Nach der Reichsgründung von 1871 bestand die deutsche Flotte
im wesentlichen aus einigen preußischen Einheiten, vorwiegend
in der Küstensicherung eingesetzt. Langsam erst lief eine
Marineplanung an, von Kaiser Wilhelm I. wie von Bismarck nur
zögerlich gefördert. Dies änderte sich in den
achtziger Jahren, denn jetzt erforderte der Erwerb von Kolonien
Präsenz auf den Meeren. Dieser Umstand traf zusammen mit
den machtpolitischen Vorstellungen des geltungssüchtigen
jungen Kaisers Wilhelm II.
Eine patriotische Propaganda lief an: Seefahrt tut not! Und
schon begann der rasche Aufbau einer gewaltigen Kriegsflotte,
die an Stärke nur von England übertroffen werden sollte.
Das Hauptgewicht dieser Entwicklung lag naturgemäß in
den norddeutschen Hafenstädten. Die Flottenbegeisterung
schlug jedoch Wellen bis nach Süddeutschland, dabei sollten
Schiffsnamen Verbindung schaff en zu Orten und Personen: Baden,
Karlsruhe, Markgraf, Schwaben, Württemberg, Zähringen.
Die Flottenvereine organisierten auch hierzulande Werbeveranstaltungen,
in den Städten wurden die Jungen in Matrosenanzügle
gekleidet. Gleichwohl blieb die Anzahl von Badenern und Württembergern,
die auf Kriegsschiff en dienen wollten, recht begrenzt.
Um so verdienstlicher ist es, dass die neu eröffnete Ausstellung
im Rastatter Wehrgeschichtlichen Museum eine beträchtliche
Anzahl von marinebezogenen Erinnerungsstücken zusammentragen
konnte: Maßstabgerechte Schiffsmodelle, strategische Schlachtenpläne,
dokumentarische Abbildungen und Fotografien von Kriegsschiff
en aller Art, persönliche Porträts von Seeleuten, historische
Schrift stücke, alte Ansichtskarten, Propagandaplakate,
Uniformen, Ausrüstungsstücke sowie Reservistenkrüge.
Dabei hat man stets die Kontakte zu unserer Region herausgearbeitet,
bekannte Namen tauchen immer wieder auf. Die sachkundige Schau
versteht es, hineinzuführen in die selbstzufriedene Atmosphäre
jenes erstarkenden Kaiserreiches, das seinen Untergang noch nicht
ahnt.
Der ansprechend aufgemachte Katalog wird ergänzt durch
drei militärwissenschaftliche Beiträge.
Vorweg schildert Guntram Schulze-Wegener die bewegte Geschichte
der Kaiserlichen Marine von 1871 bis 1919. Im zweiten Aufsatz
erörtert Alexander Jordan das abgestimmte Zusammenspiel
von Flotte, Kolonien und Marineinfanterie. Im dritten Beitrag
liest Winfried Mönch den Bericht eines Kapitänleutnants,
der 1916 an der Seeschlacht vor dem Skagerrak teil nehmen musste.
Den Abschluss bildet eine ansehnliche Auswahlbibliographie zur
Marinegeschichte.
So entführt uns dieses lehrreiche Katalogwerk in ein zwar
entlegenes, dafür um so fesselnderes Sachgebiet.
Reiner Haehling von Lanzenauer |