2.6.21

Landesarchiv Baden-Württemberg

Online-Themenabend: Alltag in der „Anstalt"

Einblicke in Gehörlosenschulen in Baden-Württemberg in der Nachkriegszeit

(labw) Seit 2019 recherchiert das Landesarchiv Baden-Württemberg für Menschen, die zwischen 1949 und 1975 in Heimen der Behindertenhilfe oder in Psychiatrien untergebracht waren. Viele von ihnen haben dort leidvolle Erfahrungen gemacht. Bei einem Online-Themenabend am 10. Juni 2021 um 17 Uhr stehen die ehemaligen „Taubstummenanstalten" in Baden- Württemberg im Mittelpunkt.

Private Taubstummenanstalt St. Josef, Schwäbisch Gmünd Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg, Signatur E 191 Bü 3532Private Taubstummenanstalt St. Josef, Schwäbisch Gmünd Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg, Signatur E 191 Bü 3532

In den letzten Jahren wurde viel über die schlechten Bedingungen in Kinder- und Jugendheimen diskutiert. Aktuell machen diejenigen, die als Kinder zur Erholung „verschickt" wurden, auf die gravierenden Missstände in diesen Einrichtungen aufmerksam. Weniger Aufmerksamkeit bekommen hingegen Betroffene, die in ihrer Kindheit in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in der Psychiatrie untergebracht waren. Auch sie litten unter der „schwarzen Pädagogik": Gewalt und Strafen waren weit verbreitet, der Alltag in den Einrichtungen oft lieblos und rigide. Viele Kinder sahen ihre Eltern kaum. Kinder und Jugendliche mit Behinderungen erlebten darüber hinaus zusätzliche Erniedrigungen. Wer als „nicht förderfähig" galt, dem wurden häufig nicht einmal grundlegende Kulturtechniken vermittelt, wie zum Beispiel das Essen mit Messer und Gabel. Nachweise von Medikamentenmissbrauch häufen sich. Diejenigen, die selber keine körperliche Gewalt erfahren mussten, litten oft unter Angst durch die Gewalt, die um sie herum stattfand.

Viele dieser Erfahrungen machten auch gehörlose Kinder und Jugendliche. Man schrieb gehörlosen Menschen aufgrund ihrer Sinnesbehinderung intellektuelle Defizite zu: Ohne das Sprechen könne sich auch das Denken nicht richtig entwickeln. Daher stand die Sprachvermittlung in Gehörlosenschulen lange Zeit im Vordergrund - mit der Folge, dass den Kindern das Gebärden verboten war. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten davon, wie furchtbar diese Einschränkung der Kommunikation für sie war.

Diesen Erfahrungen möchte das Landesarchiv Baden-Württemberg bei einer Online- Veranstaltung Raum geben und damit einen weiteren Beitrag zur Aufarbeitung der Missstände in den verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe leisten. Im Mittelpunkt steht das Gespräch mit zwei Zeitzeuginnen. Ergänzt wird es durch einen Bericht aus der Arbeit des Dokumentationsprojekts Zwangsunterbringung, einem kurzen Input zu den Möglichkeiten, im Archiv nach Nachweisen für eigene Erfahrungen zu suchen, und einem Vortrag über die Geschichte der Gehörlosenpädagogik.

Programm:

17 Uhr
Begrüßung und Einführung, technische Hinweise
Nora Wohlfarth, Landesarchiv Baden-Württemberg Dokumentationsprojekt Zwangsunterbringung

„Anstalten" - im Archiv? Was gibt es und wozu?
Dr. Jürgen Treffeisen, Landesarchiv Baden-Württemberg Stellvertretender Abteilungsleiter Generallandesarchiv Karlsruhe

Gelegenheit für Fragen
Pause

17.30  
Uhr Zeitzeugengespräch mit Ehemaligen aus Gehörlosenschulen
Mit Patricia und Edith Wahl
Moderiert von Evelyne Rochus-Hamlin
Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe beim Vdk

Gelegenheit für Fragen
Pause

18.30 Uhr
Der pädagogische Alltag.
Gebärdensprachverbot und Dominanz der lautsprachlichen Methode (1860 -1990) Prof. Dr. Johannes Hennies Pädagogische Hochschule Heidelberg
Gelegenheit für Fragen und Diskussion

 

Für die Durchführung der Veranstaltung wird Go-To-Meeting verwendet. Sie erreichen die Veranstaltung unter dem folgenden Link: https://www.gotomeet.me/AK_ASB/alltag-in-der-anstalt. Sie können sich auch über ein Telefon einwählen: 0891 - 2140 2090. Zugangscode: 394-847-677. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.

Weitere Informationen zum Dokumentationsprojekt Zwangsunterbringung

www.landesarchiv-bw.de/de/landesarchiv/proiekte/aufarbeitung-von-heimerziehung-und-zwangsunterbringungen/dokumentationsproiekt-zwangsunterbringung/64847

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