19.1.18

Naturwissenschaftlicher Verein und Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe

Naturschützer fordern Agrarwende zur Rettung der Schmetterlinge und der anderen Insekten

EU-Agrarförderung muss an gesellschaftliche Leistungen gekoppelt werden, aktuelle Artenschutzbestimmungen sind im Grundsatz verfehlt

(smnk) Im Karlsruher Naturkundemuseum zeigte am 16. Januar 2018 auf einer Veranstaltung des Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe der Tierfilmer Jan Haft den Film „Kinder der Sonne – Unsere Schmetterlinge“. Wegen des Insektensterbens fand nach der Vorführung eine Podiumsdiskussion mit dem Naturfilmer und dem Schmetterlingsexperten des Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe Dr. Robert Trusch statt.

Wie Haft ausführte, sind in Deutschland in den letzten 25 Jahren 98% der Heuwiesen verschwunden. Das sind jene Blumenwiesen, auf denen früher Schmetterlinge in abertausenden Exemplaren gaukelten. Hauptursache für den dramatischen Rückgang unserer Schmetterlinge und vieler anderer Insekten ist die industrielle Landwirtschaft: Sie duldet keine Feldraine mit Wildkräutern und Hecken in der Flur und bedient sich eines übermäßigen Einsatzes von Insektiziden und Herbiziden. Ein weiteres Kardinalproblem ist die von ihr praktizierte Überdüngung mit Stickstoff.

Links: Der Wiesenspinner Lemonia dumi kann nur auf nährstoffarmen Wiesen überleben.

Unten: Noch finden sich an wenigen Stellen in der Flur nährstoffarme Wiesen. Sie stellen Refugien für die letzten Falter dar.

Beide Fotos: R. Trusch.

In der Diskussion wurde klar, dass sich die Verluste bei den Insekten nicht allein durch kleinräumiges, privates Engagement im Garten ausgleichen lassen. Dafür sind die Gärten mit nur 4% der Landesfläche einfach zu wenig. Trotzdem muss es unser Ziel sein, neumodische „Schottergärten“ in blühende Schmetterlingsgärten zu verwandeln. Auch die Naturschutzgebiete werden das Artensterben nicht aufhalten können, da sie ebenfalls einen zu geringen Flächenanteil ausmachen und der Artenrückgang auch dort bereits stattfindet.

Die Teilnehmer der Diskussion fordern deshalb eine Wende in der Agrarwirtschaft. Systemische Insektizide wie Neonikotionide und ihre Nachfolger müssen verboten werden, die Güllewirtschaft auf den Wiesen muss aufhören. An die Politiker geht die Forderung, die EU-Agrarförderung so zu verändern, dass nicht mehr pauschal nach bewirtschafteter Fläche gefördert wird, sondern nach gesellschaftlichen Leistungen: So sollten Landwirte finanziell belohnt werden, die Lebensräume für die biologische Vielfalt schaffen und erhalten. Wir brauchen eine „biologische Marktwirtschaft“.

Die Naturschutzverbände sollten ihren politischen Druck in diese Richtung verstärken, aber auch noch in eine zweite: Die gesetzlichen Beschränkungen zum Artenschutz waren für die Erhaltung der Schmetterlinge und vieler anderer Insekten völlig wirkungslos. Diese Bestimmungen erfassen nicht die massenhafte Vernichtung der Insekten an anderer Stelle, z.B. durch die Landwirtschaft oder den Verkehr. Die Gesetze haben lediglich erreicht, dass das Interesse an der Natur stark abgenommen hat, ja dass sich Eltern von Kindern strafbar machen, die Tiere mit nach Hause nehmen. Damit geht der gesetzliche Artenschutz völlig fehl. Es ist an der Zeit, diese sinnlosen Verordnungen abzuschaffen, damit eine neue Generation von Insektenkundigen heranwachsen kann. Wir werden sie in Zukunft dringend brauchen.

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