Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution


Sonderausstellung im Museum in der „Runden Ecke"

  

Anlässlich des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit wurde die seit Oktober 2009 im Museum in der „Runden Ecke“ erfolgreich präsentierte Sonderausstellung zur Friedlichen Revolution in Leipzig erweitert. Zentrale Voraussetzung für die Wiedervereinigung war der Demokratisierungsprozess, der sich unmittelbar an den Umbruch 1989 anschloss.

Die Schau beleuchtet am Beispiel Leipzigs verschiedene bisher noch wenig bekannte Themenbereiche, die bis heute fortwirken: Von den Umwelt- und Städtebauprojekten wie „Stoppt Cospuden“, „Pleiße ans Licht“ oder der Volksbaukonferenz bis hin zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und dem Umgang mit den Stasi-Akten.

Beginnend im Januar 1990 werden die weiteren Montagsdemonstrationen und die Entwicklung zur ersten freien Volkskammerwahl der DDR am 18. März 1990 dargestellt. Gezeigt wird außerdem der Aufbau demokratischer Strukturen in der Stadt Leipzig verbunden mit den Kommunalwahlen am 6. Juni 1990, der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie der Neugründung des Freistaates Sachsen.

Eingebettet wird die Ausstellung in die nationalen und internationalen Prozesse, die zur Deutschen Einheit führten. Die Einführung der D-Mark wird ebenso am Leipziger Beispiel dargestellt wie die Eröffnung des ersten Arbeitsamtes in den Räumen der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung. Die Ausstellung zeigt schlaglichtartig sowohl Chancen als auch Probleme der rasanten Entwicklung, an deren Ende das wiedervereinigte Deutschland stand.

1990 bot einmalige Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitgestaltung, alte „Kader“ nahmen aber auch großen Einfluss auf die Entwicklung

Die Sonderausstellung präsentiert eine Reihe neuer Fakten und bisher unbekannter Details. Sie zeigt sowohl die ungeheueren Chancen für selbstbestimmtes bürgerschaftliches Engagement aber auch den nach- wie vor großen Einfluss der Vertreter des alten Systems auf die Entwicklung.

Einmalige Möglichkeiten der gesellschaftlichen Mitgestaltung

Spätestens ab Januar 1990 begann die Phase des Aufbaus demokratischer Strukturen in der DDR. Diese Zeit bot einzigartige Möglichkeiten des Engagements und der Realisierung eigener Vorstellungen und Ideen. Anhand eindrücklicher Dokumente wird gezeigt wie sich Leipziger Bürger gegen den Verfall ihrer Stadt wehrten. Zahlreiche Umwelt- und Städtebauprojekte wie „Stoppt Cospuden“, „Pleiße ans Licht“ oder der Volksbaukonferenz wurden ins Leben gerufen und erfolgreich durchgesetzt.

Erfolgreich ostdeutsche Interessen in Fragen des Umgangs mit den Stasi-Akten gegenüber Bundesregierung durchgesetzt

Die Bundesregierung lehnte zunächst die gesetzliche Regelung der Volkskammer ab, wonach die Akten nicht vernichtet, dezentral gelagert und für die Aufarbeitung genutzt werden. Erst energische Proteste, in Leipzig, unter anderem mit Demonstrationen und einer Hungerstreikaktion, bewirkten jedoch die Berücksichtigung der Grundsätze des Volkskammergesetzes im Einigungsvertrag. Hier konnten Bürgerrechtler erfolgreich ostdeutsche Interessen in Bezug auf den Umgang mit den Stasi-Akten durchsetzten.

Alte Kader wollten Aufbau föderaler Strukturen bestimmen

Vertreter des alten Staatsapparates der Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt bereiteten schon ab Februar 1990 die Bildung des Landes Sachsen vor. So wollten sie die regionalen Apparate in die künftige Landesverwaltung zu überführen. Bereist im April veröffentlichten die drei Vorsitzenden der Räte der Bezirke ihren Verfassungsentwurf in 30.000 Exemplaren. In „letzter Sekunde“ verhindern Bürgerrechtler, dass die „alten Kader“ den Aufbau des Landes maßgeblich bestimmten. Die Federführung lag nun bei einem Koordinierungsausschuss für die Bildung des Landes Sachsen.

Konflikte in Fragen der Vergangenheitsbewältigung mit der neuen Regierung de Maizière und ihrem Innenminister Diestel

Zahlreiche Konflikte kamen in Fragen der Vergangenheitsbewältigung auf. Vor allem Innenminister Peter-Michael Diestel setzte sich für eine Vernichtung von Stasiakten ein. Auch die Akten der Leipziger Spionageabteilung sollten im April zur Vernichtung nach Berlin abgegeben werden. Lediglich der Widerstand des Bürgerkomitee Leipzig verhinderte dies.

Die Aufarbeitung war auch auf kommunaler Ebene von großer Bedeutung. So setzte die neu gewählte Leipziger Stadtverordnetenversammlung bereits auf ihrer konstituierenden Sitzung einen Ausschuss zur Kontrolle der Auflösung des MfS und zur Überprüfung der Mitarbeiter der Stadtverwaltung ein.

Mitarbeiter der „Sicherheitsorgane“ wurden bewusst bei der Stellenbesetzung der neuen Arbeitsämter bevorzugt

Bedrückend war 1990 für viele Leipziger der Weg zum neu eingerichteten Arbeitsamt, nicht zuletzt deswegen, weil sich dieses im Gebäude der ehemaligen Staatssicherheit befand. Behauptungen, dort ehemaligen „Bonzen“ und Stasi-Mitarbeiter gegenüber zu sitzen, wurden bisher meist als Gerüchte abgetan. Die Ausstellung deckt nun auf, dass es tatsächlich eine Vereinbarung zwischen Innenminister Peter-Michael Diestel und Sozialministerin Regine Hildebrandt gab, DDR-weit bei der Besetzung von Stellen im Arbeitsamt, auf Angehörige der Sicherheitsorgane zurückzugreifen.

     

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