In einem bewundernswerten Kraftakt hat der Regionalhistoriker
Dr. Erhard Richter aus Grenzach- Wyhlen, in der Region für
viele fundierte historische Werke bekannt, das umfassende Buch
zur Flurnamengeschichte von Schallbach vorgelegt. Gleichermaßen
versiert und engagiert beschäftigt sich Erhard Richter seit
mehr als 60 Jahren mit der Regionalgeschichte, wobei es ihm die
Flurnamen besonders angetan haben. Flurnamen sind innerhalb der
germanistischen Linguistik Gegenstand der Namenforschung, haben
meist nur eine geringe kommunikative Reichweite und sind somit
in der Regel nur innerhalb eines Dorfes bekannt und dienen zur
Identifizierung von Flurstücken. Neben seiner Dissertation über »Die
Flurnamen von Wyhlen und Grenzach in ihrer sprachlichen, siedlungsgeschichtlichen
und volkskundlichen Bedeutung« (1962) stammen auch die
Flurnamenarbeiten über Herten (1999), Inzlingen (2004),
Wintersweiler (2008) und Welmlingen (2012) aus seiner Feder.
Bücher gehören zu den großen Schätzen im
Leben. Sie können in eine andere Welt entführen, in
diesem Fall in die »Welt der Flurnamen«. Man mag
zunächst annehmen, Flurnamen seien lediglich bei Landwirten
und Beschäftigten der Liegenschaftsämter in Gebrauch
und somit fernab von jeder Lebenswelt.
Bei näherer Betrachtung fällt dagegen auf, dass sie
uns an zahlreichen Stellen im Alltag begegnen. Oft ist man sich
bei vielen Namen kaum bewusst, dass es sich dabei ursprünglich
um Flurnamen handelte. Die Namen der Fluren und Siedlungen sind
eng mit der Landschaft und ihrer Bevölkerung verknüpft.
Sie sind nicht zufällig entstanden, sie stehen in Wechselwirkung
mit der Natur, der Kultur, dem Menschen und seiner Tätigkeit.
Sie vermitteln ein ganzheitliches Bild einer Landschaft und ihrer
Vergangenheit. Unter Flurnamen versteht man alle heute oder früher
gebräuchlichen Eigennamen für nicht bewohnte Örtlichkeiten
außerhalb von Siedlungen wie Äcker, Berge, Wälder,
Gewässer und was mit ihnen zusammenhängt, Wege, Stege
und Straßen, Natur- und Kulturdenkmäler und auch unbewohnte
Anlagen von Wirtschaft und Industrie. Flurnamen, Landschafts-
und Gewässernamen sind oft jahrhundertealte Zeugen menschlicher
Beschäftigung mit der Natur. Das Gelände wird nicht
einfach wahllos benannt. Die Gebirgsnamengebung lehrt uns, dass
die Namengebung nur so weit reicht, als man das Land nutzen kann
oder wo man hindurch will oder muss.
Einleitend gibt Erhard Richter einen Einblick in die Geschichte
des Dorfes. Im Hauptteil werden die 284 Flurnamen mit ihren historischen
Quellen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, ihre Bedeutung
und Herkunft erklärt und auch sprachlich gedeutet. Neben
den Erst- und Letzterwähnungen wurden nur die für die
Deutung, Lokalisierung und sprachgeschichtliche Auswertung wichtigen
Belege angeführt. Die Arbeit über die Flurnamen von
Schallbach zeigt auch auf, dass alte Namen oft so verändert
wurden, dass sie allein mit Hilfe der früheren Belege gedeutet
werden können. Bei abgegangenen, heute nicht mehr bekannten
Namen, ist dies dann auch nur mit Wörterbüchern der älteren
Sprache möglich, wobei das Mittelhochdeutsche, das etwa
von 1050 bis 1350 gesprochen wurde, am wichtigsten ist. Nicht
immer können Flurnamen gedeutet werden, so zum Beispiel
die Namen »Balauff«/»Balduf« (Nr. 18)
und »Bittertal« (Nr. 28). Neben der Sprachgeschichte
bietet die vorliegende Arbeit auch gezielte Einblicke in die
Siedlungs-, Flur-, Rechts-, Orts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Gemeinde Schallbach. In einem weiteren Kapitel wertet der
Autor die Flurnamen nach der Laut- und Wortgeschichte aus. Namenforschung
(Toponomastik) ist sprachwissenschaftliche Feinarbeit. Der Sinn
dieser Mühen findet sich in einem Zitat von Martin Walser
zusammengefasst. Er schreibt: »Wer glaubt, dass die Memoiren
von Metternich wichtiger seien als das Flurnamenbuch von Schaffhausen,
der hat einfach keine Ahnung, was menschliche Geschichte ist«.
Den größten Dank schuldet Erhard Richter seiner Frau
Erika, die ihn in vielseitiger Weise beim Zustandekommen des
Buches unterstützt hat (Fahrdienste, Korrekturlesen und
Fotovorlagen), wie er in seinem Dankeswort schreibt. Die Arbeit
verdient große Anerkennung wegen ihrer Bestandsaufnahme
in einer sich rasch ändernden Flurnamenwelt; sie ist eine
Dokumentation von bleibendem Wert sowohl für das Fachpublikum
als auch für den interessierten Laien. Elmar Vogt |