Trautes Heim


 
  

Im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim sind in diesem Herbst und Winter knapp 60 Puppenstuben, Puppenküchen und -kaufläden sowie große Puppenhäuser zu sehen. Die meisten dieser vielteiligen Exponate sind in den letzten 15 Jahren in die Sammlungen des Museums gekommen. Ergänzt wird die Schau durch private Leihgaben und um passende Objekte aus der „Welt der Großen“.

Die Sammlung wird erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert. Sie baut auf der in der Dauerausstellung des Museums in einer eigenen Abteilung präsentierten Sammlung von Johanna Kunz auf, die sich besonders für Puppenstuben aus bürgerlichem und großbürgerlichem Umfeld begeistert hat. Der umstürzende Wandel der Lebensverhältnisse, der etwa seit den 1930er Jahren in den Puppenstuben anschaulich wird, hat sie weniger interessiert. Hier setzt nun die Sammeltätigkeit des Deutschordensmuseums ein, die systematisch bis ins Heute weiterführt.

Puppenstuben sind etwa seit dem 16. Jahrhundert in der adeligen und großbürgerlichen Welt der Höfe und Städte entstanden. Sie spiegeln Wohn- und Lebensideale. Seit dem 19. Jahrhundert findet man sie in den bürgerlichen Wohnstuben. Mädchen und auch Jungen konnten sich hier mit Rollenspielen auf ihr späteres Leben vorbereiten. Es entstand eine regelrechte Industrie zur Herstellung von Puppenstuben. Solche Stuben wurden meist über mehrere Generationen bespielt. Dementsprechend wurde die Einrichtung immer wieder ergänzt.


Haus Wahl, Moritz Gottschalk, um 1900

Die Sammlung des Museums umfasst insbesondere Stuben, die seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Deren Einrichtung spiegelt Geist und Stil der Gründerzeit oder des Jugendstils. In den 1920er Jahren werden die Stuben schlichter, die Küchen heller und funktioneller. In den 1950er Jahren sieht man, wie das Wohnen, das Arbeiten und Leben in der Küche, die Arbeitswelt beim Einkauf sich verändert hat. Alles ist viel heller, typische Farbgebungen dieser Zeit sind zu finden. Auch neue Architektur kommt hier zum Ausdruck. Da gibt es z. B. Flachdachhäuser, die sogar mit Dachterrasse und –garten ausgestattet sind. Die Küchen sind zur Wohnküche gewortd, die Läden haben eine moderne Form- und Farbgebung. Sogar der Bauhausstil hält nun Einzug: Studenten der Hochschule für Gestaltung Kassel entwerfen ein modernes, variables Haus, das dann die Firma Kibri herstellt. Der laute Stil der 1970er Jahre macht vor diesem Spielzeug auch nicht halt: Die Einrichtung ist nun aus Plastik, Braun und Orange sowie Blumendekore beherrschen das Bild. Der Tante-Emma-Laden verabschiedet sich langsam auch aus der Spielzeugwelt. Abschluss der Ausstellung bildet „Barbies Familienhaus“.

Es sind sowohl Stuben bekannter Firmen aus West- und Ostdeutschland wie Rock & Graner, Moritz Gottschalk, Bodo Hennig, Kibri und Seiffener Spielwaren zu sehen sowie Gehäuse regionaler Firmen wie der Holz- und Spielwarenfabrik Crailsheimer oder Gebr. Mathieu, aber auch Puppenstuben, die mit viel Liebe und Aufwand von Vätern und Großvätern für ihre Kinder und Enkel selbst gebaut und von Müttern und Großmütter eingerichtet wurden. Beispielsweise entstand in den 1930er Jahren für die Familie des Gefängnisdirektors von Straubing eine L-förmige Puppenwohnung, an der zwei Mädchen zugleich spielen konnten. Die Insassen hatten sie nach dem Vorbild der Wohnung der Familie des Direktors gebaut. Oder: Ein Friseur aus der Nähe von Hannover hat um 1900 die Möbel der selbstgebauten Puppenstube mit kostbaren Einlegearbeiten gefertigt. In der Not der 1940er Jahre entstand aus Eierkisten eine Puppenküche, die eher karg aber funktional eingerichtet war. Der Nachbar „Onkel Otto“ hat sie für ein Frankfurter Mädchen mit Kinderlähmung gebaut, um ihr eine Freude zu machen.

Zu den Puppenstuben gehören Familien- und Entstehungsgeschichten, die die Stuben noch mehr zu sprechenden Zeitzeugen machen. Sie wurden bei der Übernahme ins Museum dokumentiert.

Eine Geschichte des Wohnens im 20. Jahrhundert ist an den Stuben abzulesen: vom plüschigen Wohnzimmer bis zum modernen Hausentwurf à la Bauhaus ist alles vertreten. Die Vielfalt der produzierenden Betriebe für Puppenstuben, Einrichtungen, Püppchen ist an der Ausstellung ebenso abzulesen wie die phantasiereiche und liebevolle Eigenproduktion in den Familien. „Stilechte“ Sammlerstücke stehen richtigem „Spielzeug“ gegenüber, das verschiedene Epochen unkompliziert miteinander vereinigt.

Deutschordensmuseum Bad Mergentheim, Puppenstuben „Gemüse-Handlung“ Kurrle, 1920er Jahre
„Gemüse-Handlung“ Kurrle, 1920er Jahre

Deutschordensmuseum Bad Mergentheim, Puppenstuben Wohnküche, Gebr. Mathieu Holz- und Plastik-Spielwaren, Frankenthal/Pfalz, 1950er Jahre
Wohnküche, Gebr. Mathieu Holz- und Plastik-Spielwaren, Frankenthal/Pfalz, 1950er Jahre

Deutchordensmuseum Bad Mergentheim: Puppenhaus Renate Dunz, Heilbronn, um 1933/34 und 1970
Puppenhaus Renate Dunz, Heilbronn, um 1933/34 und 1970
Foto: Foto Besserer, Lauda-Königshofen

    Text: Deutschordensmuseum Bad Mergentheim

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