Bereits im vorigen Heft Nr. 2 dieser Zeitschrift haben wir
auf diese sehenswerte Ausstellung »Unser Schwarzwald« im
Freiburger Augustinermuseum hingewiesen, die noch bis zum 30.
September 2011 zu sehen ist. Die Ausstellung präsentiert
eine große Auswahl der »Schwarzwald-Bestände« der
kulturhistorischen Sammlungen des Museums, das jetzt nach Abschluss
des 2. Bauabschnitts seiner Umbauarbeiten dazu wieder in der
Lage ist, nach über 30 Jahren diese Bestände zu zeigen,
wobei man unbedingt vermeiden will, in die alten Klischees von
Bollenhut und Kuckucksuhr zu verfallen, sondern mit ihr und dem
Katalog neue, wie man meint, moderne Wege einzuschlagen. Da fragt
sich der aufmerksame Leser und Betrachter gleich, wieso man dann
für Plakat und Umschlag-Titel gerade das Bild eines Gutacher
Bollenhutes gewählt hat?
Aber der Reihe nach. Der Rezensent kennt natürlich die
Schwierigkeiten beim Besprechen von Ausstellungskatalogen, da
Ausstellung und Katalog nie deckungsgleich sind. Was man beim
Katalog vermisst, wird oftmals in der Ausstellung geboten und
umgekehrt. Meist sind die Kataloge auch keine Ausstellungsbegleiter
mehr - dazu sind sie viel zu schwer (hier 1,2 kg) - sondern stellen
ein eigenes, wissenschaftliches Instrument dar, das mehr außerhalb
der Ausstellung befragt wird und meist auch mehr Antworten gibt
als die Ausstellung selbst, wenn auch die Literaturangaben ein
wenig alt erscheinen! Trotzdem bleibt gleich beim Lesen des Titels
die Frage offen, auf wen sich ,Unser1 bezieht? Das wird man vielleicht
nach eingehendem Lesen des Katalogs in Erfahrung bringen?!
Dieser beginnt mit zwei einstimmenden Essays über die Winterlandschaft
des Schwarzwaldes und den Erinnerungen eines Volkskundlers an
seine Freiburg- Zeit. Ob das schon der angekündigte moderne
Ansatz der Ausstellungsmacher sein soll, mögen die Leser
entscheiden! Katalog und Ausstellung sind dann in sieben Themenbereiche
gegliedert, unter deren Titeln sich der Leser aber nur vage etwas
vorstellen kann. Es beginnt mit »Wild. Romantisch«,
gefolgt von »Mobil. Erfolgreich«, weiter mit »Natürlich.
Fromm« bis hin zu »Echt. Authentisch« und endet
mit »Sportlich. Touristisch«, also alles nicht unbedingt
typische Charakterisierungen des Schwarzwaldes. Nun sind diese
Themenbereiche weiter untergliedert durch Schlagworte, meistens
zehn je Themenbereich, aber auch hin bis zu 27 beim Thema »Mobil.
Erfolgreich«. Insgesamt sind es knapp 100 Schlagworte die
auf ca. 200 Seiten
abgehandelt werden, je Schlagwort also 2 Seiten, abzüglich
der Bilder ergibt einen Text von etwa einer Seite je Schlagwort.
Man kann sich vorstellen, dass auf so einer Seite das Thema nur
angerissen werden kann. Leider kann man auch nicht gezielt suchen,
da man nicht weiß, was sich hinter den Schlagwörtern
verbirgt, z.B. Abenteuer, Ängste, Arbeitssicherheit, Repräsentation,
Schutzmächte oder Standardisierung. Andere dagegen sind
eher verständlich wie Hofleben, Holz, Landesherren, Reiseführer,
Uhrmacherei oder Waldberufe. Zum Auffinden dieser muss man allerdings
den ganzen Katalog durchblättern, da ein dringend benötigtes
Register fehlt, wie übrigens bei den meisten Katalogen.
Ein solches, durch den Inhalt erläuternde Stichworte ergänzt,
hätte die Nutzbarkeit des Katalogs wesentlich erhöht.
So kommt es, dass man manches nicht findet, anderes zu kurz
kommt oder schließlich ganz fehlt, obwohl es zu »Unserem
Schwarzwald« gehört. Einige Beispiele mögen dies
verdeutlichen: wenn z. B. mehrfach von dem Schwarzwaldmaler Hermann
Dischler die Rede ist und seine Bilder vor Augen geführt
werden, so vermisst der Rezensent eine ebensolche Beachtung des
anderen großen Malers Schwarzwälder Winterlandschaften,
Karl Hauptmann, dem im Hans- Thoma-Kunstmuseum in Bernau sogar
ein eigener Raum gewidmet ist; und der hier nur in dem vorangestellten
Essay mit anderen erwähnt wird. Im Themenbereich »Sportlich.
Touristisch« unter dem Schlagwort »Schneetourismus« werden
die Norweger als das Maß aller (Ski)-Dinge bezeichnet,
nicht aber erwähnt wird die große Bedeutung des Bernauer
Ski-Köpfers mit seinen patentierten Erfindungen von Skiern
und Bindungen, die er in Serienherstellung tausendfach in alle
Welt verschickt hat - wenn er auch mit einer Abbildung auf einer
Schneewolke schwebend in der Ausstellung zu sehen ist - eine
Würdigung gehörte in den Katalog! Auch die Holzschneflerei
in den Hochtälern kommt zu kurz, die aus dem Waldreichtum
erst die Heimarbeit, dann ganze Gewerbe hervorbrachte und Hunderte
Familien ernährte, ohne dass man diese Erzeugnisse, die
zehntausendfach produziert wurden, wie Teller, Löffel, Krauthobel,
Blasebälge, Bottiche oder Feldarbeitsgeräte, zeigt
und das Hauptwerkzeug, den Schniedesel, nur als kleine Lithografie
(S. 113) unter dem Schlagwort »Arbeitsschutz« verborgen
ist! Abschließend sei noch vermerkt, dass zu »Unserem
Schwarzwald« sicher auch das große alemannische Volksfest,
der berühmte Hans-Thoma-Tag gehört mit der zweijährlichen
Verleihung des Hans-Thoma- Preises, des Großen Landespreises
für Bildende Kunst Baden-Württemberg.
Aber was man nicht hat, kann man auch nicht ausstellen, obwohl
man einige Leihgaben anderer Institutionen herangezogen hat.
So erhebt sich die Frage, ob Ausstellungen aus dem eigenen Bestand
immer das A und O darstellen, oder ob man hier nicht zu den Leihgaben
ein paar mehr direkt aus dem umliegenden Schwarzwald hätte
integrieren sollen, um ein ganzheitliches Bild von »Unserem
Schwarzwald« dokumentieren zu können, wenn man schon
mit einem umfassenden Titel wirbt? So erklärt sich vielleicht
auch abschließend der Titel und was mit »Unser« gemeint
ist, nämlich im Wesentlichen »Euer« Bestand
aus dem Museum, denn »Unser Schwarzwald« bietet noch
viel mehr - auch wenn man auf Klischees verzichtet.
So bleibt einem nur übrig, diese trotzdem wundervolle Ausstellung
und den Katalog zu betrachten wie Modest Mussorgsky es in Musik
schrieb als »Bilder einer Ausstellung«, durch sie
zu promenieren oder den Katalog zu durchblättern, ein Bild
oder Schlagwort nach dem ändern und diese auf sich wirken
zu lassen, um die bereits im Kopf vorhandenen Bilder von »unserem
Schwarzwald« zu ergänzen durch das, was im Museum
bis jetzt verborgen war.
Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott
|