19.7.16
Neun neue Stätten auf der UNESCO-Welterbeliste
Erste Welterbestätte in den Föderierten
Staaten von Mikronesien
Das UNESCO-Welterbekomitee hat in der vergangenen Woche auf
seiner 40. Sitzung in Istanbul neun neue Stätten in die Liste des
Welterbes aufgenommen. Dazu gehören die Ausgrabungsstätte
von Nalanda Mahavihara in Indien, die antike Stätte von Philippi
in Griechenland, das persische Qanat-Bewässerungssystem im
Iran und die archäologische
Stätte von Ani in der Türkei. Erstmals auf der Welterbeliste
vertreten sind die Föderierten Staaten von Mikronesien mit
Nan Madol, einem zeremoniellen Zentrum in Ostmikronesien.
Das Welterbekomitee diskutiert in den nächsten Tagen weitere
Vorschläge für die Welterbeliste. In diesem Jahr sind
27 Stätten nominiert. Deutschland ist an der transnationalen
Nominierung des architektonischen Werkes des Schweizer Architekten
und Stadtplaners Le Corbusier beteiligt.
Die neun neuen UNESCO-Welterbestätten:
Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro,
Serbien: Stecci – mittelalterliche
Grabsteine
Die mittelalterlichen Friedhöfe und Grabsteine, sogenannte
Stecci, entstanden zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert. Die Stecci
sind größtenteils in Kalkstein gehauen und umfassen
außerordentlich vielfältige Motive und Inschriften,
die von der ikonographischen Kontinuität im mittelalterlichen
Europa und von weitaus älteren lokalspezifischen Traditionen
zeugen. Die Friedhöfe sind in Reihen angelegt, wie es in Europa
seit dem Mittelalter Brauch war. Für die Welterbeliste wurden
30 repräsentative Stätten in Bosnien-Herzegowina, Westserbien,
Westmontenegro sowie Mittel- und Südkroatien ausgewählt.
Becani, Šekovici. © Adnan Šahbaz
China: Felsmalereien der Kulturlandschaft am
Hua Shan und am Fluss Zuo Jiang
Die Felsmalereien bilden das Leben und die Rituale des Luoyue-Volkes
ab und sind an 38 Orten entlang steiler Felswände in der Grenzregion
im Südwesten Chinas zu finden. Sie entstanden zwischen dem
fünften Jahrhundert v. Chr. und dem zweiten Jahrhundert n.
Chr. in einer Karst-, Fluss- und Plateau-Landschaft. Die Malereien
zeigen Zeremonien, die als eine Darstellung der früher in
Südchina dominierenden Kultur der Bronzegongs interpretiert
werden. Diese Kulturlandschaft ist heute das einzig erhaltene Zeugnis
dieser Kultur.
Griechenland: Archäologische Stätte
von Philippi
Die Überreste dieser antiken Festungsstadt erstrecken sich
entlang des Fußes einer Akropolis und befinden sich in der
heutigen Region Ostmakedonien und Thrakien auf der alten Straße
Via Egnatia, die Europa und Asien verbindet. Die Stadt wurde 356
v. Chr. unter dem makedonischen König Philipp II. gegründet
und entwickelte sich anschließend mit der Gründung des
Römischen Reiches in den Jahrzehnten nach der Doppelschlacht
bei Philippi im Jahr 42 v. Chr. zu einem "Kleinen Rom".
Die hellenistischen Bauwerke – das große Theater und
das Heroon (Grabdenkmal) – wurden um römische Gebäude
wie das Forum ergänzt. Die Stadt wurde schließlich nach
dem Besuch des Apostels Paulus in 49-50 n. Chr. zu einem zentralen
Ort des christlichen Glaubens. Die Überreste der Kirchen sind
ein außergewöhnliches Zeugnis der ersten Gemeinden des
Christentums.
Stadtzentrum des antiken Philippi. Foto: Wikimedia Commons/Marsyas
(eig. Werk, CC BY-SA 3.0)
Großbritannien: Neandertaler-Höhlen
und Umgebung in Gibraltar
Die Kalksteinklippen im östlichen Teil des Felsens von Gibraltar
beherbergen vier Höhlen, deren archäologische und paläontologische
Fundstätten auf die Präsenz von Neandertalern über
eine Zeitspanne von mehr als 125.000 Jahren hinweisen. Die Stätte
ist ein außergewöhnliches Zeugnis der kulturellen Traditionen
der Neandertaler. In den Höhlen sind abstrakte Felsgravuren
sowie Spuren der Jagd auf Vögel und Meerestiere zu Nahrungszwecken
und Hinweise auf die Verwendung von Federschmuck zu finden. Die
wissenschaftlichen Forschungsarbeiten vor Ort haben schon jetzt
einen bedeutenden Beitrag zur Diskussion über den Neandertaler
und die Evolution des Menschen geleistet.
Indien: Ausgrabungsstätte von Nalanda
Mahavihara
Die Ausgrabungsstätte von Nalanda Mahavihara liegt im Bundesstaat
Bihar im Nordosten Indiens. Dort finden sich archäologische Überreste
eines Kloster- und Lehrzentrums, in dem vom dritten Jahrhundert
v. Chr. bis ins achte Jahrhundert n. Chr. gebetet und gelehrt wurde.
Die Stätte umfasst insbesondere Stupas, Viharas (buddhistische
Wohn- und Lehrgebäude), Tempel und bedeutende Kunstwerke aus
Stuck, Stein und Metall. Die historische Entwicklung der Stätte
zeugt von der Evolution des Buddhismus hin zu einer Religion und
von der Entfaltung von Kloster- und Lehrtraditionen.
Iran: Das persische Qanat-Bewässerungssystem
In den Trockenregionen des Irans werden landwirtschaftliche und
bewohnte Flächen durch das traditionelle persische Qanat-Bewässerungssystem
unterstützt. Das System ermöglicht die Nutzung von
Trink- und Nutzwasser aus höher gelegenen Regionen durch
einen Transport mittels unterirdischer Tunnel, die sich oft über
Kilometer erstrecken. Die elf Bewässerungsanlagen, die dieses
System auf der Welterbeliste repräsentieren, bieten zudem
Schutzzonen für Arbeiter, Wasserreservoirs und –mühlen.
Das noch heute intakte traditionelle Managementsystem lokaler
Gemeinschaften ermöglicht eine gerechte und nachhaltige
Wasserverteilung. Zudem ist es ein einzigartiges Zeugnis kultureller
Traditionen und der Lebensweise von Menschen in Trockengebieten.
Das persische Qanat: Luftbild, Jupar, Bagh-e Shahzadeh (Mahan). © S.H.
Rashedi
Föderierte Staaten von Mikronesien: Nan Madol – das
zeremonielle Zentrum von Ostmikronesien
Nan Madol besteht aus einer Reihe von 99 künstlichen Inseln
aus Basaltgestein und Korallenblöcken vor der Insel von Pohnpei.
Auf den Inseln befinden sich die Überreste von zwischen 1.200
und 1.500 n. Chr. errichteten Palästen, Tempeln, Grab- und
Wohnstätten aus Stein. Nan Madol war das zeremonielle Zentrum
der Dynastie der Saudeleur, einer von Aufbruch geprägten Zeit
in der pazifischen Inselkultur. Die monumentalen Ausmaße
der Gebäude, die technische Komplexität und die Vielzahl
an megalithischen Strukturen zeugen von hochentwickelten sozialen
und religiösen Bräuchen der damaligen Inselgesellschaften.
Aufgrund des aktuellen Erhaltungszustands wurde die Stätte
unmittelbar in die Liste des gefährdeten Welterbes aufgenommen.
Spanien: Dolmenstätten von Antequera
Die im Herzen Andalusiens gelegene Stätte umfasst drei Megalith-Monumente – den
Dolmen de Menga, den Dolmen de Viera und den Tholos von El Romeral – sowie
zwei Naturdenkmäler – den Berg Peña de los Enamorados
und den Gebirgsstock El Torcal. Diese bilden die visuellen Bezugspunkte
innerhalb der Kulturstätte. Die während der Neusteinzeit
und Bronzezeit mit großen Steinblöcken errichteten Monumente
bilden Kammern und Räume, die mit Türstürzen oder
falschen Kuppeln bedeckt sind. Die drei Grabstätten gehören
zu den herausragendsten Bauwerken der europäischen Vorgeschichte.
Das Ensemble ist eines der bedeutendsten Beispiele der megalithischen
Architektur in Europa.
Hügelgrab der Bronzezeit (ca. 2500 v. Chr.) bei Antequera
(Spanien). Foto: Wikimedia Commons/Manfred Werner (Tsui, CC BY-SA
3.0)
Türkei: Archäologische Stätte
von Ani
Die Stätte liegt im Nordosten der Türkei auf einer abgelegenen
Hochebene über einer Schlucht, welche die natürliche
Grenze zu Armenien bildet. Mit ihrer Verbindung von Wohnanlagen
mit religiösen und militärischen Strukturen ist sie kennzeichnend
für einen mittelalterlichen Städtebau, der im Verlauf
der Jahrhunderte von christlichen und anschließend muslimischen
Dynastien geprägt war. Die Blütezeit der Stadt lag zwischen
dem zehnten und elften Jahrhundert n. Chr., als sie Hauptstadt
des mittelalterlichen armenischen Königreichs der Bagratiden
wurde und ihr Reichtum auf der Kontrolle des Handels entlang eines
Abschnitts der Seidenstraße gründete. Später behielt
die Stadt auch unter der byzantinischen, seldschukischen und georgischen
Herrschaft ihren Status als wichtige Drehscheibe für Handelskarawanen.
Der Einfall der Mongolen und ein zerstörerisches Erdbeben
im Jahr 1319 stellten den Beginn des Niedergangs der Stadt dar.
Archäologische Stätte von Ani: II.
Stadtmauern von Smbat. © Fahriye Bayram
|