9.7.20

Jahrestage der Geschichte

9. Juli 1770: Der pfälzische Kurfürst Carl Theodor inkognito zu Besuch auf Schloss Solitude

(ssg)  Vor 250 Jahren, am 9. Juli 1770, war Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz zu Besuch auf Schloss Solitude – inkognito. Das „Schloss in der Einsamkeit“ war das neue Prestigeobjekt des baulustigen Herzogs Carl Eugen von Württemberg. Es sollte kein zeremonieller Staatsbesuch werden, daher reiste der Kurfürst mit nur drei Begleitern und unter anderem Namen. Der Zeitpunkt schien perfekt: Herzog Carl Eugen war gerade mit seinem Hofstaat nach Teinach im Schwarzwald aufgebrochen. Doch genau an diesem Tag entschloss sich auch Carl Eugen dazu, auf der Solitude nach dem Rechten zu schauen. Der Herzog erfuhr, wer „inkognito“ sein Schloss besuchen wollte und machte sich einen Spaß daraus. So kam es, dass der Herzog den Kurfürsten zu einer Tasse Kaffee auf der Solitude einlud.

Johann Georg Ziesenis: Kurfürst Karl Theodor Pfalzgraf, um 1753. SSGUnbekannter Künstler: Herzog Carl Eugen, um 1760. SSG, Aufnahme: Dieter Jäger, LMZJohann Georg Ziesenis: Kurfürst Karl Theodor Pfalzgraf, um 1753. SSG

Unten: Unbekannter Künstler: Herzog Carl Eugen, um 1760. SSG, Aufnahme: Dieter Jäger, LMZ

Inkognito zur Solitude
Vor genau 250 Jahren, am 9. Juni 1770, machte Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz inkognito einen Besuch auf Schloss Solitude. Unerkannt wollte er das spektakuläre neue Schlossprojekt im benachbarten Herzogtum Württemberg besichtigen. Nach rund sechs Jahren Bauzeit waren die Arbeiten am Lustschloss gerade erst abgeschlossen. Die Anlage war außergewöhnlich, die Ausstattung kostbar, riesige Gärten umgaben die Schlossgebäude – und obendrein gab es eine schnurgerade, 15 Kilometer lange Allee, die Aufmerksamkeit erregte. Mit ihr verband der Herzog sein Lustschloss mit der damaligen Residenzstadt Ludwigsburg. Um ohne zeremoniellen Staatsbesuch das Schloss sehen zu können, reiste Kurfürst Carl Theodor unter anderem Namen. Und er kam direkt von Schwetzingen, wo sich seine Sommerresidenz mit ihrem heute noch erhaltenen berühmten Garten befand – ein direkter Vergleich mit dem Schlossprojekt des württembergischen Herzogs.

Ein Scherz des Herzogs
Der Zeitpunkt zum unerkannten Besuch schien für den pfälzischen Kurfürsten perfekt. Der württembergische Herzog war nämlich erst vor wenigen Tagen mit seinem ganzen Hofstaat auf Sommerreise nach Teinach im Schwarzwald aufgebrochen. Der Zufall wollte es jedoch anders: Am 9. Juli 1770 entschloss sich auch Carl Eugen dazu, zur Solitude zu kutschieren. Im nahen Weilimdorf angekommen, wurde ihm gemeldet, dass der pfälzische Kurfürst auf dem Weg zur Solitude sei. Zunächst überrascht ließ sich der Herzog auf die Situation ein und spielte mit. Er gab Befehl, dass das Personal auf der Solitude dem unbekannten vornehmen Herrn und seinen drei Begleitern alles zeigen – jedoch „Höchstdero Persohn ignoriren“ sollte.

Historisches Journal hält alles fest
Woher weiß man das? Ein vertrauter Begleiter des Herzogs hat über alle Aktivitäten am Hof Carl Eugens ein Tagebuch geführt. Alexander Freiherr von Bouwinghausen-Wallmerode verfasste ein „Journal über Serenissimi Land-Reyssen, 23. September 1767 bis 10. Mai 1773“. Er notierte die Geschehnisse um den Herzog – getreulich und mit vielen Details. Er hält fest, wie der Herzog, nach Teinach zurückgekehrt, selbst erzählt: dass sie „einen unerwarteten Besuch auf der Solitüde gehabt hätten, indeme Se. Churfürstl. Durchl. von der Pfaltz daselbst gewessen seyen“. Der Kurfürst war mit nur drei Reisegefährten unterwegs und stieg im Wirtshaus in Weilimdorf ab – vollständig undenkbar bei einem offiziellen Besuch.

Zwei Herren trinken Kaffee auf der Solitude
Herzog Carl Eugen wird aber dennoch informiert – und spielt mit. Er lässt die Aufseher auf der Solitude anweisen, dass sie dem vornehmen Gast alles zeigen und zugleich „Höchstdero Persohn ignoriren“ sollten. Volle drei Stunden dauert der Rundgang. Dann schickt der Kurfürst einen seiner Begleiter zum Herzog und ließ „das Compliment machen“. „Der Herzog giengen sodann dem Churfürsten entgegen, empfiengen Denselben und führten Solche in den Saal des Schlosses, woselbsten der Churfürst eine Tasse Caffée annahm, und nachdeme Sie die Schönheiten und besonders die unvergleichbare Vue vom Schloss aus, sehr bewundert hatten, umarmten diese beede Herrn einander und der Churfürst reisste sehr vergnügt von der Solitüde wieder nach Schwetzingen zurück.“

Das Ende des Lustschlosses
Nur wenige Jahre hielt die Begeisterung des Herzogs für sein Lustschloss. Bereits fünf Jahre nach der Begegnung mit dem Kurfürsten hatte Carl Eugen seinen Aktionsschwerpunkt in den Süden von Stuttgart verlegt: Schloss und Garten Hohenheim waren die neuen Projekte. Die riesigen Gärten auf der Solitude mit ihren vielen Bauwerken sind heute lange schon verloren. Was sich bis heute erhalten hat, ist die Eleganz des Schlosses und seiner Nebengebäude – und die Aussicht, die „unvergleichbare Vue vom Schloss aus“.

Schloss Solitude
Fr–So, Feiertag 11.00 – 16.00 Uhr
4,00 €, Ermäßigte 2,00 €, Familien 10,00 €

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