belächelte Wort: "Deutschland - eine achäologische Wüste" hat einen erschreckend realen Hintergrund. Ging der Pflug früher noch flach, ja wurde er sogar bei störenden Steinen angehoben, so führt heute das Tiefpflügen oder eine vermeintlich bodenverbessernde Belüftungsmaßnahme zur völligen Zerstörung auch tiefreichender Denkmäler.

Wurde früher unebenes Gelände (mit Grabhügeln, Hohlwegen, Schutthügeln von Gebäuden oder frühen lndustrieanlagen) von der Bewirtschaftung meist ausgespart und als Weide oder Gehölzstandort genutzt, so bemüht sich heute die Flurbereinigung oft mit Bodenbewegungen von beachtlichem Ausmaß um weite ebene Flächen. Fundstücke, auch solche aus Stein, haben sind sie einmal an die Oberfläche gebracht - keine lange Überlebenschance. Dies ist um so dramatischer, als zur Zeit die letzten erhaltenen Befunde angegriffen werden. Die schematischen Darstellungen verdeutlichen den Gang der Zerstörung. Links ist im Schnitt eine Grube gezeigt, die um 3000 v. Chr. ausgehoben wurde und sich im Laut von etwa einhundert Jahren durch Einschwemmungen und Einbringen von Kulturschutt füllte.

Ihre Substanz blieb durch die Jahrtausende erhalten, und selbst noch vor dreißig Jahren waren erst ihre obersten archäologischen Schichten gerade berührt. Heute ist schon über die Hälfte des Bestandes zerstört und die gänzliche Zerstörung abzusehen.

Der Grabhügel oben, um 1200v. Chr. errichtet, hat sich auch nach Einsetzen der Überackerung in seinem wesentlichen Bestand erhalten, wurde allerdings schon beeinträchtigt. Nach Tiefpflügen ist heute unter flacher Erhebung gerade noch ein Rest des Zentralgrabes vorhanden.

 


Zurück:
Startseite -  Archäologie
Register - Impressum
zur ZUM
© Badische Heimat 2001