Barocke Kirchen Roms

 

Die Ekstase der Heiligen Theresa

1647, in einer Zeit, als während des Pontifikats Innozenz X. sein außerordentliche Karriere eine kurze Pause erfahren musste, übertrug der Kardinal Federico Cornaro im Vertrauen auf seine Qualitäten dem Architekten und Bildhauer Bernini die Errichtung der Grabkapelle seiner Familie im linken Querschiff der Kirche Santa Maria della Vittoria in Rom an. Mit der Ausführung des Auftrags reagierte der Künstler auf die kühle Haltung, die der neue Papst ihm und seiner Kunst entgegenbrachte und legte gewissermaßen seine gesamte Schöpferkraft als Architekt und Bildhauer hinein und schuf auf diese Weise eines der höchsten Werke der barocken Kunst.

Eine der kennzeichnenden Absichten der barocken Kunst ist bekanntlich der Geschmack am Theatralischen, die opulente und begeisterte Darstellung von Ereignissen.

In diesem Werk griff Bernini unmittelbar auf seine Erfahrungen in der Organisation von Theateraufführungen zurück und verwandelte, nicht metaphorisch sondern buchstäblich. Den Kapellenraum in ein Theater. Er öffnete ein Fenster mit gelben Scheiben, verdeckte es durch den Altar-Aufbau und schuf so ein Licht, das gleichsam von oben wirkt, wie ein Widerschein, und das dem Einbruch eines vergoldeten Strahlenbündels in die Szene einen realistischen Hauch verleiht, so wie das Licht, das auf die Gruppe fällt, nur vorübergehend und instabil wirkt, um den Eindruck der Unglaublichkeit des Ereignisses zu verstärken.

Man kann sich leicht vorstellen, wie eindrucksvoll dieser Effekt im Halbdunkel der Kirche wirkte.

Das elegante barocke Bauwerk, errichtet aus vielfarbigem Marmor, in das Bernini die Szene der "Verzückung der heiligen Theresa" einbettete, dient als Bühnenraum. Er zeigt die Figur der Heiligen auf eine duftige Wolke, die sie - als wäre eine Bühnenmaschine verborgen - gen Himmel trägt.

Die Verwandlung der Kapelle in eine Bühne wird wörtlich mit der Darstellung zweier Logen zu beiden Seiten des Bühnen-Altars, in der, als Halbrelief und auf Büsten reduziert, verschiedene Personen aus der Familie Cornari dem Geschehen beiwohnen. Das äußerst intime Geschehen der Verzückung der Heiligen wird auf diese Weise zum öffentlichen Geschehen, dem die edlen Zuschauer nicht mit Teilnahmslosigkeit oder stiller Demut beiwohnen, sondern mit fast nüchterner Anteilnahme - man sieht sie, wie im Theater selbst - in regem Gespräch über das Gesehene.

Bernini setzte aber das Geschehen nicht nur für die "anwesende" Familie, sondern auch für die gläubigen Zuschauer, die sich der Altarbühne nähern, in Szene. Er zeigt hier die ganze Meisterschaft seiner Kunst, behandelt den Marmor, als wäre er Wachs, mit äußerster Beachtung der Details. Die weite und lockere Kleidung der Heiligen, ungeordnet über den Körper fallen gelassen, ist ein Meisterwerk virtuoser Technik, die dem Marmor alle Strenge und Starrheit nimmt und dem Bild selbst den Vorrang in der Darstellung der Bewegung zu verleihen scheint.

Die Darstellung der mystischen Ekstase der Heiligen und ihrer Vision des Göttlichen stellt eins der kostbarsten Themen der barocken Kunst dar: Die Heiligen "mit den Augen im Himmel" helfen - den Empfehlungen der Jesuiten über die pädagogische Funktion der kirchlichen Kunst folgend - die Religion und die Begegnung mit Christus voller Emotionalität und gewissermaßen mit einem "mystischen Atem" zu fühlen.

Auch unter diesem Aspekt, der Darstellung der Ekstase, machte dieses Werk Berninis in der Capella Cornaro Schule und dienste unzählige Male als Vorbild in der kirchlichen Kunst.

In der Ikonografie ist die "Verzückung der Heiligen Theresa" unmittelbar von einer berühmten Stelle in den Schriften der Heiligen beeinflusst, in der sie eine ihrer zahlreichen Erfahrungen ihrer himmlischen Entrückung beschreibt:

"Unmittelbar neben mir sah ich einen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, daß er zu jenen Engeln gehören mußte, die ganz vom Feuer göttlicher Liebe durchleuchtet sind; es müssen jene sein, die man Seraphe nennt. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang, und als er ihn herauszog, war mir, als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott."

Bernini setzte diese Worte fast buchstabengetreu in seinem Marmor-Bildwerk um: der Leib der Heiligen ist völlig dem Geschehen hingegeben, ihre Augen dem Himmel zugewandt und die Lippen öffnen sich zu einem Hauch, während ein knabenhafter Cherubim mit einem Pfeil in der Hand, der an Cupido denken lässt, das Kleid der Heiligen anhebt, um ihr diesen ins Herz zu stoßen.

Die psychoanalytische Deutung dieser mystischen Ekstase sieht, trotz aller tiefen Religiosität auch und gerade bei Bernini, die sexuelle Komponente in diesem Geschehen.

Text adaptiert aus Wikipedia (It), Bild: Wikipedia Commons

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