Bei Langeweile auf langen Reisen im Schiff oder
zu Land sollte man sie lesen oder anhören: die lustigen
Geschichten aus dem Rollwagenbüchlein. Jörg Wickram
hat sie 1555 als 50-Jähriger geschrieben während seiner
Zeit als Stadtschreiber von Burkheim am Kaiserstuhl. Menschen
aller Gruppierungen: Bauern, Städter, Alte, Junge, Einfältige
und Weise geraten in Misslichkeiten oder hecken Hinterhältigkeiten
aus. Gruselige Begebenheiten fehlen nicht. Wickram scheint eine
Vorliebe für Beinhäuser gehabt zu haben, die zu seiner
Zeit Gerner oder Karner hießen.
Das Werk, das im 16. und
17. Jahrhundert ein Bestseller war, enthält 111 Einzeltexte,
die nicht nur unterhalten, sondern auch Lebensweisheit vermitteln
sollten. Werner Witt hat sie sprachlich leicht überarbeitet,
ohne das ursprüngliche Kolorit zu tilgen. Die Rechtschreibung
wurde behutsam modernisiert; für Wörter, die nicht
mehr gebräuchlich sind, findet sich im Anhang eine Erklärung.
In der Einleitung stellt Witt den Dichter und sein Werk vor:
Wickram stammte aus Colmar, war vielfältig begabt, auch
für Malerei, was ihn befähigte, seine eigenen Theaterstücke
recht in Szene zu setzen. Lebenslang stand ihm der Makel seiner
unehelichen Geburt im Weg. Das folgende Detail wird den Landeshistoriker
interessieren: In der 55. Geschichte erwähnt
Wickram »Graf Jörgen von Württemberg«,
den Herrn über Reichenweiher, Horburg und Bilstein. Über
Georg von Württemberg, den Halbbruder von Herzog Ulrich,
ist überliefert, dass er sich der geistlichen Dichtung widmete.
Ob Wickram ihn persönlich kannte? Die humanistisch gebildeten
Geistesgrößen seiner Zeit gehörten nicht zu seinem
persönlichen Umfeld. Die Lateinschule hatte er seiner Herkunft
wegen nie besucht. Renate Liessem-Breinlinger |