25.5.16
281
Hektar artenreicher Landschaft im Enzkreis und im Landkreis Karlsruhe
Regierungspräsidium Karlsruhe weist neues Naturschutzgebiet „Pfinzquellen“aus (rpk)
Seit 2014 arbeitete das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe
an der Ausweisung eines Naturschutzgebietes rund um Pfinzweiler.
Nun ist es soweit: Regierungspräsidentin Nicolette Kressl
setzte gestern (Dienstag, 24. Mai) in Karlsruhe ihre Unterschrift
unter die Verordnung. Damit werden 281 Hektar Wiesen und Wälder
auf den Gemarkungen der Gemeinden Straubenhardt, Karlsbad und Marxzell
Naturschutzgebiet.
Vorangegangen waren ein Jahr der fachlichen Vorbereitung und über
zwei Jahre intensiver Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern,
Bürgermeistern, Gemeinderäten, Landwirten, Naturschützern
und Trägern öffentlicher Belange. Den Abschluss fand
das Verfahren im April mit einer vierwöchigen Offenlage in
den Rathäusern und Landratsämtern.
Die jetzt unterschriebene Fassung berücksichtigt soweit wie
möglich die Belange und Interessen der vor Ort Tätigen
und Verantwortlichen. Beispielsweise wurde die Größe
des Gebietes – ursprünglich waren aus einem 395 Hektar
großen Suchraum 347 Hektar ausgewählt worden – auf
281 Hektar reduziert.
„Wir freuen uns über die hohe Akzeptanz des Naturschutzgebietes
in Straubenhardt und Marxzell und bauen darauf, dass diese mit
der Zeit auch in Karlsbad weiter wächst“, sagte Regierungspräsidentin
Nicolette Kressl.
Gerne hätte das Regierungspräsidium das Naturschutzgebiet
auch im Karlsbader Gemeinderat vorgestellt und darüber informiert.
Dieses Angebot sei leider nicht genutzt worden. Da es an der Schutzwürdigkeit
der Gewanne Fautsäcker und Zwerräcker, die jetzt nicht
Teil des Naturschutzgebietes sind, keinen Zweifel gibt, sieht das
RP Karlsruhe nun die Gemeinde Karlsbad in der Verantwortung, diese
wertvollen Flächen zu schützen. Das Regierungspräsidium
werde die Entwicklung dieser Flächen daher genau im Auge behalten.
„Wir hoffen, wir haben dazu beigetragen, der Bevölkerung
den ganz besonderen und hohen Wert der Natur vor ihrer Haustür
zu verdeutlichen“, sagen die zuständigen Referenten
des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Dr. Silke Schweitzer und
Dr. Christoph Aly. „Wir haben mit unserem Kollegen Dr. Daniel
Baumgärtner vom Ökomobil des Regierungspräsidiums
Karlsruhe und den ehrenamtlich tätigen Naturschützern
viele Hundert Stunden in Gespräche investiert. Uns war es
ein Anliegen, die Ausweisung des Schutzgebietes im Dialog mit allen
Interessierten voran zu bringen.“ Das RP hatte rund 20 Veranstaltungen
angeboten, die guten Zuspruch fanden.
In Straubenhardt und Marxzell stimmten die Gemeinderäte mit
breiter Mehrheit dem Vorschlag des Regierungspräsidiums zu.
In der Offenlage trugen lediglich vier Eigentümer Bedenken
vor. In Karlsbad forderte der Gemeinderat dagegen eine Verkleinerung
der unter Schutz zu stellenden Fläche; 25 Einwendungen wurden
gegen die Einbeziehung konkreter Flurstücke erhoben. Alle
Einwender erhalten in den kommenden Tagen Antwort auf ihre Bedenken
aus dem Regierungspräsidium Karlsruhe.
„Der Schlüssel zur Erhaltung der Schönheit von
Wiesen ist ihre sachgerechte Pflege. Weil wir uns um die Naturschutzgebiete
intensiv kümmern können – nur 3 % im Regierungsbezirk
tragen dieses Prädikat -, ist die Ausweisung eines Naturschutzgebietes
gleichzeitig eine Pflege-Zusicherung durch die Naturschutzverwaltung
des Landes Baden-Württemberg“, erläuterte Dr. Silke
Schweitzer.
Auch nach der Ausweisung des Naturschutzgebietes genießen
bisherige rechtmäßige Nutzungen und Einrichtungen grundsätzlich
Bestandsschutz. Dies beinhaltet die Nutzung und Unterhaltung von
Wegen, Versorgungsleitungen für Wasser, Strom und Telefon
und die Nutzung von Gärten, Wiesen, Ackerflächen oder
Streuobstwiesen. Die Errichtung neuer „baulicher Anlagen“ ist
allerdings untersagt.
Bei der Bewirtschaftung der Wiesen ist die maximal zweimalige
Nutzung erlaubt, die Düngung ist eingeschränkt, entlang
der Gewässer müssen Altgrasstreifen zu Gunsten der Tierwelt
stehen bleiben, konkret bekannte Brutstandorte seltener bodenbrütender
Vogelarten müssen geachtet werden – wobei der zusätzliche
Arbeitsaufwand der Landwirte entschädigt wird. Darüber
hinaus besteht für Landwirte die Möglichkeit zum Vertragsabschluss.
Denn wer weitergehende Einschränkungen zu Gunsten der Natur
akzeptiert, erhält einen Zuschuss nach der Landschaftspflegerichtlinie.
Das Regierungspräsidium wird Anfang 2017 in einem Pflege-
und Entwicklungsplan vorstellen, wo das sinnvoll und wünschenswert
ist; eine Gebietsbetreuerin wird dann die Landwirte beim Vertragsabschluss
aktiv beraten.
Die Besonderheit und die Naturschätze des Gebietes wurden
in einer 33-seitigen Würdigung zusammengestellt. So fand sich
bei den letzten Kartierungen im vergangenen Jahr eine Fülle
seltener und gefährdeter Arten im jetzigen Naturschutzgebiet.
In den Wiesen leben 19 Heuschrecken-, 46 Tag- und 204 Nachtfalterarten,
viele davon selten und gefährdet und anderswo bereits verschwunden.
Nicht weniger als 120 Vogelarten wurden beobachtet, 74 davon als
Brutvögel, was fast ein Drittel aller in Baden-Württemberg überhaupt
vorkommenden Brutvogelarten bedeutet. Unter den Brutvögeln
sind Raritäten wie das Braunkehlchen, die Grauammer und der
Wendehals und unter den Zugvögeln und Wintergästen der
Kranich, die Kornweihe und der Große Brachvogel. Die gegebene
extensive Nutzung und die Größe machen dieses Wiesengebiet
attraktiv für Arten, die ansonsten in Baden-Württemberg
kaum noch Lebensmöglichkeiten finden. Beides kann nun durch
die Ausweisung als Naturschutzgebiet erhalten werden.
Auf der Homepage des Regierungspräsidiums ist der gesamte
Text der Rechtsverordnung und eine Karte mit dem Geltungsbereich
eingestellt: rp.baden-wuerttemberg.de/rpk/Abt5/Ref55/Seiten/Naturschutzgebiete.aspx |