Rüdiger Hitz hat sich in langjähriger mühevoller
Arbeit auf die Spurensuche zur Entstehung des Tourismus im Schwarzwald
gemacht. Seine Mühe hat sich gelohnt: Die Dissertation ist
vom Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg herausgegeben worden.
Hitz geht das Thema auf mehreren Ebenen durch genau recherchiertes
Quellenmaterial an. In seiner Einleitung zu den Entstehungsgrundlagen
und Rahmenbedingungen des Toursmus geht er allgemein von der
bürgerlichen Bildungsreise und der Naturbegeisterung in
der Romantik aus, die im organisierten Reiseunternehmen Thomas
Cooks und der 1835 erfolgten Herausgabe des ersten Baedekers
sichtbaren Niederschlag fanden. Die Gebirgswelt der Schweiz stand
dabei im Mittelpunkt englischer Reisender, die den Schwarzwald
erst nach Ausbau der Verkehrsinfrastruktur entdecken konnten.
Der Straßen(aus)bau im Großherzogtum Baden, das Postkutschenwesen
und vor allem die Eisenbahn als moderner Verkehrsträger
beförderten den Zustrom der Gäste auf die Schwarzwaldhöhen.
Die badische Eisenbahnverwaltung ergriff dabei Marketingmaßnahmen,
die den heutigen in nichts nachstehen. 1895 wurde das einjährig
gültige Kilometerheft eingeführt, das beliebige Fahrten
mit insgesamt 1000 km zu einem Preis von 25, 40 und 60 Mark in
der dritten, zweiten und ersten Klasse ermöglichte. Interessant
ist die These von Hitz, dass die Höllentalbahn nicht als
Touristenbahn konzipiert und erbaut wurde, sich aber im später
entwickelnden Wintertourismus als unersetzliches Verkehrsmittel
erwies.
Unterstützt wurde der wachsende »Fremdenverkehr« von
den Gastwirten und interessierten Wirtschaftskreisen, die 1864
in Freiburg den Schwarzwaldverein gründeten und mit dem
Verein vor allem Werbung für den Schwarzwald unternehmen
wollten. Das englische Reiseunternehmen Thomas Cook trat 1874
dem Schwarzwaldverein bei, der sich vorrangig dem Bau von 40
(!) Aussichtstürmen und der Herstellung von Wanderkarten
(ab 1894) sowie der Beschilderung der Wanderwege widmete. Ein
romantisches Bild des Schwarzwalds als »ursprüngliche« Landschaft
wurde parallel in der Literatur (Auerbach) und Malerei (Hasemann)
befördert. Nach und nach wurde das ehrenamtliche Engagement
des Schwarzwaldvereins von kommunaler, aber besonders staatlicher
Tourismusförderung des badischen
Staats abgelöst, die im 1906 gegründeten »Badischen
Landesverband zur Hebung des Fremdenverkehrs« ihren Ansprechpartner
fand und zu einer jährlichen Förderung des Verbandes
von 10 000 Mark führte. Hitz zeigt die Entwicklung der Tourismusorganisationen
beispielhaft an der Stadt Freiburg auf. Inserate im Ausland,
im Auftrag verfasste Reiseführer, ja selbst das neue Medium
Film wurden dort noch vor 1914 zur Werbung eingesetzt und die
Strukturen veränderten sich von Vereinen zu Verbänden,
von privaten Auskunftsstellen zu »Tourist-Informationen«.
Am Beispiel des Bezirkes St. Blasien, der als einziger im Land
Baden keine Eisenbahnverbindung hatte, veranschaulicht Rüdiger
Hitz die verkehrliche Erschließung und die Entstehung eines
sog. Genesungstourismus für Lungenkranke. Ab 1892 nahm zudem
das badische Großherzogspaar in St. Blasien regelmäßig »Aufenthalt«,
dem Hüglins Hotel- und Kurhausgesellschaft 1896-97 ein prächtiges
Gebäude im Schwarzwaldstil erbauen ließ. Selbst der
kaiserliche Admiral Tirpitz erbaute sich für seine mehrmonatigen
Urlaub in St. Blasien ein Haus.
Spannend liest sich die Geschichte des 1864 erbauten Feldberger
Hofes, der nach Erweiterungsbauten 1905 insgesamt 135 Fremdenzimmer
mit 230 Betten im Angebot hatte. Für den Aufschwung sorgten
ab 1885 die Geschwister Carl und Fanny Mayer, die als »Feldbergmutter« Berühmtheit
erlangte und der ab 1890 aufkommende Wintertourismus, der eine
zweite touristische Saison bedeutete. 1892 konstituierte sich
der Skiclub in Todtnau als erster deutscher Skiclub - auch für
Berufsgruppen, wie Förster, Briefträger und das Militär
erwies sich das »Schneeschuhlaufen« als nützliche
Erfindung. Wie man im Schwarzwälder Skimuseum in Hinterzuarten
anschaulich betrachten kann, hatten die Frauen beim Skilaufen
einen gleichberechtigten Anteil, der auch in praktischer Ski-Mode
zu sehen war. Es konnte jedoch noch 1906 passieren, dass eine
Skiläuferin in Hinterzarten mit »Dreck« beworfen
wurde, da sie in »schamlosen Hosen« durch den Ort
gefahren war. Doch die rasche Durchführung von Wintersportveranstaltungen,
wie Skispringen und Langlaufen sorgten neben der Herstellung
von Skiern in schwarzwälder Produktion (Ski-Köpfer
in Bernau!) für eine breite Popularisierung des Sports.
Einen Gutteil trugen auch die Filme bei, die mit der 1920 erfolgten
Gründung der
Freiburger Berg- und Sportfilm GmbH mit Arnold Fanck und Sepp
Allgeier ihren Höhepunkt erlebte. Robert Winterhalter aus
Schollach ließ sich schon 1909 die Erfindung eines mit
Wasserkraft betriebene Schlepplifts patentieren, doch scheiterte
die Einrichtung weiterer Anlagen an finanzieller Unterstützung,
so dass erst 1935 in Davos der (vermeintlich) erste Skilift eingerichtet
wurde.
Ausgestattet mit über 1200 Anmerkungen und einem reichen
Literaturteil sollte das allgemein sehr verständlich geschriebene
Buch zur Pflichtlektüre der Gastronomie und der offiziellen
Tourismusorganisationen im Schwarzwald werden. Vielleicht fühlt
sich durch diese bahnbrechende Veröffentlichung auch jemand
berufen in gleicher Qualität die Fortsetzung der Tourismusentwicklung
im Schwarzwald ab 1914 zu beschreiben. Vor allem die rasante
Entwicklung, die der Tourismus während der Nazi-Zeit im
Rahmen der staatlich gelenkten »Kraft-durch- Freude« -
Programme genommen hatte und die Situation nach 1945 bedürfen
dringend noch wissenschaftlicher Untersuchung.
Hubert Matt-Willmatt
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