Musée Archèologique, Strasbourg


Über römische Wandmalereien im Elsass

 

Umfassende Restaurierungsarbeiten und Untersuchungen

Beginn der Sammlung Ende des 19. Jahrhunderts

Das Archäologische Museum Straßburg besitzt die umfangreichste Sammlung mit antiker Wandmalerei im Elsass. Aufgrund des stark militärischen Charakters der Provinz an der Grenze des Römischen Reichs sind solche Funde in der Region sehr selten. Die meisten Fresken wurden Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bei den großen Stadtumbaumaßnahmen und bei Kanalisationsarbeiten zutage gefördert. Zwei Fundstätten waren hinsichtlich Quantität und Qualität der geborgenen Wandmalereien besonders ergiebig: das Viertel um die Thomas-Kirche und der Kléber-Platz. Hier befanden sich wichtige Gebäude in unmittelbarer Nähe des Legionslagers von Argentorate.

Bei archäologischen Ausgrabungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die der damalige Leiter des Archäologischen Museums Jean-Jacques Hatt im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau von ausgebombten Häusern in der Straßburger Innenstadt veranlasste, wurden an mehreren Fundorten zumeist einfarbige Putzfragmente entdeckt. Neue Erkenntnisse konnten jedoch kaum gewonnen werden. In den 1970er-Jahren förderte die Untersuchung eines unter dem Münster befindlichen großen römischen Gebäudes Teile einer Deckenbemalung zutage. Sie gehörte zu einem Prätorium in der Nähe des Legionslagers Im Zuge archäologischer Präventivgrabungen konnten in den letzten zehn Jahren Fundorte in Straßburg sowie der Vicus in Koenigshoffen weiter erforscht werden. Dabei wurden im Vicus bemalte Putzfragmente geborgen, bei denen es sich hauptsächlich um größere, farbige Bruchstücke ohne figürliche Darstellungen handelte. Dies trifft sowohl auf die älteren Funde zu (z. B. aus dem Mithräum), als auch auf die Funde aus mehreren römischen Kellern, die sich in den Wohn- und Handwerkervierteln entlang der heutigen Route des Romains befanden.

Da Straßburg in dieser stark militärisch geprägten Grenzregion die einzige nennenswerte Stadt war und nur wenige große Villen in Stadtrandlage oder auf dem Land ergraben wurden, sind signifikante Freskenfunde an anderen Orten in der Region selten. Brumath, Mackwiller, Oermingen, Seltz, Lupstein im Department Bas-Rhin und Hochstatt, Illzach, Koestlach im Departement Haut-Rhin zählen dazu.

Wissenschaftliche Analyse und Restaurierung

Mit der Restaurierung der römischen Wandmalereien aus der Sammlung des Archäologischen Museums und der technischen und stilistischen Untersuchung wurde das in Soissons ansässige Centre d’Étude des Peintures Murales Romaines beauftragt. Dieses archäologische Forschungsinstitut ist auf römische Wandmalereien und Stuckarbeiten spezialisiert. Seine zahlreichen Aufgaben lassen sich zwei großen Bereichen zuordnen: archäologische Forschung und Restaurierung. Gegründet wurde das Zentrum vor nunmehr fast 30 Jahren auf Initiative von Alix Barbet, der angesehenen französischen Spezialistin für Wandmalereien des Altertums. Verwaltet wird es vom Verein Pro Pictura Antiqua. Seit 2010 verbindet das Institut ein wissenschaftlicher Kooperationsvertrag mit dem CNRS und der École Normale Supérieure (UMR 8546).

Die wichtigsten Schritte der drei großen Restaurierungskampagnen: - Zunächst wurden alle Teile der Sammlung inventarisiert, auf ihren Zustand geprüft und fotografisch dokumentiert. Danach wurden die Tafeln aus ihren schweren alten Eichenholzeinfassungen genommen.

- Um das Endgewicht der Tafeln zu verringern, wurde die Mörtelschicht auf der Rückseite der meisten Fragmente mit einer Betonsäge auf eine Dicke von zwei bis drei Zentimetern reduziert. Dann wurde die Malschicht mit einem in Wasser getränkten Schwamm gereinigt, alte Lasuren wurden ganz oder teilweise entfernt.

- Danach wurden die Fragmente zu einem riesigen dreidimensionalen Puzzle geordnet und zusammengeklebt. Vier Tafeln wurden wieder vollständig zusammengesetzt; dabei konnten auch Fragmente, die bisher im Depot lagerten, aufgenommen werden. Anschließend erfolgte von der Rückseite her die Stabilisierung des Fresko mittels eines sandhaltigen Kunstharzmörtels.

Abschließend wurden die Tafeln in eine leichtere Einfassung eingesetzt, die aus einer zwischen zwei kunstharzgehärteten Glaswollschichten platzierten Alveolplatte besteht. Aus diesem modernen, hellen Rahmen treten die Fresken reliefartig hervor. Damit sich die Bilder dem Betrachter so gut wie möglich erschließen, wurden die Hauptkompositionslinien und die Konturen wenn nötig mit Aquarellfarbe nachgezogen.

Stile und Farben

Eindeutige stilistische Zuordnungen, konstante Weiterentwicklung

Der Stil römischer Wandmalereien wird anhand ihrer Ornamentik bestimmt. Als Grundlage dienen dabei die zahlreichen in Pompeji und Herculaneum entdeckten Fresken, die 79 n. Chr. unter der Vesuvasche begraben wurden und die Zeit fast unversehrt überdauerten, sowie die Wandbilder aus den prunkvollen Herrscherpalästen Roms. Zwischen dem späten 2. Jh. v. Chr. und dem Ende des 1. Jh. n. Chr. bildeten sich vier verschiedene Stilrichtungen heraus, die sich allmählich im ganzen Römischen Reich und natürlich auch in Gallien verbreiteten.

Die Straßburger Wandmalereien gehören dem dritten und dem vierten Stil an. Der dritte Stil durchlief mehrere Phasen, in denen sich sein Repertoire allmählich erweiterte. Besonders typisch waren Kandelaberwände und mit Ranken überzogene filigrane Säulen, die an die Stelle der in fiktiven Architekturen üblichen massiveren Säulen traten.Mit dem vierten Stil kam ab der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. die Scheinarchitektur wieder in Mode. In Gallien vermischte sich der dritte Stil allmählich mit den großen mythologischen Szenen des vierten Stils, der sich durch lebensgroße menschliche Figuren oder schwebende Wesen von früheren Phasen unterschied.

Bis ins 2. Jh. n. Chr. überlebten ältere Stilelemente in Gallien, insbesondere das Kandelabermotiv wich nur allmählich hohen Pflanzenstängeln. Trompe-l’oeil-Architekturen waren noch im 3. und 4. Jh. anzutreffen, oft mit prächtigen Marmorimitationen und mitunter monumentalen figürlichen Darstellungen. Diese Veränderungen resultierten aus geschmacklichen Weiterentwicklungen, die Themenwahl spiegelte die Prioritäten der Auftraggeber oder auch lokale Präferenzen für ein bestimmtes Repertoire wider. Neben den großen Land- und Stadtvillen entstanden ab dem 2. Jh. auch einfachere, oft zweistöckige Stadthäuser für die wohlhabende Mittelschicht. Dementsprechend veränderte sich die Ausgestaltung: Da in diesen Gebäuden weniger Fläche zur Verfügung stand, waren auch die Bildprogramme weniger aufwändig, aber dennoch oft mit Raffinesse ausgeführt.

Eine andere Farbwahrnehmung als heute

Im Altertum nahmen die Menschen Farben gewiss ganz anders wahr als wir, denn sie hatten noch nicht das Wissen über die Zusammensetzung des Lichts und die Spektralfarben, das unsere heutige Farbwahrnehmung beeinflusst. Tatsächlich umfasste das antike Farbsystem neben der Farbe an sich noch weitere Parameter wie den Hell-Dunkel-Kontrast, die Strahlkraft der Farben, ihre Anordnung und sogar ihre Textur.

Wichtig war auch der Symbolgehalt von Farben: Rot als die typische Farbe der Antike stand für Reichtum und Macht. Durch die Verwendung seltener und kostbarer Farbtöne wie Zinnober und Ägyptisch Blau signalisierte der Auftraggeber den Grad seines Wohlstands und seinen sozialen Rang.

Das Vorkommen dieser Farben lässt darauf schließen, dass der Bauherr seinen Zeitgenossen Überfluss und erlesenen Geschmack suggerieren wollte.

Bilder im Dienste Roms?

Antike Wandmalereien kann man nur verstehen, wenn man sie durch das Prisma ihrer Entstehungszeit betrachtet. Denn in der stark hierarchisierten Ordnung des Altertums bedingten Gestaltung, Weltsicht und Selbstverständnis einander. Der Besitzer eines Hauses bekundete mit der Wahl der Bemalung und mit deren Motiven seine gesellschaftliche Stellung und seinen Bildungsstand. So brachten die neuen gallo-römischen Eliten in den eroberten Provinzen ihre Loyalität gegenüber Rom und ihre gelungene Romanisierung durch Themen zum Ausdruck, die die römische Ideologie und ihre Gründungsmythen bedienten.

Schon im Altertum erkannte man der Malerei eine gedächtnisschulende Funktion zu, und sie galt als geeignetes Instrument, um jene Werte zu vermitteln, von denen sich jeder Römer leiten lassen sollte.

Wie viele Autoren vor ihm befasste sich auch Cicero mit der ars memoriae (Gedächtniskunst) und stellte dazu in seinem Werk „De oratore“ fest, dass sich am tiefsten von allen Eindrücken die Sinneseindrücke im Gedächtnis des Menschen verankerten, wobei das Sehen der subtilste aller Sinne sei.

Im Lebensumfeld der Römer gab es viele mit Bedacht platzierte und eindeutig kodifizierte bildliche Darstellungen (Wandmalereien, Tempelfriese, Statuen, Vasenschmuck usw.). Sie sollten die Menschen mit mythologischen Szenen und wichtigen Begebenheiten aus der Geschichte Roms bekannt machen und zur Verinnerlichung der damit verbundenen Wertvorstellungen und Gefühle beitragen. Es gab also einen Zusammenhang zwischen der Ausschmückung von öffentlichen und privaten Gebäuden, ihrem Umfeld und dem gesellschaftlichen Rang des Auftraggebers bzw. der von ihm beabsichtigten politischen Botschaft.

Zweifelsohne beeinflusste dieser Aspekt auch die Motive der Straßburger Wandmalereien in der Nähe des Legionslagers. So verwundert es kaum, dass an einem Stützpunkt der Römer an der Grenze des Reichs dessen Gründungsmythen und wiederkehrenden Propagandathemen häufig aufgegriffen wurden. Aeneas, der Stammvater der römischen Herrscherdynastien, taucht in der Geschichte der Flucht aus dem brennenden Troja auf, und die Darstellung des Herkules und der Amazonenkönigin Hippolyte ist eine eindeutige Anspielung auf den Sieg der Legionen und der römischen Zivilisation über die Barbaren. In der Kaiserzeit wurden Herkules und Kaiser oft gleich dargestellt, und der Herkuleskult gewann stark an Bedeutung. Auch in Straßburg lässt sich die Verehrung des mythischen Helden eindeutig nachweisen.

    Text: Musée Archèologique Strasbourg

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